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Wie wäre es mit einem Glas Wein gegen Covid-19? Das ist kein Witz. Früher verschrieben mallorquinische Ärzte ihren Patienten Wein, damit sie nach einer Krankheit wieder zu Kräften kamen. Allerdings durfte es nicht irgendeiner sein, sondern nur „Malvasía de Banyalbufar”. Der süße, aromatische Dessertwein von Mallorcas Nordküste wurde weit über die Insel hinaus geschätzt. Er gewann Preise auf den Weltausstellungen von London, Paris und Philadelphia. Im 18. und 19. Jahrhundert war das.
Seit einigen Jahren wird die einst berühmte Traube in dem malerischen Bergdorf wieder angebaut. Heute ist sie eine der genetisch reinsten Malvasía-Sorten. Auf den schmalen Terrassen, die sich die Steilküste emporwinden, beginnen die Reben gerade auszuschlagen. „In diesen Tagen wollten wir die Bodega für Besucher öffnen”, sagt Toni Darder von der Bodega Son Vives mit einem Seufzen. Degustationen mit spektakulärem Ausblick müssen warten. Zeit für Geschichte.
Banyalbufar geht auf einen maurischen Weiler aus dem zehnten Jahrhundert zurück. Der Name bedeutet „am Meer gebaut”. Die Araber legten die Terrassenfelder und die kunstvolle Bewässerungsanlage an, aber die Kultivierung der Reben begann erst nach der christlichen Wiedereroberung Mallorcas im 13. Jahrhundert. „Von der Malvasía-Traube ist seit dem 16. Jahrhundert die Rede”, sagt der Winzer und Historiker Jaume Albertí, der die Geschichte recherchiert und ein Buch darüber geschrieben hat. Von da an ging die Produktion richtig los. Der Grund war banal: Steuern sparen.
Jaume Albertí erklärt: „Die Bauern mussten damals eine zehnprozentige Steuer an die Kirche entrichten. Zwischen 1530 und 1550 beschwerte sich die Kirche, dass sie den Zehnt an der Nordküste nicht erheben konnte.” Die Bauern hatten erkannt, wie sie darum herumkamen. Der Zehnt wurde auf Produkte erhoben, die sie auf dem Boden erwirtschafteten. Beim Weinanbau konnten sie das umgehen, indem sie von der damals üblichen Buscherziehung auf Perglerziehung umstellten. Bei der Buscherziehung gedeihen die Reben in einzelnen Bäumchen. Bei der Perglerziehung dagegen entwickelt sich ein Laubdach in etwa zwei Meter Höhe.
Zu Ruhm verhalf ein Adliger dem Malvasía-Wein im 19. Jahrhundert. Fernando Cotoner y Chacón, Baron von Banyalbufar, förderte den Anbau und schickte Proben an Weltausstellungen. Erzherzog Ludwig Salvator ließ auf seinem Gut S’Estaca in Valldemossa die Malvasía-Traube aus Ban-yalbufar anbauen und schwärmt in seinem Buch „Die Balearen” von dem süßen Wein. Das abrupte Ende kam 1891, als die Reblaus die Weinreben der Insel befiel und vernichtete. Die Bauern von Banyalbufar fanden eine Alternative: die Ramellet-Tomate. Mit Erfolg stellten sie den Anbau um. In den 1920er Jahren exportierten sie nach Barcelona und versorgten dort den gesamten Markt. „In Pro-Kopf-Einkommen war Banyalbufar die reichste Gemeinde der Insel”, erzählt Albertí. Der Spanische Bürgerkrieg (1936-39) legte die Tomatenproduktion lahm, aber danach blühte sie wieder bis Ende der 1950er Jahre. „Man sagt immer, dass auf Mallorca vor dem Tourismus nur Hunger und Elend herrschte.” Das stimme nicht, meint der Historiker. Es habe durchaus erfolgreiche Unternehmer gegeben. Dann löste der Tourismus doch die Tomaten als Einkommensquelle ab.
Mitte der 1980er Jahre überlegten sich einige Männer unabhängig voneinander, in Banyalbufar wieder die alte Weinsorte anzubauen. „Wir hatten etwas Land und dachten, die Malvasía von Banyalbufar sei am besten an den Standort angepasst”, sagt Toni Darder von Bodega Son Vives. „Wir fanden es spannend, eine alte Tradition zurückzugewinnen”, meint Javier Iglesias von der Cooperativa de Banyalbufar. Die ersten Reben wurden gepflanzt, doch dann kam der Schock: Nach kurzer Zeit starben alle. Sie waren nicht nur von der Reblaus, sondern gleich von drei Viren befallen. „Das Problem bei Viren, wie man jetzt ja sieht, ist, dass man sie nicht heilen kann”, sagt der Biologe Hipólito Medrano von der Balearenuniversität. „Auch Pflanzen müssen sie durchstehen, oder sie gehen ein.” Verschiedene Projekte wurden in Angriff genommen. Dr. Medrano stellte In-vitro-Kulturen aus Meristemen her. Meristeme sind winzige Gewebestücke in der Nähe der Knospe, die der Saft nicht erreicht und somit auch nicht die Infektion. Heute ist die Malvasía von Banyalbufar die einzige zertifiziert virenfreie Malvasía-Sorte Spaniens.
Es habe als Hobby mit Bekannten angefangen, erzählt Javier Iglesias von der Kooperative. Von Wein wussten sie damals wenig. Fachleute wurden konsultiert und engagiert, doch das meiste machten sie selbst mit der Hand. Auf über 50 Terrassenfelder verteilt sich das anderthalb Hektar große Anbaugebiet der Kooperative. Mit Traktoren kommt man da kaum hin. Auch die anderen Bodegas sind kaum größer. So blühte die alte Kulturlandschaft wieder auf. Wo noch vor dreißig Jahren Unkraut wucherte, stehen wieder gepflegte Terrassenplantagen.
Mit dem süßen Dessertwein hat die Malvasía de Banyalbufar heute nicht mehr viel zu tun. Es ist ein trockener Weißwein, sehr aromatisch, mit hohem Polyphenolgehalt und etwa 14,5 Grad Alkohol, ziemlich potent. „Der Markt verlangt nach leichteren Weinen”, sagt Toni Darder. Das sei nicht einfach, weil der Klimawandel die Ernte nach vorne verschiebe. Trockenheit und Hitze erhöhten den Alkoholgehalt. „Die Lösung wird sein zu gießen, damit die Traube mehr Wasser und damit weniger Zucker und Alkohol hat.” Das sei besser, als noch früher zu ernten und Abstriche beim Aroma zu machen. In ein paar Wochen kommt der neue Wein heraus. Er sei besonders gut, meint Javier Iglesias, voll und komplex, dennoch sehr ausgeglichen. Wenn dann auch der Corona-Alarm endet, können die Bodegas ihre Türen wieder öffnen.
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