Heutzutage stellen sich selbst viele Mallorquiner einen
Weihnachtsbaum im Wohnzimmer auf. Sei er nun aus echtem Grün oder
aus Plastik. Mit den Jahren fasste der nordische Brauch immer mehr
Fuß auf der Insel. Das lag am Einfluss der Winterurlauber und
ausländischen Residenten, aber auch an Hollywood und der Werbung im
Fernsehen.
Wie aber fand der erste Weihnachtsbaum seinen Weg auf die Insel?
Angestoßen wurde diese Entwicklung 1954 von Uli Werthwein. Der
diplomierte Gartenbauingenieur und Landschaftsarchitekt mit
deutschen Wurzeln und spanischem Pass wurde als „Uli el jardinero”
zur einer Institution im Grünbereich der Insel. Er war der Erste,
der für die im Tourismusboom entstehenden Hotelanlagen
professionell Gärten gestalte. Kaum eine Palme, die er nicht
gesetzt hat. 1978 gründete Uli Werthwein mit seiner Frau Renate an
der Landstraße nach Sóller das erste moderne Gartencenter. Und noch
heute schreibt er jede Woche in seiner Kolumne im Magazin „Brisas”
über die Themen, Gärten, Pflanzen, Früchte.
Zurück zum Weihnachtsbaum. 1954 schaffte der als Kind in
Barcelona aufgewachsene Gartenexperte die ersten Bäumchen per
Lastensegler nach Palma. Es handelte sich um ein gutes Dutzend
Fichten, die Werthwein in den Pyrenäen gekauft hatte. Auf dem
Anhänger seines Motorrads fuhr der damals 25-Jährige die Bäume zum
Weihnachtsmarkt auf die Plaça Major, um sie dort an den Mann zu
bringen. „Ich hatte Glück. Im damaligen Theater am Mercat del
Olivar, wo heute der Bingo-Palast ist, gastierten Zirkusleute aus
dem Ausland. Die kauften mir die Bäumchen ab.” Weitere Kunden waren
ausländische Residenten, aber auch der eine oder andere
Hoteldirektor, der für seine Wintergäste einen Baum aufstellte.
Mit jedem Jahr wuchs die Nachfrage, und in den besten Zeiten um
1978 beförderte Werthwein 4000 Fichten pro Adventszeit nach
Mallorca. Sie stammten allesamt aus dem katalonischen Bergdorf
Espinelvas. Dort existierte ein Betrieb, der Jungbäume zur
Aufforstung zog. Nach und nach entdeckte man in Espinelvas die neue
Marktnische. Die Weihnachtsbäume von dort werden extra zu diesem
Zweck angepflanzt.
1963 schenkte Werthwein dem Rathaus in Palma
kurz vor Weihnachten eine Fichte. Der Platz vor dem Gebäude bestand
damals nur aus Kopfsteinpflaster. Man entfernte einen Stein und
steckte die Fichte in die Öffnung. Die neue Grünzone zur
Weihnachtszeit kam bei den Palmesanern so gut an, dass die Stadt in
den kommenden Jahren dort wieder Bäume aufstellen ließ. Dann
versuchte die Stadtverwaltung im Alleingang sogar eine Fichte mit
Wurzeln anzupflanzen, um den Platz dauerhaft zu begrünen. Doch dem
Baum war zu heiß. Er ging ein. Und seine Nachfolger ebenfalls. So
versuchte man es mit einer Zeder. Doch auch dieses Gewächs aus dem
Hohen Atlas konnte im Mittelmeerklima nicht überleben. Zuletzt
besann man sich im Rathaus und pflanzte in den 90er Jahren den
Olivenbaum. Der sieht so aus, als ob er dort schon immer stand. Und
dabei begann alles mit einem Weihnachtsbaum von Uli Werthwein.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.