Mallorca hat offenbar eine enorme
Anziehungskraft. Das belegt nicht nur der Immigrantenanteil unter
den menschlichen Bewohnern, der hier höher ist als in allen anderen
Gegenden Spaniens. Auch Tiere und Pflanzen aus allen Erdteilen
finden hier ein neues Zuhause. Wie unter den Menschen auch, sorgt
das hin und wieder für Probleme.
So machen sich im Nordosten, in der Gemeinde Artà, schon seit
geraumer Zeit Schlangen breit. Bei den Reptilien handelt es sich
laut der Abteilung für Artenschutz im balearischen
Umweltministerium um sogenannte Hufeisennattern (Coluber
Hippocrepis) - die vollkommen harmlos seien. Dennoch: Nicht jeder
hat gerne Schlangen in Haus und Garten.
Laut Pere Ramón, dem zuständigen Generaldirektor im
Umweltministerium, sind die Nattern vom spanischen Festland nach
Mallorca gelangt. Und zwar unbemerkt bei Transporten von
Zierpflanzen: Viele Fincabesitzer auf Mallorca lassen sich
ausgewachsene Olivenbäume in den Garten setzen. In den Bäumen
versteckt dürften die Schlangen auf die Insel gelangt sein. "In
fast allen Fällen sogenannter Invasoren-Spezies haben Menschen für
die Ausbreitung gesorgt", sagt Ramón.
Das gilt für Tiere wie für Pflanzen. So breiten sich
verschiedene Gräser, Kräuter und auch Bäume ungehindert aus, die
ursprünglich nur den einen oder anderen Garten zierten. Für den
menschlichen Eingriff in die Natur steht auch die
Schmuckschildkröte (Trachemys Scripta), die eigentlich in
Nordamerika heimisch ist, mittlerweile aber auch die Albufera im
Inselnorden bewohnt. Von Menschen ausgesetzt worden sind auch die
knallgrünen Mönchssittiche (Myiopsitta Monachus), die ursprünglich
in Südamerika beheimatet sind, mittlerweile aber auch im
Bellver-Park in Palma nisten und in laut kreischenden Schwärmen
ihre Runden drehen.
Auch der südamerikanische Nasenbär (Nasua Nasua) gehört
eigentlich nicht nach Mallorca - wie schon sein Name verrät. Seit
einiger Zeit treibt er jedoch im Tramuntana-Gebirge sein Unwesen.
Vermutlich hatte sich ein mallorquinischer Tierfreund ein Pärchen
angeschafft, das dann jedoch nach und nach auf stattliche Größe
heranwuchs. Als ihm die exotischen Vierbeiner nicht mehr geheuer
waren, setzte er sie kurzerhand aus - da die Nasenbärfamilie auf
Mallorca sehr angenehme Bedingungen vorfand und keine natürlichen
Feinde hat, gab es bald Nachwuchs. Mittlerweile sollen sich 50
Nasenbären auf der Insel tummeln.
Wie die Hufeisennatter und die Schmuckschildkröte gilt auch der
Nasenbär für den Menschen als ungefährlich. Da er jedoch mit
Vorliebe frisch gelegte Eier verzehrt, beginnt der Störenfried für
einige Vogelarten zum Problem zu werden. Darum ist der Nasenbär nun
zum Abschuss frei gegeben. Außerdem wurden Fallen aufgestellt. An
den Wanderrouten der Tramuntana hat das Umweltministerium obendrein
Schautafeln aufstellen lassen: Wer eines der Exemplare entdeckt,
soll die Behörden verständigen. Gleiches gilt für die Schlangen. Im
besten Fall gelingt es, die Eindringlinge einzufangen. Nach der
gesetzlichen Schonfrist werden sie dann eingeschläfert.
"Entscheidend ist jedoch", sagt Pere Ramón, "unter den Bürgern
ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man Tiere nicht einfach so
aussetzen darf." Nur so ließen sich ähnliche Probleme in Zukunft
vermeiden.
Selbst die beste Strategie hilft jedoch nicht immer weiter: Dann
zum Beispiel, wenn die Eindringlinge sehr klein sind. Dies ist der
Fall des Rüsselkäfers (Rhynchophorus Ferrugineus), der ursprünglich
aus Südostasien stammt, über den Nahen Osten und Nordafrika aber
bis nach Spanien gelangte. Am 3. Oktober 2006 wurde er zum ersten
Mal auf Mallorca entdeckt, genauer gesagt in Sa Ràpita in der
Gemeinde Campos. Von dort breitete sich der Käfer nach Santan-yí,
Felanitx sowie Pollença aus und gilt mittlerweile als "gefährliche
Plage" - da er bevorzugt die Blätter von Palmen frisst und die
Bäume so zerstört.
Dramatisieren will Pere Ramón die Invasion neuer Spezies nach
Mallorca jedoch nicht. "Es sind immer neue Arten auf die Insel
gelangt", sagt er. "Das ist ein natürlicher Prozess." Tatsächlich
ist die Geschichte Mallorcas in vielerlei Hinsicht eine Geschichte
der unentwegten Immigration. Ohne sie wäre die Insel nicht das, was
sie heute ist. Denn wer mag sich Mallorca schon ohne Melonen, Wein,
Aprikosen, Apfelsinen, Ziegen oder Esel vorstellen?
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