Dr. Juan José Segura ist der Vater der Balconing-Studie, die die Uniklinik Son Espases erarbeitet hat. | Foto: P. Lozano

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Seit etwa fünf Jahren sorgt das sogenannte "Balconing" auf Mallorca für Schlagzeilen. Junge Menschen – meistens sind es Briten – klettern im Alkoholrausch von Balkon zu Balkon oder wagen den Sprung von einem ebensolchen in den Pool – oft mit blutigem, in den schlimmsten Fällen mit tödlichem Ausgang. In Palmas Universitätsklinikum Son Espases gibt es seit 2010 ein Balconing-Register, aus dem nun unter der Leitung von Dr. Juan José Segura eine Studie zu dem Thema erwachsen ist. MM hat mit dem Traumatologen gesprochen.

Mallorca Magazin: Herr Dr. Segura, wie kamen Sie auf die Idee der Studie und worum geht es darin genau?

Juan José Segura: Irgendwann waren wir an dem Punkt, an dem uns bewusst wurde, dass das "Balconing" langsam zur ernsthaften Gefahr wird. Die Medien begannen, groß darüber zu berichten. Dabei wurde deutlich, dass das Phänomen vor allem auf Mallorca zutage tritt. Wir haben nun die Daten der letzten fünf Jahre ausgewertet. In diesem Zeitraum kamen etwa sechzig Patienten in unsere Klinik, die Balconing-Unfälle erlitten hatten. Jetzt haben wir ein präzises Bild über den gefährlichen Trend und seine Folgen und können uns nun daran machen, Präventionsmaßnahmen zu erarbeiten.

MM: Wer ist nun das typische Balconing-Opfer?

Segura: Ein junger Brite zwischen 15 und 30 Jahren mit einem sehr hohen Blutalkoholspiegel.

MM: Springen die Jugendlichen freiwillig vom Balkon?

Segura: Die meisten nicht. Zirka 15 Prozent verunglücken bei einem freiwilligen Sprung in den Pool, aber 85 Prozent stürzen bei dem Versuch, zwischen den Balkonen herumzuklettern, ab oder fallen aus sonst einem Grund herunter.

MM: Warum stürzen immer die Engländer vom Balkon? Dazu gibt es ja verschiedene Theorien, unter anderem die, dass es in Großbritannien keine Balkone gibt und sie deshalb nicht wissen, wie gefährlich diese sein können.

Segura: Das ist ein interessanter Ansatz, aber ich glaube nicht, dass es der Grund ist. Natürlich neigen die regengeplagten Briten dazu, viel Zeit auf dem Balkon ihres Hotels zu verbringen, weil sie sich nach Sonne sehnen. Ich glaube aber eher, dass Engländer im Alkoholrausch mehr zum Risiko neigen als andere.

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MM: Waren denn alle Patienten, die beim Balconing verunglückt sind, betrunken?

Segura: 98 Prozent der Balkonstürze ereignen sich im Rausch. Bei einem Viertel der Fälle haben wir auch andere Drogen im Blut der Patienten festgestellt. Das führt in der Regel zu einem verringerten Risikobewusstsein und einem daraus resultierenden Fehlverhalten. Hinzu kommt bei vielen Jugendlichen der Gruppenzwang.

MM: Wie viele junge Menschen sterben bei den waghalsigen Aktionen und wie viele landen im Rollstuhl?

Segura: Dazu haben wir aus folgendem Grund leider keine Daten: Wir können nur mit den Informationen der Patienten arbeiten, die in unsere Klinik kommen. Das sind alle, die bei ihren Stürzen schwere Traumata davontragen. Wer sich hingegen nur leicht verletzt und in eine Arztpraxis geht oder beim Sturz stirbt, ist nicht erfasst. Hinzu kommt, dass die meisten Patienten nach knapp einem Monat unsere Klinik verlassen und in ihre Heimat geflogen werden. Dann fehlen uns die Daten der Folgebehandlung. Wir versuchen derzeit, diese Informationen bei anderen Kliniken zu sammeln, um unsere Register noch präziser zu machen, aber das ist aufwendig.

MM: Sie sprechen von Präventionsmaßnahmen. Wie könnten diese Aussehen?

Segura: Vor allem geht es darum, das Notfallprotokoll für "Balconing" in unserer Klinik zu perfektionieren. Dann brauchen wir eine Informationskampagne. Eigentlich müsste man in Orten wie Magaluf Schilder aufstellen, auf denen steht: "Vom Balkon springen kann Dir erheblichen Schaden zufügen".

MM: Meinen Sie das ernst?

Segura: Ja! Das mag zwar lächerlich klingen, aber wir schreiben auch auf Zigarettenschachteln, dass Rauchen krank macht, obwohl auch das eigentlich jeder weiß. Die Jugendlichen müssen sensibilisiert werden. Man muss ihnen bewusst machen, dass ein solcher Unfug wie das "Balconing" ihr Leben zerstören kann.

(aus MM 11/16)