Während auf dem einen Dorfplatz ein Bösewicht laut scheppernd tönerne Gefäße auf dem Pflaster zerschellen lässt, um die tugendhafte Santa Catalina Tomàs auf die Probe zu stellen, bewerfen sich anderswo grölend hunderte junge Leute mit Weintrauben. Ob der Anlass nun der Gedenktag eines Schutzheiligen ist, ein historisches Ereignis oder eine lokale Besonderheit – im Sommer und Herbst löst inselweit eine Fiesta die andere ab.
„Sie alle sind Ausdruck der gesunden Gesinnung eines Volkes, das lieber feiert als schuftet”, schrieb einst der Mallorquiner und MM-Kolumnist Pep Moll. Die Volksfeste seien lange Zeit die „einzigen Vergnügungsventile” der hart arbeitenden Landbevölkerung gewesen. Einen entsprechend hohen Stellenwert hatten die Feierlichkeiten. Auch heute mobilisieren viele Fiestas Tausende Feierlustige aus allen Ecken der Insel. Die Feste haben zum Teil jahrhundertelange Traditionen und verlaufen nach dem immergleichen Muster. In der Regel feiern die Orte ihre Schutzheiligen. Rund um das Datum gibt es dann ein vielfältiges Festprogramm, das meist mindestens mehrere Tage, oft aber auch mehrere Wochen dauert. Kein Dorffest ist wie das andere und diese lokale Einzigartigkeit wird ganz bewusst gepflegt.
So feiert man in Vilafranca eben die Melone, in Binissalem den Wein und in Santa Ponça die Eroberung durch Jaume I. – ganz so, als wollten sich die Menschen in immer schnelllebigerer Zeit ihrer selbst und ihrer Traditionen vergewissern. Kein Wunder, dass die Folklore bei praktisch allen Festen eine wichtige Rolle spielt – Tanzgruppen, Laientheater und Dorfkapelle haben dann ihren großen Auftritt. Abgesehen davon ist die Vielfalt der Festprogramme enorm und bietet für jedermann etwas: Karaoke, Bingo und Sackhüpfen gehören ebenso zu einer gelungenen Fiesta, wie Ausstellungen, gemeinsame Abendessen unter freiem Himmel, Spiel, Sport und oft auch ein Feuerwerk.
In der Regel gibt es einen Haupttag, an dem die wichtigsten Programmpunkte stattfinden, meist ist dies der Gedenktag des Schutzheiligen – auch wenn der religiöse Gehalt der Feste zunehmend in den Hintergrund tritt. Das unbeschwerte Vergnügen rückt dafür immer stärker in den Mittelpunkt. Ausdruck dessen sind die sogenannten „Neofiestas”, die „neuen Feste” – Massenveranstaltungen, bei denen es meist feuchtfröhlich hergeht. Ob die Strohschlacht in Sencelles, die Wasserpistolen-Gaudi in Palma oder der Unterwäschelauf in Bunyola – hier herrscht ausgelassene Partystimmung.
Im Gegensatz zu den traditionellen Festen zeichnen sich die Neofiestas durch ihren spielerischen Charakter aus, durch Ironie, Witz und eine kräftige Portion Anarchie. In Felanitx etwa, wenn sich im Rahmen der Feiern zu Ehren des Heiligen Augustinus Ende August die offiziellen Würdenträger nach der Messe ihren Weg durch die Menschenmassen bahnen müssen, kommt es schon mal zu Tumulten. Mehrere Neofiestas haben einen eindeutigen sozialkritischen und zum Teil politischen Hintergrund, sei es nun der Unterwäschelauf in Bunyola, oder die symbolische Ausrufung der eigenständigen Republik von Son Macià im Inselosten. Auch der katalanische Nationalismus in Form der rotgelb-gestreiften Senyera ist oft allgegenwärtig.
Demnächst stehen folgende Fiestas an:
Ankunft des Erobererkönigs Jaume in Santa Ponça am 9. und 10. September.
Sant-Nicolau-Fest am 11. september in Cas Concos.
Beata-Umzug am 16. September in Santa Margalida.
Ob nun traditionelle Fiesta oder Neofiesta: Vielerorts wollen tausende Feierlustige den lokalen Höhepunkt des Jahres miterleben. In vielen Fällen werden deshalb sogar Pendelbusse eingesetzt oder der Zugverkehr intensiviert, damit die Nachtschwärmer auch zu fortgeschrittener Stunde wieder nach Hause kommen.
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