Was auf den ersten Blick wie Unkraut aussieht, ist in Wahrheit eines der authentischsten und traditionsreichsten Nahrungsmittel Mallorcas. Fonoll Marí – auch Meerfenchel genannt – kitzelt auf vielfältige Weise die Geschmacksnerven: Er peppt Salate auf, verleiht belegtem Brot eine besonders würzige Note und vielen Gerichten erst den typisch mallorquinischen Touch.
Die 20 bis 40 Zentimeter hohe Pflanze ist genügsam: Ihr bevorzugter Lebensraum sind Felswände in der Nähe des Meeres. Die Gischt der Wellen und die salzig- feuchte Luft lassen sie gedeihen – und bilden auch den aromatischen, salzigen Geschmack dieser Fenchelart aus, wegen dem sie so geschätzt wird.
Sammler erkennen die Pflanze an den blaugrünen, fleischigen Blättern – im Frühling trägt Fonoll Marí eine gelbe Blütenpracht. Obwohl er ganzjährig auf der Insel wächst, ist im Sommer die beste Zeit für die Ernte, dann sind die Blätter besonders saftig und gehaltvoll.
„Meeresfenchel ist an allen felsigen Abschnitten der Küste heimisch und zählt nicht zu den gefährdeten Arten”, weiß Magdalena Vicens vom Botanischen Garten in Sóller. Das bedeute aber nicht, dass er auch leicht zu finden sei. „Weil die Mallorquiner ganz wild darauf sind”, erklärt sie mit einem Lachen. „Wenn er in Reichweite ist, pflücken sie ihn auch.” Gerade die Volksspeise Pa amb Oli werde besonders gern damit verfeinert. Magdalena selbst mischt ihn immer unter ihren Salat: „Das gibt ihm dann noch den letzten Pfiff.”
Freunde des guten Geschmacks schätzen diese Delikatesse vor allem wegen ihrer Unverwechselbarkeit. Durch das Einlegen des Fenchels in gesalzenen Weißweinessig erhält er eine säuerlich-salzige Note. Einen Monat lang muss er „reifen” – dann ist er durchgezogen und macht sich sowohl in den unterschiedlichsten mallorquinischen Gerichten gut, wie auch als dekorativer Blickfang auf Schinken- und Käseplatten, der als Beiwerk auch verspeist werden kann.
Zu einer cremigen Paste püriert, harmoniert er hervorragend mit mallorquinischen Knabberkeksen oder Grissini – ein ebenso einfacher wie leckerer Aperitiv.
Gleichzeitig ursprünglich und traditionell: Fonoll Marí ist ein Gewürz mit Geschichte. Schon im 15. und 16. Jahrhundert wurden seine Blätter geernet, die als Proviant in jedem Seesack zu finden waren. Durch seinen hohen Vitamin-C-Gehalt beugten sie dem Skorbut vor. So bereisten Seeleute mit dem Fonoll Marí im Gepäck die Weltmeere.
Auch in der Hausapotheke sollte der Alleskönner nicht fehlen: „A qui passa mal de ventre, jo sé què es bo donarli, un poc de fonoll marí, mesclat amb aigo calenta“ („Wer Bauchschmerzen hat, dem gebe man ein wenig Meeresfenchel, vermischt mit warmem Wasser”) besagt ein mallorquinisches Sprichwort.
Inzwischen ist die Pflanze sogar in der Kosmetikindustrie auf dem Vormarsch – ihr wird nachgesagt, dass sie gegen die unschönen Dellen an den Oberschenkeln hilft: Cellulite-Stop vom Meeresrand. Auch in Gesichtscremes finden sich Auszüge als natürliches Garaus für die ersten Falten. Genuss- und Schönheitsmittel in einem – und das auch noch gratis zuhauf am Strand: Nichts wie los und pflücken!
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