Im vergangenen Sommer wurden fünf Jungtiere mit Messgeräten ausgerüstet. In diesem Jahr sollen fünf weitere hinzukommen.

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Wo die Technik nicht weiter kommt, können Schildkröten helfen. Im mallorquinischen Küstenbeobachtungsinstitut Socib, einem der modernsten weltweit, verstärken Meeresschildkröten das Forscherteam. Während eines 18 Monate dauernden Projekts zeichnen Messgeräte an jugendlichen Exemplaren der Unechten Karettschildkröte (Caretta Caretta) ihre Position und Tiefe im Meer sowie die Wassertemperatur auf. "Jedes Mal, wenn die Schildkröten an die Meeresoberfläche kommen, werden die Daten per Satellit an uns übermittelt", erzählt der Projektleiter David March.

Das Socib unterhält ein hochmodernes Beobachtungsnetz aus Forschungsschiffen, Radarstationen, Satelliten, Messplattformen, Unterwasserfahrzeugen und Treibbojen, die Millionen von Daten zur Meeresforschung sammeln. Sie dienen unter anderem der Herstellung von Modellen zur Klimavorhersage. Dabei geht es zum Beispiel um Sturmfluten oder Temperaturentwicklungen im Meer. Allerdings verhalte es sich bei der Ozeanographie wie bei der Meteorologie, meint March: "Es gibt Fehler." Und da springen die schwimmenden Panzertiere ein. "Mit ihnen reduzieren wir die numerischen Fehler und verbessern die Modelle zur Meerestemperatur."

Die Meeresschildkröten haben nämlich sehr nützliche Eigenschaften. Zum einen kommen sie nah an die Küste heran, was die Instrumente aus Sicherheitsgründen nicht können. Das erlaube Daten zu vervollständigen, erläutert der Wissenschaftler. "Außerdem können wir mit ihnen die Wassersäule besser messen, weil sie täglich im Meer auf- und absteigen, während die Messroboter nur alle sechs bis zehn Tage in die Tiefe gelassen werden." Schließlich erweiterten sie den Forschungsradius, weil ein Teil von ihnen im Winter auf der Suche nach wärmerem Wasser gen Süden schwimme. "Bislang fand die Erforschung des Mittelmeers im Wesentlichen im Norden durch die europäischen Länder statt, während der Süden aufgrund mangelnder Ressourcen der afrikanischen Länder weniger untersucht ist."

Aber das Projekt habe noch ein zweites, ebenso wichtiges Ziel, betont March: den Schutz der Meeresschildkröten. "Sie zählen zu den bedrohtesten Tierarten der Welt." Die Unterart Caretta Caretta kommt im Mittelmeer am häufigsten vor. Hier im westlichen Teil treffen zwei verschiedene Populationen aufeinander. Ein Teil wurde an den Küsten der Karibik und Floridas geboren, hat den Atlantik überquert und ist durch die Meerenge von Gibraltar ins Mare Nostrum gelangt. "Diese Jungtiere bleiben bis zur Geschlechtsreife hier", erzählt March. Alle zwei bis drei Jahre schwimmen die Weibchen dann zur Eiablage wieder an ihren Geburtsort. Ein kleinerer Teil stammt aus dem östlichen Mittelmeer, vor allem aus Griechenland und Libyen, wohin sie auch jeden Winter zurückkehren.

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Markierungsprogramme von Schildkröten seien nicht neu, aber meist sei nur die Position gemessen worden und nicht auch die Wassertemperatur und Tiefe wie in diesem Projekt, sagt der Forscher. Normalerweise würden auch nur erwachsene Exemplare markiert, weil sie bei der Eiablage leichter wiederzufinden seien. "Aber es ist auch wichtig, Jungtiere zu markieren. Wenn die aus irgendeinem Grund verstärkt sterben, hat das auch Auswirkungen auf die Eiablage."

Viele Tiere verfangen sich in Fischernetzen oder landen als Beifang darin. Durch geänderte Fischfangmethoden habe diese Bedrohung etwas abgenommen, meint March. Massive Gefahr gehe auch von Plastikmüll aus, in dem sich die Tiere verfingen oder den sie fräßen, mit massiven Störungen im Verdauungstrakt als Folge. Und es komme immer häufiger zu Kollisionen mit Schiffen und Yachten. "Wir vergleichen die Wege der Schildkröten mit den Karten zur Verteilung des Seeverkehrs und unseren Daten zu Meeresströmungen, Salzgehalt und Temperatur, um Zusammenhänge zu erkennen." Die Ergebnisse der Studie sollen als wissenschaftliche Grundlage für Maßnahmen zum Schutz der Meeresschildkröten dienen.

Vergangenen Sommer wurden fünf Jungtiere der Caretta Caretta markiert. Dieses Jahr sollen es weitere fünf sein. Dabei wird das Socib von der Tierschutzorganisation Alnitak unterstützt. Auch das Palma Aquarium, das Forschungsinstitut Imedea und das Amt für Artenschutz der Balearen-Regierung kooperieren bei dem Projekt. Die Finanzierung kommt von der Stiftung BBVA.

In der Zukunft wolle man noch mehr Daten mit Sonden sammeln und auch Filmaufnahmen mit den Schildkröten machen, betont March. Noch seien die Geräte dafür viel zu schwer. Mehr als zwei Prozent des Gewichts des Tiers dürften sie nicht ausmachen. "Aber das wird nur ein paar Jahre dauern. Die technische Entwicklung geht rasend schnell."

(aus MM 16/2017)