Ob Alberto Contador seine Garderobe an
diesem Tag mit Bedacht gewählt hat, ist nicht bekannt. Jedenfalls
passt sein Outfit hervorragend zum Anlass: In einem vollkommen
unbefleckten weißen Hemd erscheint der 28-Jährige an diesem
Freitagnachmittag zu der Pressekonferenz in einem Hotel in
Puigpunyent.
So weiß strahlt Contador im Blitzlichtgewitter, dass er geradezu
verschwindet vor der ebenso weißen Stellwand und hinter der nicht
minder strahlenden Tischdecke. „Ich bin ein Beispiel an
Sauberkeit”, ist einer mehrerer bemerkenswerter Sätze, die er in
der etwa einstündigen Pressekonferenz sagt.
Contador gehört zu den sportlichen Idolen Spaniens, er steht auf
einer Stufe mit Formel-1-Star Fernando Alonso und Tennis-Ass Rafael
Nadal. Folgerichtig sind mehr als ein Dutzend Kamerateams, zwei
Dutzend Fotografen und nochmal so viele Journalisten gekommen.
An diesem Tag, der für ihn ein besonders trauriger sei, wie er
mit brüchiger Stimme gleich zu Beginn bemerkt, wirkt Contador noch
ein wenig schmächtiger, als er es ohnehin ist. So als trage er eine
schwere Last auf seinen schmalen Schultern. Er redet langsam,
leise, so als könnte ihm seine Stimme in jedem Augenblick den
Dienst versagen. Seine Augen glänzen glasig, die meiste Zeit starrt
er vor sich auf die Tischdecke. „Ich liebe diesen Sport”, sagt er.
„Ich habe so viel für ihn gegeben. Und jetzt will man alles
zerstören. Es geht um meine Ehre.”
Zwei Tage zuvor hat Contador im Trainingslager auf Mallorca
erfahren, dass der spanische Radsportverband eine einjährige Sperre
wegen Dopings vorschlägt. Im Juli war er während der Tour de France
positiv auf Clenbuterol getestet worden. Eine endgültige
Entscheidung steht noch aus. Während seine Teamkollegen über die
Insel radeln, um sich die Fitness für die schweren Rennen der
langen Saison zu holen, muss er der Presse Rede und Antwort stehen
und sich rechtfertigen.
„Ich weiß, dass ich für viele ein Vorbild bin”, sagt er. „Darum
habe ich nie gedopt.” Sein einziger Fehler sei gewesen, ein Stück
Fleisch zu essen, ohne es vorher analysieren zu lassen. So sei das
Mittel, das auch in der Rindermast eingesetzt wird, in seinen
Organismus gelangt.
„Ich habe in meinem Leben 500 Dopingkontrollen über mich ergehen
lassen”, sagt er. „Ich wurde mitten im Film aus dem Kino geholt,
ich musste Familienfeste verlassen, Freunde im Restaurant sitzen
lassen – alles wegen Dopingproben.” Bislang habe er das System
immer für effektiv gehalten. Das sei nun vorbei. Die Menge
Clenbuterol, die bei ihm gefunden wurde, sei so gering gewesen,
dass diese zur Leistungssteigerung gar nicht geeignet war. „Ich bin
ein Opfer des Systems.”
Contador hofft, dass er noch einmal straffrei davonkommt. Wie
schon 2006, als er massiv unter Betrugsverdacht stand, weil das
Kürzel AC in der Klientenliste des spanischen Dopingarztes
Eufemiano Fuentes auftauchte. Bewiesen werden konnte ihm nichts.
Ebenso übrigens wie dem Mann, der an diesem Tag neben ihm
sitzt.
Dort hat Bjarne Riis Platz genommen, ehemaliger Kapitän von Jan
Ullrich beim Team Telekom, 1996 Gewinner der Tour de France und
heute Chef bei Contadors Team Saxo Bank. Während seiner Karriere
als Sportler war dem Dänen nie Doping nachgewiesen worden. Im Jahr
2007 allerdings gab er offen zu, jahrelang unerlaubte Mittel
eingenommen zu haben. „Unser Team ist streng gegen jeden Betrug”,
sagt Riis. „Wir sind aber auch ein faires Team. Alberto hat meine
uneingeschränkte Unterstützung.”
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