Utz Claassen nach der letzten Verwaltungsratssitzung von Real Mallorca. | Foto: P. Bota

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Sein zweites Jahr als Mitglied des Aufsichtsrats bei Real Mallorca war für Utz Claassen geprägt von einer sportlichen Misere, der Schuldenkrise und dem Streit im Verwaltungsrat, der mit dem Rücktritt des Klubpräsidenten den vorläufigen Höhepunkt erreicht hat. Für den deutschen Aktionär bietet das Großreinemachen bei Real neue Perspektiven, auch ein neues Stadion hält er für möglich.

Mallorca Magazin: Herr Claassen, war der Rücktritt von Klubpräsident Jaume Cladera für Sie ein Weihnachtsgeschenk?

Utz Claassen: Es war eine sehr gute und äußerst wichtige Nachricht für alle, denen die Zukunft des Klubs am Herzen liegt. Im Grunde hätte dieser Schritt schon viel früher erfolgen müssen, am Ende war er fast unvermeidlich, sonst wäre Herr Cladera auf meinen am 2. Dezember schriftlich gestellten Antrag hin spätestens Anfang Januar als Präsident abberufen worden. Trotzdem verdient es ausdrücklich Respekt, dass Herr Cladera letztlich einen Rücktritt in Würde der Amtsenthebung vorgezogen hat. Man sollte nun nicht nachtreten, sondern nach vorne schauen.

MM: Fühlen Sie sich jetzt als Sieger der internen Auseinandersetzung?

Claassen: Es geht nicht um Sieger und Besiegte, starre Mehrheiten oder irgendwelche Gruppen, sondern darum, in jedem Einzelfall die beste Lösung für den Klub zu suchen, zu finden und dann auch umzusetzen. Und um Transparenz, Ordnungsmäßigkeit und Respekt. Dafür sind jetzt die Voraussetzungen geschaffen.

MM: Als Sie vor ziemlich genau zwei Jahren bei Real Mallorca eingestiegen sind, sagten Sie MM gegenüber Folgendes: „Die Entwicklung einer europäischen Marke ist also nirgendwo so gut möglich wie hier. Dieses Potenzial, das in dem Klub steckt, habe ich erkannt." Von einer europäischen Marke ist Mallorca noch weit entfernt. Mal ehrlich: Glauben Sie immer noch an das Potenzial?

Claassen: Das Potenzial ist unverändert hoch. Allerdings muss man leider einräumen, dass unter der Verantwortung des nunmehr ehemaligen Klubpräsidenten Cladera zunächst in der Saison 2011/2012 auf Basis des Betriebsergebnisses durchschnittlich an jedem Arbeitstag 50.000 Euro Verlust entstanden und in der laufenden Saison, wie ebenfalls öffentlich bekannt ist, dann auch noch ohne jede Notwendigkeit erhebliche rechtliche Risiken eingegangen worden sind. Zudem wurden Aktionärsinteressen und Verwaltungsratsrechte mitunter systematisch ignoriert. Und obendrein hat sich auch noch eine alarmierende sportliche Situation eingestellt. Die Ausschöpfung der zweifelsfrei vorhandenen Potenziale ist also nicht leichter geworden, und man muss hoffen, dass sich die Dinge nun wirklich grundsätzlich verändern.

MM: Welche positiven Ansätze haben Sie persönlich in den zwei Jahren bewirkt?

Claassen: Es liegt eine fertig entwickelte und im Detail ausgearbeitete Internationalisierungs- und Wachstumsstrategie vor, mit der der Umsatz mittelfristig von unter 30 Millionen Euro auf etwa 60 bis 65 Millionen Euro und langfristig potenziell sogar auf 100 Millionen Euro erhöht werden kann. Mit der Umsetzung könnte man morgen beginnen. Man hätte das Maßnahmenpaket im Übrigen schon längst weitgehend umsetzen können, doch die Interessen lagen offenbar woanders. Daneben habe ich in dem mir möglichen Rahmen nach Kräften darauf hingewirkt, dass potenzieller Schaden aus fragwürdiger Geschäftsführung und auch formale Unregelmäßigkeiten in Grenzen gehalten und die Ordnungsmäßigkeit deutlich erhöht wurde. So werden nach meiner Intervention inzwischen regelmäßig Sitzungs- und Entscheidungsprotokolle erstellt und auch ordnungsgemäß genehmigt, und der Jahresabschluss 2011/2012 ist auf mein Verlangen hin an wichtigen Stellen ganz wesentlich überarbeitet worden. Vor allem aber: Ein Repräsentant der Anhängerschaft sitzt auf meine Initiative hin im Verwaltungsrat – übrigens ein Novum im spanischen Fußball – und es wird einen neuen Präsidenten geben. Das alles sind ganz entscheidende Entwicklungen. Zudem habe ich dem Klub viele internationale Kontakte vermittelt, aus denen beispielsweise ein Kooperationsvertrag mit TUI und ein Partnerschaftsvertrag mit Hannover 96 resultiert sind. Aber als Verwaltungsrat sind meine Möglichkeiten naturgemäß begrenzt, ich bin schließlich nicht operativ in der Geschäftsführung tätig.

