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Wer hier noch nie war, könnte am Ziel der Sehnsüchte einfach vorbeifahren. Kein großes Schild weist an der Landstraße Ma-2220 zwischen Alcúdia und Port de Pollença auf das Naturschutzgebiet S’Albufereta hin. Man muss sich vorantasten, um die richtige Einfahrt zu erwischen. Diese mündet in eine Schlaglochpiste, die ihrerseits vor einem etwa vier Meter messenden Hochstand endet.

Erst hier eröffnet sich dem Besucher eine unerwartete, weil einnehmende, ja geradezu imposante Weite. Das Feuchtgebiet – eine kleinere Version des S’Albufera-Naturparks bei Port d’Alcúdia – erstreckt sich auf 211 Hektar. Im Hintergrund sind die Ausläufer der Serra de Tramuntana auszumachen, rücklings glänzt das Meer der Bucht von Pollença. Weder ein Kraftwerk wie neben der S’Albufera noch sonstige riesige Bauten stören den Blick.

Beim MM-Besuch am Dienstag, 19. Oktober, ist auf dem Holzartefakt ein Ehepaar aus der Birdwatchernation Großbritannien zugegen. Bewehrt mit speziellen Ferngläsern für die Vogelbeobachtung, durchzuckt sie spürbar jedes Flattern, das in der Stille in die Ohren dringt. Und wenn dann nicht nur gewöhnliche weiße Reiher, sondern ausgewachsene rosafarbene Flamingos durch das von Süßwasserquellen gespeiste Brackwasser der Kanäle und Teiche staksen, erschallt wiederholt andächtig und laut zugleich der Ausdruck „Amazing”. Sobald bestimmte Kreaturen in Bewegung kommen, krallen sich die Vogelfreunde an ihren Ferngläsern fest und sagen „Oh yeah”. Nicht auszudenken, was sie ausrufen würden, wenn ein Eleonorenfalke oder gar ein Fischadler mit elegantem Flügelschlag ihre Aufwartung machen würden.

20 Jahre ist S’Albufereta bereits ein Naturschutzgebiet. Nach Angaben seines Chefs Matíes Rebassa verzehnfachte sich in diesem Zeitraum die Zahl der Vögel, das arg ramponierte Dünensystem konnte sich regenerieren. Früher sei die Gegend ein Jagdgebiet gewesen, Flamingos hätten sich diese deswegen niemals als Aufenthaltsort ausgesucht.

In dem Gebiet gedeihen ungehindert Pflanzen, denen es nichts ausmacht, sich mit Brackwasser zu speisen. Es handelt sich vor allem um sogenannte Queller (lat.: Salicornia). Kennzeichnendes Merkmal sind ihre fleischigen und blattlosen Triebe. Der Queller ist ohne Salzzufuhr nicht lebensfähig. Die Pflanze reichert deswegen Salz-Ionen aus dem Boden an. Zum Ausgleich nimmt sie zusätzliches Wasser in ihr Gewebe auf. Damit wird die Salzkonzentration erträglich reguliert. In dem Gebiet wachsen zudem Tamarisken. Der Hain dieser Pflanzen, der den Sturzbach Rec einrahmt, gilt als einer der eindrucksvollsten auf Mallorca. Außerdem gibt es hier ein endemisches Gewächs, das woanders gar nicht existiert: Dabei handelt es sich um den „Limonium alcudanium”, einen Strandflieder mit vielfarbigen kleinen Blüten.

All das wird diskret von Mitarbeitern des Inselrats geschützt, die nicht jeden Tag in Erscheinung treten. Man findet in der S’Albufereta weder ein Häuschen mit Bewachungspersonal noch eine Schranke. Der Rundweg ist jedoch ausgeschildert, neben dem hohen Ausguck gibt es noch zwei weitere. Hinzu kommt ein geschlossenes längliches Holzhaus, das mit Sehschlitzen versehen wurde. Hier können Birdwatcher auf Holzbänken sitzen, bis ihnen irgend ein ersehntes Exemplar vor die Linse fliegt.

Wer in das versteckte Naturschutzgebiet findet, muss sich selbstredend an bestimmte Regeln halten: Besuche mit dem Boot oder auf Pferden sind nicht gestattet. Mülleimer gibt es vor Ort nicht, der Abfall muss wieder mitgenommen werden. Hunde mitzubringen ist strengstens verboten.