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Ohnmacht, Trauer, Wut - mit großer Anteilnahme haben die Inselbewohner auf den Einsturz eines Wohnhauses in Palma reagiert, dem sieben Menschen zum Opfer fielen. Das vierstöckige Gebäude im Stadtteil Camp d'en Serralta war um 0.15 Uhr in der Nacht zum vergangenen Montag in sich zusammengebrochen und hatte neun Personen unter sich begraben. Nur eine Frau aus der zweiten Etage und der Bewohner eines angrenzenden Flachbaus, der zum Teil verschüttet wurde, überlebten.

"Es gab einen großen Krach und dann eine enorme Staubwolke", sagt einer der Anwohner, die direkt nach dem Unglück zum Tatort drängen. "Das sieht ja aus wie Bagdad", so ein anderer Augenzeuge. Dutzende Menschen machen sich unmittelbar nach dem Einsturz an die Rettungsarbeiten und versuchen mit bloßen Händen, Überlebende aus dem mehrere Meter hohen Schutthaufen zu bergen. Mehr als 100 Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter sind bis in die Morgenstunden mit den Bergungsarbeiten beschäftigt.

Wie nach einem Erdbeben graben sich die Rettungskräfte immer weiter in die Tiefe. "Still", ruft plötzlich einer der Feuerwehrmänner. "Ich höre etwas." Und tatsächlich. Eine Frau kann schwer verletzt aus dem Geröll befreit werden. Sieben andere Bewohner hatten kein Glück. Je länger die Suche dauert, desto geringer die Hoffnung, noch Überlebende zu finden. Zur Erschöpfung der Retter kommt immer mehr auch Hilflosigkeit. Die anderen Vermissten können nicht mehr lebend geborgen werden. Laut Polizeiangaben waren sie alle sofort tot. "So etwas Schreckliches habe ich noch nie erlebt", so einer der Sanitäter.

Als die Sonne aufgeht, rückt die Politprominenz an, um sich vor Ort ein Bild vom Geschehen zu machen - begleitet von Kamerateams, Fotografen Reportern. Ministerpräsident, Bürgermeisterin, Baudezernentin und Inselratsvorsitzende - sie alle sind gekommen. "Da sind sie ja", ruft einer der Anwesenden: "Die wollen doch nur mit aufs Foto." Stadt Palma und Balearen-Regierung rufen eine zweitägige offizielle Trauer aus. Die Fahnen wehen auf Halbmast.

Derweil macht sich nach der anfänglichen Bestürzung und Trauer allmählich Wut breit rund um die Plaça Serralta. Anwohner und Schaulustige drängen sich an den Absperrungen. "Warum muss immer so etwas passieren, bevor etwas getan wird", sagt eine Frau. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich das eingestürzte Haus, das in den 50er Jahren errichtet wurde, seit Langem in erbärmlichem Zustand befand.

Anwohner berichten von einem handbreiten Riss in der Hauswand. "Das war absehbar", sagt einer der Nachbarn. Mindestens dreimal sei die Polizei im vergangenen Jahr da gewesen, um das Haus in Augenschein zu nehmen, sagt ein anderer. Die Stadtverwaltung weist jedoch jegliche Verantwortung von sich. Es habe zu keiner Zeit eine Anzeige gegeben.

Warum? Das ist die Frage, der sich die Experten widmen, seit eine Gasexplosion schon kurz nach dem Unglück ausgeschlossen werden konnte. Wie kam es zu dem Einsturz? Obwohl die offizielle Untersuchung noch in vollem Gange ist, gibt es erste Hinweise. So berichten etwa einige Anwohner, dass das Gebäude ursprünglich nur eingeschossig geplant war. Die drei weiteren Etagen seien erst im Nachhinein obenauf gebaut worden.

Die Risse in der Fassade weisen wiederum darauf hin, dass sich die Statik des Hauses offenbar veränderte. Laut Architektenkammer könnten falsch ausgeführte Bauarbeiten am Gebäude schuld daran sein. Ausgeschlossen wird mittlerweile, dass der Sandstein, aus dem das Haus zum Teil bestand, die Unglücksursache war. Schließlich gebe es auf Mallorca viele jahrhundertealte Gebäude aus Sandstein.

Noch am Mittwochmittag ist die Gegend um die Unglücksstelle abgesperrt. Rund 60 Anwohner dürfen aus Sicherheitsgründen ihre Wohnungen in den umliegenden Häusern nicht betreten und sind in einem Hotel in der Nähe untergebracht. Zumindest für sie jedoch wird der Albtraum bald ein Ende haben.