In kleinem Bergdorf auf Mallorca: Wie eine Weinsorte wieder auftaucht
Banyalbufar, der „Garten am Meer”, so der arabische Ursprung des Ortsnamens, liegt an der Tramuntana-Küste. Die Steilhänge wurden im Mittelalter terrassiert, für Wein- und Gemüseanbau. | Tomàs Vibot
Es gibt viele besondere Geschichten rund um den Wein. Und es gibt so schöne Storys wie die aus Banyalbufar, dem kleinen Bergdorf zwischen Meer und Tramuntana. Es ist die Geschichte von einem verloren geglaubten Sprössling, der plötzlich wiederauftaucht und sich Anerkennung und Wertschätzung erwirbt. Es geht um die weiße Rebsorte Malvasía de Banyalbufar. Sie hat ein Comeback erlebt, das Weinfreunden mit einem Faible für authentische Mallorca-Tropfen das Herz hüpfen lässt.
Mallorca: Erzherzog Ludwig Salvator baute in Valldemossa die Rebsorte an
Was für eine Renaissance! Früher feierten Tropfen aus eben dieser Traube als aromatische Dessertweine bei internationalen Weinsalons – etwa in Wien, Paris und sogar Philadelphia – große Erfolge. Sogar in Königshäusern sollen sie serviert worden sein. Auch Erzherzog Ludwig Salvator baute auf seinem Gut S’Estaca in Valldemossa die Rebsorte an und geriet in seinem Buch „Die Balearen” ob ihrer Qualitäten ins Schwärmen. Das war im 19. Jahrhundert. Die Zeichen standen auf vielversprechende Zukunft.
Dann kam die Reblaus nach Europa, machte im ausgehenden 19. Jahrhundert vor den balearischen Inseln ebenfalls nicht Halt und brachte den Weinbau auf Mallorca fast vollständig zum Erliegen. Auch die Rebstöcke der autochthonen Weißweinsorte Malvasía de Banyalbufar, die so prächtig auf den berühmten Terrassenfeldern des Küstenortes gediehen, fielen dem gefräßigen Insekt zum Opfer. Die Traube galt danach als verschwunden.
Projekt im Namen der Tradition
Bis, ja bis in den 1980er Jahren alte, versteckte und verwahrloste Weinstöcke entdeckt wurden, die ein paar Enthusiasten haargenau unter die Lupe nahmen. War das der Malvasía de Banyalbufar? Das, dachten sich die Männer der Kooperative Malvasía de Banyalbufar, muss geklärt werden! Also nahmen sie Genproben von den Weinpflanzen, schickten diese in Speziallabors nach Italien. Als die Ergebnisse kamen, war die kleine Sensation perfekt. Klar, die Malvasier-Familie ist groß, die Rebsorte besonders im Mittelmeerraum weitverbreitet – vom Malvasía de Sitges über den Malvasia di Sardegna bis zum Malvasia di Lipari und noch Dutzende mehr. Sie wird je nach Region auch mal Malvasia, mal Malvasier oder Malvoisie genannt.
Selbst in die Weltliteratur haben die Tropfen Eingang gefunden. Jedenfalls bittet Thomas Mann in seinem Klassiker „Buddenbrooks”, doch eine Bouteille Malvasier aus dem Weinkeller zu holen. Welche Sorte da in den Gläsern funkelte, wird wohl der Literat selbst nicht gewusst haben …
Die Gen-Experten aus Italien hingegen wussten, was sie vor sich hatten. Ihre Analysen waren eindeutig. Bei den aufgespürten Rebstöcken handelt es sich um eine eigene Variante, eine mit Charakter und Persönlichkeit: eben um den Malvasía de Banyalbufar. Damit hatte das Dorf wieder seine eigene, einzigartige, einheimische Rebsorte. „Es gibt viele Weine aus Malvasier-Rebsorten, aber keine sind so wie die aus Banyalbufar”, bringt es Pau Bujosa, Präsident der Cooperativa Malvasía de Banyalbufar, auf den Punkt.
Alte Kulturlandschaft blüht wieder auf
Doch es stellte sich heraus, dass die Pflanzen massiv mit Viren befallen waren und daher nicht auf normalem Wege vermehrt werden konnten – man wäre den Krankheitserregern auf diese Weise nicht Herr geworden.
Was tun, wenn man gesunde Gewächse haben möchte? Man vermehrt die alten Reben mit einem speziellen In-Vitro-Verfahren. Man könnte es auch klonen nennen. Auf jeden Fall konnte man schließlich gesunde, virenfreie, neue Weinstöcke in Banyalbufar setzen. Heute gedeiht dort wieder der Malvasía – wie in alten Zeiten.
Ein Anbau im großen Stil freilich ist aufgrund der begrenzten, zum Meer abfallenden Terrassenanlagen nicht möglich. Doch immerhin keltern gleich mehrere Bodegas Weine aus diesen Trauben, bauen sie teilweise auch im Fass aus. Eines der Weingüter ist die Bodega Son Vives von Toni Darder. Wer mag, kann eines seiner guten Tröpfchen auf seiner spektakulär gelegenen Degustations-Terrasse an der Küstenstraße – wenige Meter von seiner Bodega entfernt – kosten, wann immer es die Corona-Situation erlaubt. Es gibt keinen besseren Platz, um diesen fruchtigen, säurebetonten Wein zu genießen und die Birnen-, Apfel- und Ananas-Nuancen zu schmecken.
Am besten zelebriert man das bei Sonnenuntergang. Denn wenn die letzten, milden Strahlen des Tages diesen Malvasía im Glas leuchten lassen, ist das Mallorcawein-Erlebnis perfekt. Diese Bodegas in Banyalbufar und Estellencs keltern Weine auf Basis des Malvasías de Banyalbufar, mit Namen wie Cornet, Xop oder Juxta Mare – „nah am Meer”.
Weitere Infos
Bodega Son Vives. Bodega Can Pico. Cooperativa Malvasia de Banyalbufar. Petit Celler Tomeu Isern; bodegasonvives.com; bodegacanpico.com; malvasiadebanyalbufar.com; tomeuisern.es; Der Mallorca-Experte und Buchautor Tomàs Vibot bietet auf Spanisch kulturell-historische Streifzüge auf Mallorca an, auch durch die „Landschaft des Malvasía”. Wann die nächsten Touren stattfinden, lesen Interessierte auf seiner Webseite: tomasvibot.com
1 Kommentar
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Wohl war. Ein aussergewöhnliches Tröpfchen. Weitab vom Mainstream. Sehr gut, aber bestimmt nicht jedermanns/-fraus (räusper) Sache.