Einmal im Jahr haben sie ihren großen
Fototermin, die Meeresschildkröten der Balearen. Immer dann, wenn
die spanische Königsfamilie in ihrem Sommerurlaub die genesenen
Tiere im Meeres-Nationalpark Cabrera in die Freiheit entlässt. Die
verletzt aufgefundenen Schildkröten waren in den Monaten zuvor im
Delfinarium Marineland in Puerto Portals von Meeresbiologen gesund
gepflegt worden.
Cabrera könnte den Meeresschildkröten einen geschützten
Lebensraum bieten, weit weg von Wasserverschmutzung, Fischernetzen,
Angelhaken und Schiffsschrauben. Doch in den Gewässern rund um den
Meeres-Nationalpark würden die Schildkröten nie lange bleiben. „Sie
sind große Reisende der Meere und legen auf ihren Wanderungen
Tausende von Kilometern zurück”, sagt Xavier Pastor, Direktor der
nichtstaatlichen Meeresforschungsorganisation Oceana. Manche der
Tiere durchqueren sogar den Atlantik, wie Messungen mit Peilsendern
ergaben.
Doch ungeachtet ihrer Lust am Vagabundieren sind
Meeresschildkröten häufig zu Gast in den Gewässern rund um die
Balearen. Gerade in den Sommermonaten halten sich hier Hunderte von
ihnen auf, vor allem im Meer zwischen Formentera und Ibiza.
Kommen die Tiere zur Eiablage? Das ist wohl auszuschließen, sagt
Pastor. Es gebe keine Hinweise, dass sie ihre Eier in den Sand der
hiesigen Playas ablegen. „Wenn sie einmal hier nisteten, dann muss
das schon Jahrhunderte zurückliegen.” Es gebe lediglich einen
Bericht in einer Fachzeitschrift aus dem Jahre 1861, der eine
Eiablage auf den Balearen erwähnte. Gleichwohl ist Formentera schon
immer an die Anwesenheit der Tiere in seinen Gewässern gewohnt
gewesen. So bot die traditionelle Küche der Insel Gerichte mit dem
Fleisch der Meeresschildkröte.
Wo kommen die Tiere her, wenn sie nicht auf den Balearen selbst
aus den Eiern geschlüpft sind? Sie stammen, so Xavier Pastor, vor
allem aus dem östlichen Mittelmeer, aber auch aus der Karibik. Vor
allem zwei Arten sind hier häufig anzutreffen: Es sind dies die
„tortuga boba” (Caretta caretta), die Englisch „Loggerhead”
(Holzkopf) genannt wird, sowie die „tortuga laúd” (Dermochelys
coriacea), die auch „Leatherback” (Lederrücken) heißt.
Auf etwa 1000 „Holzköpfe”, so Pastor, komme ein „Lederrücken”.
Letzterer werde auch deutlich größer. Die Tiere können bis zu zwei
Meter lang werden und 600 Kilo wiegen. Die kleineren „Holzköpfe” –
die bei Sommerhitze schlafend auf dem Wasser treiben und nahezu per
Hand eingefangen werden können – werden höchstens halb so groß und
schwer.
Das häufige Vorkommen der Meeresschildkröten rund um Mallorca
täuscht eine falsche Sicherheit vor. „Erstens sind es viel weniger
als früher.” Das sei auch an der Zunahme der Quallen, der
Lieblingsspeise der Schildkröten, zu spüren. „Und zweitens handelt
es sich zumeist um ausgewachsene Exemplare, Jungtiere sind selten.”
Diese Entwicklung hänge vermutlich mit dem Tourismus zusammen, der
vor etwa 40 Jahren auch im östlichen Mittelmeer Fuß fasste und sich
auf den Eiablage-Stränden der Schildkröten breitmachte.
Heute müssen die Tiere vor allem vor der Fischerei gerettet
werden. Immer wieder verbeißen sich die Schildkröten in den
Tausenden von Angelhaken, die an bis zu 20 Kilometer langen
Schleppleinen durch die Meere gezogen werden. Allein die spanische
Fischereiflotte fängt jedes Jahr rund 20.000 Meeresschildkröten.
Auch wenn die Fischer die Tiere von den Haken befreien, verendet
ein Drittel an den Verletzungen. Daher fordert Oceana unter anderem
ein Schleppleinen-Verbot am Tage. Denn Schildkröten gehen nachts
nicht auf Jagd. Da scheinen die Tiere zu schlafen.
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