Die drei von der Senioren-WG: Víctor Guedes aus Venezuela, Zahna Ivanova aus Bulgarien und Ambrosio Sierra aus der Extremadura (v.l.). | P. Pellicer

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Wohnungsgemeinschaften sind nur etwas für Studenten, zumeist der mittellosen Sorte? Weit gefehlt, denn ein geringes Einkommen ist an kein spezielles Alter geknüpft. Altersarmut ist längst auch auf Mallorca angekommen, auch wenn von den Betroffenen nur ungern darüber gesprochen wird. Der Venezolaner Víctor Guedes, 59, macht keinen Hehl daraus, dass er ohne der Inititative Viure en companyia, hinter der der Verein Intress steht, womöglich noch heute auf der Straße leben würde. Vor Jahren zog es den Südamerikaner nach Mallorca, sechs Monate später wurde sein Asylantrag abgelehnt. Dann legte sich Corona über den Planeten und Guedes war plötzlich ohne Dach über dem Kopf. "Das war hart, diese Erfahrung wünsche ich niemanden", sagt er heute.

Inzwischen wohnt der handwerklich begabte Guedes in einer Senioren-WG von Intress, zahlt nur einen Bruchteil dessen davon, was auf dem freien Markt üblich ist, und fühlt sich zudem bestens aufgehoben unter seinen drei Mitbewohnern. Die Idee entstand 2021 in den Amtsstuben des balearischen Ministeriums für Arbeit und Soziales, finanziell unterstützt wird es seither von der Sozialstiftung der Sparkasse La Caixa. "Es ist nicht bloß eine Übergangslösung, die Bewohner können so lange bleiben, wie sie möchten", sagt Projektleiterin Coloma Reynes gegenüber der MM-Schwesterzeitung "Ultima Hora". Fünf solcher Senioren-WGs unterhalte Intress mittlerweile in Palma, das Durchschnittsalter deren Bewohner liege "irgendwo zwischen 67 und 69 Jahren", so Reynes.

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Dass das formlose Zusammenleben auch im Alter ein Erfolgsmodell sein kann, beweist die lange Warteliste bei Intress. Mittlerweile bemühen sich 45 Personen um eines der wenigen frei werdenden Zimmer in den WGs. Viele Spielregeln gebe es eigentlich nicht, sagt Projektleiterin Reynes. "Jede Wohnung funktioniert unabhängig von den anderen. Die Bewohner teilen die Aufgaben selbstständig unter sich auf." Der Venezolaner Guedes teilt sich die Vierzimmer-Wohnung unter anderem mit dem Festlandspanier Ambrosio Sierra, 79, und der energischen Bulgarin Zahna Ivanova, 60. Auch hier sind die Aufgaben klar verteilt, und zwar ganz traditionell. Die Frau schwingt regelmäßig Besen und Wischmopp, der aus der Extremadura stammende Sierra chauffiert seine Kollegen im eigenen Auto im Gegenzug über die Insel. Und Guedes? Der repariert kaputte Wasserhähne und streicht auch mal die Wohnung.

Nach zwei Jahren in der WG steht für Guedes außer Frage: "Hier habe ich eine neue Familie gefunden." Die anderen pflichten ihm stumm bei.