TW
0

Das definitive Aus für die Bahn von Manacor nach Artà, das Balearenpremier José Ramón Bauzá kürzlich im Parlament angekündigt hat, sorgt bei Michael Binder einerseits für Erleichterung. Die Züge wären an seinem Haus in Son Carrió, Gemeinde Sant Llorenç, wenige Meter vor der Terrasse vorbeigefahren.

Dieses Szenario scheint nun endgültig abgewendet. Die vor mehr als einem Jahr gestoppten Bauarbeiten haben aber auf seinem Grundstück für eine Spur der Verwüstung gesorgt. Die Auffahrt zu Binders Grundstück fiel der Trassenerweiterung zum Opfer, für die neue Zufahrtsstraße rissen Bagger die 100 Meter lange Natursteinmauer nieder - nur drei Wochen vor dem Baustopp.

Damit nicht genug: Durch die Planierungsarbeiten hat sich das Dach seines Hauses um vier Zentimeter abgesenkt. "Da wurde ein Lebenswerk zerstört", sagt Michael Binder. Der Elektroingenieur schätzt den Schaden, den der Bau der Bahnlinie von Manacor nach Artà an seinem Haus verursacht hat, auf 50.000 Euro, darin ist die Wertminderung noch nicht eingerechnet.

Nach dem definitiven Stopp des Prestigeprojekts der sozialistischen Vorgängerregierung stellt sich bei vielen Anwohnern die Frage, wie es nun weitergeht. Was passiert mit dem Bahndamm, den Lärmschutzmauern, die vielerorts DDR-Charme versprühen und mancherorts schon von Graffiti-Sprühern verschönert wurden, oder dem wunderschön umgebauten Bahnhof von Son Carrió inklusive Wartungshalle, um nur einige Großbaustellen zu nennen, die ungenutzt in der Landschaft stehen?

Beim balearischen Transportministerium verweist man auf die Regierung in Madrid. Demzufolge stehen noch 10,9 Millionen Euro an Strukturfördermaßnahmen für den Eisenbahnverkehr für 2012 und 2013 aus. Mit diesem Geld würde man die Grundstücke wieder einzäunen, die Baustellen wieder herrichten und Gefahrenzonen beseitigen, teilte ein Ministeriumssprecher MM mit.

Bislang sind nach Angaben der Bahngesellschaft SFM bis zum Baustopp im August 2011 Aufträge in Höhe von 90 Millionen Euro vergeben worden. Bezahlt wurden bislang rund 20 Millionen Euro. Bei einem Gesamtvolumen von rund 200 Millionen Euro ist das nur ein Bruchteil.

Auch was die künftige Nutzung des Bahndamms betrifft, herrscht Unklarheit. Die vielfach kolportierte Lösung einer "Via Verde" - einer Rad- und Wanderstrecke - kostet nach Ministeriumsangaben rund 15 Millionen Euro.

Ähnliche Nachrichten

Allerdings hält der Ministeriumssprecher auch die Möglichkeit eines Rückverkaufs der enteigneten Flächen an die ehemaligen Eigentümer für ausgeschlossen. "In vielen Fällen wurden die Grundstücke stark verändert", heißt es. Vielmehr zähle man auf das Geld der Zentralregierung, um die ausstehenden Entschädigungsgelder tatsächlich auszuzahlen. "Noch hat niemand etwas bekommen", räumt man beim Ministerium ein.

Die Zeit der Rechtsunsicherheit geht für die Betroffenen noch weiter. Die genauen Grundstücksgrenzen sind durch die Bauarbeiten an vielen Stellen nicht erkennbar. Wer in Eigenregie Aufräumarbeiten vornimmt, riskiert, dass sie wieder rückgängig gemacht werden, wenn der Rückbau tatsächlich durchgeführt werden sollte.

Auch von den Gemeinden, deren Vertreter sich allesamt für den Bau der Bahn ausgesprochen hatten, können die Betroffenen keine Hilfe erwarten. "Wenn Sie beim Ayuntamiento anrufen, werden Sie ignoriert", sagt Binder. Der 45-Jährige Unternehmer hat mittlerweile den Glauben an die regionalen Behörden verloren. Binder ist einfach nur noch wütend.

"Wir klagen weiter", sagt Hans Joachim Keiter, "wir wissen ja nicht, was die kommende Regierung beschließt." Keiter ist wie Binder Mitglied der Bürgerinitiative "Alternativa al tren", deren Verwaltungsklage gegen das Projekt noch anhängig ist. Keiter, Verwalter der Finca Sa Coma Sequera, die einem deutschen Supermarkt-Erben gehört, hat bislang in Eigenregie das zerstörte Grundstück weitestgehend wieder hergestellt.

Unter anderem ließ er 15 Kubikmeter Erdaushub, die auf der Finca "gelagert" wurden, unter den Bäumen verteilen und die darin befindlichen Steine und Bauabfälle zwei Wochen lang von Arbeitern aussortieren. Um mit dem Fahrzeug die Bahntrasse überqueren zu können, hat er in Absprache mit der Bahngesellschaft einen Teil zuschütten lassen. Die Kosten von insgesamt 80.000 Euro hat sein Arbeitgeber geschultert.

Viel mehr Kopfzerbrechen bereitet Keiter jedoch die Baustelle für die Straße nach Artà, die knapp 5000 Quadratmeter des 18-Hektar-Grundstücks verschlungen hat. Die Straße sollte auf Höhe der Zufahrt zur Finca tiefer gelegt werden, um dann in einem Bogen unter der Bahntrasse durchgeführt zu werden.

In ihrem derzeitigen Zustand ist sie allerdings nur ein mehrere Meter tiefer Graben mit Geröll, Autofahrer nutzen derzeit ein Provisorium. "Ein Schandfleck für die Gemeinde, wir leben hier doch vom Tourismus", ereifert sich Keiter. Auch deshalb klage man weiter. All die Probleme, die es nun gebe, habe man vor vier Jahren genau so vorhergesagt, meint Keiter.

Unterdessen gibt es auch andere Stimmen: Die "Plataforma pel tren de Llevant" fordert die Fertigstellung der Linie, um sie nicht verrotten zu lassen. Das zumindest scheint aber unter der aktuellen Regierung ausgeschlossen zu sein.