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Es ist eine Gegend, in der parallel die eher ärmliche Vergangenheit und das teilweise schicke Hier und Jetzt spürbar sind. Wohl deswegen kommt das mit langen Steintreppen versehene Palmesaner Altstadtviertel Puig de Sant Pere anders als etwa das benachbarte Santa Catalina durch und durch unverfälscht daher. Rund um die 1999 an der Pólvora-Straße errichtete eiförmige Skulptur des galicischen Künstlers Manolo Paz atmet man Authentizität. Zwar sind die meisten Häuser des „Barrios” frisch gestrichen, nur an wenigen Stellen fällt wie früher der Putz von den Wänden, doch durch ein leicht kieziges Straßenambiente wird der Flaneur anders als etwa im Palast-„Barrio” Calatrava schnell auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt.

Die Gegensätzlichkeit des Viertels wird vor allem auf der kreisrunden Plaça de la Drassana deutlich: Hier grenzen der balearische Regierungssitz Consolat de Mar mit seinem rustikal-edlen Kabinettsaal und die in einem roten Haus befindliche piekfeine Galerie Horrach Moyà an das stechend rosafarbene, hip-alternative Café Coto.

Und da ist dann noch das solide anzusehende Take-away-Lokal Just Curry. Der quirligen Betreiberin Silvi, die hier schon seit fünf Jahren schaltet und waltet, fiel schon immer das multikulturelle Ambiente auf. „Hier an der Plaça de la Drassana finden sich Gucci-Träger und Marihuana-Käufer, sehr junge, aber auch ältere Leute”, beschreibt die Gastronomin ihre Erfahrungen in der Gegend. „Es gibt hier permanent Veränderung.” Neben den wohlbetucht aussehenden Menschen an den Cafétischen stechen auf den Steinbänken eher abgerissene Gestalten ins Auge, die sich auffallend rabaukig artikulieren.

Man wird hier gewahr, dass Puig de Sant Pere mal ein sozialer Brennpunkt war und trotz der aufgepeppten Wohnhäuser ansatzweise noch immer ist. In den 70er Jahren wollte der damalige Bürgermeister Paulino Buchens die fast zu Ruinen verfallenen Gebäude – genauso wie das rund um den Gerichtskomplex im Viertel Sa Gerreria getan wurde – durch moderne Gebäude ersetzen. Die Umsetzung dieses Plans wurde aber durch Proteste verhindert. Stattdessen schritt man zur Restaurierung des Wohnraums. Die zum Teil am Rande der Gesellschaft stehenden Bewohner durften darin leben bleiben.

Und so finden sich in Steinwurfweite von den Resten der alten Stadtmauer am Kunstmuseum Es Baluard und Manolo Paz’ meterhohem Steinei auf der einen Seite schicke Orte wie das Boutiquehotel San Lorenzo und ehrwürdige Bauwerke wie die auch von der deutschen katholischen Gemeinde häufiger genutzte Santa-Cruz-Kirche aus dem 14. Jahrhundert. In unmittelbarer Nähe geht es parallel dazu aber immer mal wieder prosaisch bis kriminell zu: Im vorigen Jahr monierten Anwohner eine zunehmende Verdreckung des öffentlichen Raums, es war von Drogenhandel und Straßenrangeleien die Rede. In diesem Zusammenhang wurde die angebliche Untätigkeit der Polizei kritisiert. Während des Alarmzustandes im Frühjahr 2020 waren sogar einige Gebäude besetzt worden.

Ungeachtet der überall empfindbaren Gegensätzlichkeit macht die Umgebung des Steineis einen properen Eindruck: Zwar gibt es auch hier Graffitis, aber längst nicht so viele wie in anderen Gassen der Altstadt. Das Kunstwerk jedenfalls sollte anders als die Schmierereien nicht verstörend-fremdartig wirken, sondern mit seinen aus dem Weinort Binissalem stammenden Steinen nahtlos in die Umgebung passen. Die Spannung, die hier mitunter spürbar wird, wollte Bildhauer Manolo Paz ausdrücklich auflösen.

Was der US-Künstler Dennis Oppenheim (1938-2011) nicht im Sinn hatte: Im Stil von Land-Art garnierte er die nur ein paar Schritte entfernt befindliche dreieckige Plaça de la Porta de Santa Catalina zur Verwunderung der Anwohner – das Museum für moderne Kunst es Baluard liegt daneben – im Jahr 1997 mit einer umgekehrten Kirchenskulptur. Dieses wie ein störender Fremdkörper wirkende Kunstwerk wirft auf besonders plakative Weise ein Schlaglicht auf die Gegensätzlichkeit des Viertels.