Miguel Vaquer (links) übernahm das Hotel Capricho einst mit seiner Frau Kirsten Brondum von seinen Eltern. Mehr und mehr übernehmen nun Tochter Diana und Sohn Daniel den Betrieb. | somo

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Genau 40 Jahre ist es her, dass Dieter Holl zum ersten Mal im Hotel Capricho in Cala Rajada eingecheckt hat. "540 Mark für drei Wochen Halbpension", erinnert sich der Bochumer. Damals war es Zufall, dass es ihn in das Hotel mitten im Ort verschlug. "Es war recht bescheiden, viel kleiner als heute", erzählt der 79-Jährige. Auch das Meer kann man von der Anlage aus nicht sehen. Und doch kam Holl wieder - jedes Jahr. "Manchmal sogar zweimal im Jahr", fügt er hinzu. Es sei die Freundlichkeit des Personals gewesen, die ihn angezogen habe. "Und daran hat sich auch bis heute nichts geändert."

Das Hotel Capricho ist eines von mehreren, die Mitte der 1960er Jahre in dem langsam beliebter werdenden Urlaubsort ihre Pforten öffneten. Damals hatte das Hotel 78 Zimmer. "50 Jahre ist das nun her", berichtet Kirsten Brondum. Es war ihr Schwiegervater, der 1966 die ersten Gäste empfing. Neun Jahre später stieg auch sie mit ins Geschäft ein, unterstützte ihren Mann Miguel Vaquer.

"Der Tourismus hat sich verändert", weiß Brondum. "Damals kamen die Menschen für drei Wochen am Stück und saßen jeden Abend in der Hotelbar und gaben Geld aus." Heute kämen die Gäste mehrmals im Jahr für kürzere Zeit, weil die Flugpreise günstiger sind, und legten mehr Wert auf Ruhe. "Junge Gäste haben wir in unserem Hotel kaum, es sind eher ältere Menschen und Ehepaare, die zu uns kommen. Und fast alle kommen immer wieder", so Brondum.

Es ist nicht selbstverständlich, dass den Gästen im Hotel Capricho tatsächlich Ruhe geboten werden kann - es liegt mitten im Zentrum des quirligen Cala Rajada, das jährlich Tausende Partytouristen anzieht. "Vor einigen Jahren war es auf den Straßen aber lauter. In der letzten Zeit ist es ruhiger geworden, getrunken wird hauptsächlich in den Bars und Discos und nicht mehr so viel draußen", finden Dagmar und Helmut Hamacher. Die beiden sitzen zusammen mit Dieter Holl und dessen Frau Renate auf der Terrasse des Hotels Capricho, blicken auf die elegante Teichlandschaft, die den äußeren Eingangsbereich der Unterkunft ziert.

Mit ihnen um den Tisch sitzen weitere Urlauber im besten Alter, die Stimmung ist entspannt und vertraut. "Wenn man seit Jahrzehnten kommt, dann kennt man sich", sagt Holl und andere nicken. "Manchmal sind wir mehr als 25 Leute", erzählt die Urlaubergruppe. Kennengelernt haben sie sich in Cala Rajada, aber immer wieder nehmen sie auch in Deutschland Kontakt miteinander auf, versuchen, ihre Urlaubszeiten abzustimmen. Sie kennen die Gastronomen im Ort und die Reinigungskräfte im Hotel. "Hier ist es wie in einer Familie", klingt immer wieder an. Besitzerin Kirsten Brondum und ihre Kinder eingeschlossen. "Wir kannten die Kids schon, als sie noch so klein waren und jetzt leiten sie das Hotel", sagt Dieter Holl und fügt lachend hinzu: "Da merkt man, wie die Zeit vergeht."

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"Ich bin hinter dem Tresen der Rezeption aufgewachsen", bestätigt Diana Vaquer. Sie kennt auch Holls Kinder und Enkelkinder, alle waren schon mal zu Gast im Hotel. Gemeinsam mit ihrem zwei Jahre jüngeren Bruder Daniel übernimmt die 38-jährige Diana immer mehr die Federführung in der beliebten Unterkunft, ihre Eltern ziehen sich Jahr für Jahr ein wenig mehr zurück. Diana und Daniel gingen beide fürs Studium nach Deutschland, "schließlich sind hier so gut wie alle Gäste Deutsche". Mit guter Qualifikation kehrten sie dann in ihre Heimat zurück.

"Auf Dauer weg von Cala Rajada zu sein war nie eine Option", so Diana - eine Einstellung, die sie mit zahlreichen Stammgästen teilt. Nun führen die Geschwister das Hotel so weiter, wie die Eltern und Großeltern es begonnen haben. Kein Gast ist eine Nummer, wer Probleme hat, kann sich sicher sein, dass die 32 Angestellten eine Lösung suchen, bestätigen auch die Stammgäste draußen auf der Terrasse. "Aber eine kleine Neuheit bieten wir jedes Jahr", sagt Diana und schmunzelt. So zum Beispiel das Showcooking, das seit dieser Saison die Gäste im Speisesaal beeindruckt. Auch der 50. Geburtstag soll am 28. Mai groß gefeiert werden. "Aber die meisten Attraktionen sind Überraschungen, also nichts verraten."

Es ist erstaunlich, dass weder die Einführung des Euro noch die Krise, die im Ort zu zahlreichen Schließungen und schwerwiegenden Einbußen in der Gastronomie und im Einzelhandel führte, dem Hotel Capricho etwas anhaben konnten. Stattdessen wurde die Zimmerzahl auf 135 aufgestockt, ein Spa-Bereich bietet den Urlaubern seit acht Jahren Wellnessfeeling. "Hier gibt es keinen Meerblick und auch nur drei Sterne, aber das vergessen wir oft", erzählen die Stammgäste auf der Terrasse gutgelaunt. Sie haben miterlebt, wie im Ort der Küstenweg zum kleinen Traumstrand Cala Gat ausgebaut und der Hafen vergrößert wurde, wie Geschäfte öffneten und schlossen, wie die einstige Ökosteuer eingeführt und wieder abgeschafft wurde, wie neue Gäste kamen und gingen - oder wiederkamen.

"Früher gab es bessere Läden in den Seitenstraßen", findet eine der Urlauberinnen. Anders als in Deutschland üblich überwiegt jedoch nicht die Nostalgie. "Es ist immer noch schön hier, viele Neuerungen haben den Ort und das Hotel sogar noch attraktiver gemacht." Helmut Hamacher nickt und lacht. "Aber wir sollten nicht zu viel Werbung machen. Nicht, dass nachher keine Zimmer mehr für uns übrig bleiben."

(aus MM 22/2016)