MM: Wie ist der Stand der Dinge in Bezug auf Ihren Aktienkauf? Ist die zivilrechtliche Klage gegen Serra/Cladera auf den Weg gebracht?

Claassen: Die zivilrechtliche Klage kann jederzeit eingereicht werden. Derzeit läuft jedoch noch eine weitere Berufung meinerseits vor dem Landgericht Palma im Hinblick auf meine Strafklage gegen die beiden Herren. Die Beweislage ist vollkommen eindeutig, es gibt ausführliche und an Deutlichkeit nicht zu übertreffende Erklärungen verschiedener Zeugen. Wir erwägen zudem eine Berufung zum Spanischen Verfassungsgericht und notfalls auch den Gang zum Europäischen Gerichtshof in Straßburg. Es kann nicht sein, dass es ohne Konsequenzen bleibt, wenn Personen einen Geschäftspartner zielgerichtet belügen und hintergehen, um ihn zur Zahlung einer höheren Summe zu veranlassen. Und es kann ebenso wenig sein, dass sich ein Gericht mit einer glasklaren Beweislage gar nicht erst befassen will.

MM: Hand aufs Herz: Wie konnte es passieren, dass Sie als erfahrener Geschäftsmann Aktien zu einem überhöhten Preis erwerben?

Claassen: Weil ich in übelster Weise belogen worden bin und der damalige Klubpräsident Cladera höchstpersönlich mir mit Briefkopf und Wappen des Vereins zudem auch noch ein Dokument überreicht hat, dessen entscheidender Inhalt schlichtweg unwahr war. Das Wesen einer Täuschung liegt im Übrigen darin, dass der Getäuschte sie nicht erkennen kann.

MM: Zur finanziellen Misere gesellt sich momentan auch eine sportliche Talfahrt: Was haben Sie vor, um zumindest Letztere zu bremsen?

Claassen: Die Treppe muss immer von oben gefegt werden. Insofern war zunächst das Ausscheiden Claderas als Klubpräsident der zentrale und wichtigste Punkt. Jetzt können im Verwaltungsrat zu allen wichtigen sportlichen, finanziellen und rechtlichen Themen hoffentlich die notwendigen Diskussionen stattfinden und gute Entscheidungen gefällt werden. Der Klub hat nun die einmalige Chance für den Beginn einer neuen Zeitrechnung.

MM: Muss man angesichts der sportlichen Entwicklung nicht dennoch Abstand davon nehmen, die „dritte Kraft" in Spanien zu werden?

Claassen: Die langfristige Perspektive bleibt unverändert. Aber in der laufenden Saison muss man es wohl in der Tat schon als Erfolg werten, wenn der Klub den Klassenerhalt schafft und in der Primera División überlebt.

MM: Steht Trainer Joaquín Caparrós zur Diskussion oder kann sich der Klub eine Entlassung des Trainers gar nicht leisten?

Claassen: Leisten konnte sich der Klub schon nicht seine Verpflichtung, wie die öffentlich bekannten Zahlen des Geschäftsjahres 2011/2012 mit einer Negativabweichung zum Budget von insgesamt etwa 10 Millionen Euro eindrucksvoll belegen. Aber für mich steht niemand zur Diskussion, solange ich nicht die Vorstellungen von Sportdirektor und Trainer zur Überwindung der sportlichen Misere gehört habe. Die drei Auswärtspunkte gegen Betis waren zudem eine positive Überraschung.

MM: Viele im Umfeld des Klubs haben sich von Ihrem Engagement eine engere Kooperation mit deutschen Klubs versprochen: Was ist daraus geworden?

Claassen: Mit Hannover 96 ist zügig ein innovativer Partnerschaftsvertrag abgeschlossen worden, der hoch interessante Perspektiven und Optionen enthält. Leider ist er von den Verantwortlichen nicht wirklich gelebt und mit Gehalt gefüllt worden. Das lag vielleicht auch an Sprachproblemen.

MM: Aktuell wird wieder von einem Neubau des Lluís-Sitjar-Stadions gesprochen, angeblich soll es einen Investor geben. Können Sie uns sagen, was da dran ist?

Claassen: Das unterliegt der Vertraulichkeit des Verwaltungsrates. Aber ich kann Ihnen sagen, dass ich ganz fest davon überzeugt bin, dass es für den Klub, für die Stadt Palma und auch für die Insel auf Sicht unverzichtbar ist, über eine Multifunktionsarena auf höchstem internationalen Niveau zu verfügen, für den Fußball, aber auch für Anlässe und Veranstaltungen weit über den Fußball hinaus.

MM: Fazit: Was muss passieren, um Mallorca sportlich, finanziell und imagemäßig wieder auf Kurs zu bringen?

Claassen: Eine sportlich und wirtschaftlich kompetente, professionelle, transparente und integrative Führung.

MM: Welche Rolle werden Sie dabei einnehmen?

Claassen: Ich beabsichtige, mich auch weiterhin als Investor, Aktionär und Verwaltungsratsmitglied zum Wohle des Vereins angemessen einzubringen.

Die Fragen stellte MM-Redakteur Thomas Zapp