Dieses Haus wurde von Kriminellen besetzt. | Ultima Hora

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Man sieht Alberto – oder wie immer er auch heißen mag – einfach an, dass er nicht so richtig in diese Wohngegend passt. Seine tätowierten Oberarme und Beine, die ungepflegten Haare, ein verschlissenes Muskelshirt mit den dazu passenden fleckigen Bermudas sowie ein mitunter böse und aggressiv dreinblickendes Augenpaar lassen zumindest nicht auf jemanden schließen, der Besitzer eines dieser schmucken Ferienhäuser und ihrer teils pingelig gepflegten Vorgärten in der Calle Sa Madona der Ferienwohnsiedlung Costa de Calma sein zu können.

Aber der Schein trügt, Alberto ist Besitzer von Hausnummer 31. Jedenfalls behauptet er das. Ganz im Gegensatz zu den wirklichen Eigentümern, einem schottischen Rentnerpaar sowie den Nachbarn vor Ort, die mittlerweile einen Riesen-Bammel davor haben, dass demnächst vielleicht noch mehr Albertos in ihre bis dato eher idyllische Straße ziehen könnten. Ihren Einzug in die von ausländischen, vornehmlich deutschen Zweithausbesitzern bewohnte Nachbarschaft feierten Alberto und seine wasserstoffblond gefärbte Freundin Ende April ganz still und klammheimlich. „Wir haben irgendwann bemerkt, wie das Paar vor der Einfahrt begann, Kisten, Plastiktüten und Mobiliar abzuladen”, erinnert sich der Deutsche Ralf Ludwig (Name v. d. Red. geändert), der ein paar Meter weiter in der Calle Sa Madona wohnt. „Da wir wussten, dass die schottischen Eigentümer nur ein paar Wochen zuvor in ihre Heimat geflogen waren, kam uns das irgendwie komisch vor”, so Ludwig weiter.

Wenige Tage später habe er von seinem Wohnzimmer dann das erste Mal Licht in Haus Nr. 31 gesehen. Das machte den Deutschen dann richtig stutzig. Zusammen mit einem anderen Nachbarn habe man über eine Maklerin, die in der Straße im Laufe der Jahre bereits mehrere Immobilien verkauft hatte, die Telefonnummer der Schotten ausfindig gemacht. „Die fielen bei unserem Anruf aus allen Wolken, und erklärten, dass sie ihr Ferienhaus weder verkauft noch vermietet hätten.” Daraufhin schalteten die Nachbarn die Polizei ein. Einen Tag später wurden Beamte der Lokalpolizei von Calvià im dem Haus vorstellig und forderten Alberto und seine Freundin auf, sich zu identifizieren. Auf die Frage, wie lange sie dort schon wohnen würden, soll Alberto geantwortet haben, dass er am 29. April eingezogen sei. Als „Beweis” dafür präsentierte er den Polizisten den Lieferbeleg einer örtlichen Pizzeria, auf der sowohl das von ihm angegebene Datum als auch die Adresse stand. Da zudem keine augenscheinlichen Einbruchspuren an der Haustür zu entdecken waren, zogen die Beamten unverrichteter Dinge wieder ab.

Am darauffolgenden Tag kam es dann ganz dicke. Um eine weitere Revolte der aufmüpfigen Nachbarschaft im Keim zu ersticken, verfasste Alberto eine handschriftliche Hausmitteilung auf Spanisch, und klebte sie recht unelegant mit Tesa-Film an die Haustür. „Hallo, ich heiße Alberto”, war darauf zu lesen. Und weiter: „Mir wurde das Haus verkauft, dabei wurde ich betrogen, weil sich dort schon andere Gegenstände befanden. Keinen dieser Gegenstände habe ich kaputt gemacht, sondern in einem eigenen Raum deponiert und das mit einem Video festgehalten. Ich lebe seit dem 29. April hier und bin damit der rechtmäßige Bewohner. Solltet Ihr die Polizei rufen, werde ich mich ausweisen und Ihnen die unbeschädigten Haustüren und Fenster zeigen. Sollte man mir das Wasser oder den Strom abstellen, werde ich die Verantwortlichen dafür anzeigen. Ich verbiete jedem, das Grundstück zu betreten, ansonsten werde ich Anzeige erstatten.” Ende der Hausmitteilung, die kurioserweise auf einem Stück Papier verfasst worden war, das am unteren Rand das offizielle Logo der Gemeindeverwaltung von Calvià führte. Ein kleiner Scherz von Alberto?

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Die mittlerweile in Aufruhr versetzten Nachbarn beschlossen daraufhin, sich per E-Mail an den Bürgermeister von Calvià, Alfonso Rodríguez, zu wenden, um ihre Empörung über die vermeintliche Hausbesetzung zum Ausdruck zu bringen. Rodríguez antwortete wenige Tage später. Dabei erklärte er, dass die Personalien der beiden mutmaßlichen Okupas von der Polizei ordnungsgemäß aufgenommen worden seien. Bei den beiden Personen handle es sich um „Bekannte”, die in der Vergangenheit bereits wegen eines ähnlichen Vorfalls auffällig geworden waren. Da es jedoch keinerlei Anzeichen auf einen Einbruch gebe, könnte man vonseiten der Gemeindeverwaltung nichts unternehmen. Grund: Das spanische Recht „schützt” den Bewohner eines Hauses, wenn er nachweisen kann, dass er sich ohne gewalttätigen Zugang mehr als 48 Stunden im selbigen befindet. „Nur der Besitzer kann eine Strafanzeige wegen unerlaubten Betretens beziehungsweise unerlaubten Aufenthalts stellen”, schloss der Bürgermeister.

Nach Informationen, die MM vorliegen, haben die schottischen Eigentümer der Immobilie über einen beauftragten Anwalt mittlerweile eine solche Anzeige gestellt. Sich zu dem Vorfall gegenüber der Zeitung äußern wollen sie jedoch nicht. Zu groß ist wohl die Angst vor möglichen Repressalien von Seiten der Hausbesetzer. Auch die Nachbarn haben sich mittlerweile dazu entschlossen, die neuen Bewohner in Ruhe zu lassen. „Wer weiß, ob nicht irgendeiner von uns das nächste Opfer dieser Bande ist”, erklärte ein Anwohner der Straße gegenüber MM.

Dass es sich tatsächlich um eine organisierte Gruppe handeln könnte, beweist eventuell ein ähnlicher, kürzlich bekannt gewordener Fall von Hausbesetzung im Südwesten Mallorcas. So stellten die Besitzer einer im Umbau befindlichen Villa in Andratx am 22. Mai Anzeige gegen ein Paar, das in ihre leerstehende Immobilie gezogen war. Auch hier handelt es sich es um Hausbesetzer, die vor rund einem Jahr wegen eines gleichen Deliktes im Küstenort Sant Elm bei der Polizei aktenkundig wurden. In allen Fällen gehen Rechtsexperten davon aus, dass es aufgrund des chronischen Justizstaus an spanischen Gerichten sehr lange dauern kann, bis die rechtmäßigen Eigentümer ihre ungebetenen Gäste wieder loswerden.

Das hofft wahrscheinlich auch Alberto, der gegenüber dem MM-Reporter sehr ungehalten reagierte, als dieser ihn auf den Vorwurf der Hausbesetzung ansprach. „Y a tí que te importa, tío? Véte a la mierda!” („Und was interessiert dich das, Alter? Verpiss Dich!”), pöbelte Alberto. Eine Ausdrucksweise, die ebenfalls nicht so wirklich in diese Wohngegend passt.