Wer auf einer Insel wie Mallorca lebt,
soll sich gefälligst glücklich schätzen, könnte man meinen.
Schließlich gibt es nur wenige Orte, an denen mehr als 200 Strände
in wenigen Autominuten zu erreichen sind und an denen obendrein
noch die Sonne 300 Tage im Jahr scheint. Zumindest die balearische
Regierung empfindet die Insellage jedoch als erheblichen
Standortnachteil. Darum fordert sie nun von der Europäischen Union
mehr finanzielle Unterstützung für die Inseln Europas. Am Montag
fand in Palma im Rahmen der spanischen EU-Ratspräsidentschaft eine
Tagung zum Thema "Insularität" statt. "Natürlich lebe ich gerne
hier", sagt Jaume Garau, Generaldirektor für EU-Fonds des Govern
und Experte für die Besonderheiten von Inselregionen. "Perfekte
Orte aber existieren nicht." Und so hat eben auch das Leben auf
Mallorca seine Nachteile. Die Probleme sind laut Garau vielfältig.
Stets aber geht es um Isolation und Begrenztheit. Nicht zuletzt das
Chaos im europäischen Flugverkehr in der vergangenen Woche zeigte
eindrucksvoll, wie abhängig Mallorca vom Flugverkehr ist. Zwar
subventioniert die Zentralregierung innerspanische Reisen der
Inselbewohner mit dem sogenannten "Residentenrabatt" (50 Prozent),
die Anbindung ans Festland ist dennoch eines der Hauptprobleme,
sagt Garau. "Die Transportkosten sind viel höher als auf dem
Festland", sagt er. Inselunternehmer müssten für Im- und Export
deutlich mehr bezahlen und längere Transportzeiten in Kauf nehmen,
als die Festland-Konkurrenz. Aber nicht nur der Zugang zu den
Märkten ist durch die Insellage erschwert. Auch Universitäten und
weiterbildende Schulen blieben für viele Mallorquiner unerreichbar.
"Es ist erwiesen, dass das Bildungsniveau auf Inseln grundsätzlich
niedriger ist als auf dem Festland", sagt Garau.
Weithin anerkannt ist auch die Tatsache, dass Inselregionen
besonders anfällig gegenüber Umweltproblemen sind. Der Klimawandel
mit steigendem Meeresspiegel wird Inseln besonders betreffen. Das
ist unstrittig. Auch Trinkwassermangel ist auf dem Festland
leichter zu beheben. Im Fall von Mallorca mussten in extremen
Trockenphasen Tankschiffe die Versorgung der Inselbevölkerung
sicherstellen. Auch die Schwierigkeiten mit der Stromproduktion auf
Mallorca zeigen immer wieder, wie leicht das Inselgebilde aus dem
Gleichgewicht geraten kann. "Ein weiteres Problem ist, dass die
Immobilienpreise auf Inseln höher sind", sagt Garau. Die Balearen
hätten den teuersten industriell nutzbaren Boden Spaniens.
All dies veranlasst die Balearen-Regierung nun, die Forderung
nach einem finanziellen Ausgleich für die Nachteile der Insellage
zu erneuern. "Wir wollen keine Sonderbehandlung. Wir wollen nur die
gleiche Anerkennung, die auch andere Inselregionen bekommen", sagt
Garau. "Wir sind die einzige Inselregion Europas, deren
Besonderheiten bei der Vergabe von EU-Finanzmitteln nicht
berücksichtigt werden." So würden auf den Kanaren jährlich rund 150
Euro pro Einwohner aus EU-Töpfen investiert, auf den Balearen seien
es gerade einmal 30 Euro. Ausdrücklich anerkannt hat die EU die
Sonderstellung von Inseln wie den Kanaren, den Azoren, Madeira,
sowie den französischen Übersee-Departements. Allerdings sind diese
von einer extremen Randlage gekennzeichnet - in Südamerika, mitten
im Atlantik beziehungsweise im Indischen Ozean. Aber auch Inseln
wie Malta haben in der EU einen Sonderstatus. So gelten im Fall des
kleinsten EU-Mitgliedsstaates bis heute Ausnahmeregelungen - etwa
im Immobiliensektor. Eine Sondervereinbarung zwischen Malta und der
EU ermöglicht es dem Inselstaat, seinen Immobilienmarkt entgegen
sonst gültigem EU-Recht zu reglementieren. Ausländer dürfen nur
unter bestimmten Voraussetzungen Immobilien als Zweitwohnsitz
erwerben. "Angesichts der äußerst geringen Anzahl von Wohneinheiten
in Malta und des sehr begrenzt verfügbaren Baulandes, das lediglich
zur Deckung der durch die demografische Entwicklung der derzeitigen
Bewohner entstehenden Grundbedürfnisse ausreicht, kann Malta in
nicht diskriminierender Weise die geltenden Bestimmungen des
Immobilieneigentumsgesetzes beibehalten", heißt es in der
Zusatzvereinbarung zum EU-Beitrittsvertrag Maltas.
Aber nicht nur die EU trage Mallorcas Insellage keine Rechnung,
kritisiert Garau. Auch der spanische Zentralstaat investiere in
keiner anderen Region so wenig wie auf den Balearen. Die Folge sei
eine dramatische Unterfinanzierung und ein erheblicher
Wettbewerbsnachteil. Zumal die Bewohner anderer Gegenden, wie etwa
der Kanaren, zusätzlich von steuerlichen Vergünstigungen
profitieren, die für die Balearen-Bewohner nicht gelten. "Der Grund
für die Ungleichbehandlung ist die falsche Auffassung, auf den
Balearen gehe es allen Menschen gut", sagt Garau. "Dabei sind wir
längst nicht mehr der Motor der spanischen Wirtschaft." Die
Balearen seien landesweit eine der Regionen, in denen es besonders
viele Menschen gibt, die nur mit Müh und Not über die Runden
kommen. Das Bruttoinlands-produkt wachse auf den Balearen seit
Jahren schwächer als in allen anderen Gegenden Spaniens. "Wenn sich
am Finanzierungsmodell nichts ändert, werden wir in 20 Jahren
Spaniens Schlusslicht sein", prophezeit Garau.
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