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Behutsam nimmt die Perlendreherin mit einem dünnen Metallstäbchen ein Klümpchen des geschmolzenen Opalins ab, dreht und wendet es in der Flamme, bis sich eine kleine Perle in Tropfenform herauskristallisiert. Nur ein paar Meter weiter spucken vier Maschinen Bänder mit Perlen in Standardgröße und Form aus.

Die Fabrik Majorica in Manacor ist das Haus der Perlen: 25 Millionen Stück werden jährlich produziert, viele davon - die Tropfen-, Barock- oder plane Form - sind Handarbeit, das mallorquinische Traditionsunternehmen erstrahlt in neuem Glanz. Um die Jahrtausendwende hatte die Fabrik gekränkelt, 2002 erreichte Majorica seinen Tiefpunkt, das einstige Familienunternehmen war bankrott und hoch verschuldet. Seit drei Jahren, nachdem die Firma von zwei Franzosen, den Inhabern der Saga-Gruppe, übernommen wurde, läuft das Geschäft wieder wie am Perlenschnürchen.

Seit 2006 schreibt Majorica schwarze Zahlen: 600.000 Euro Gewinn brachten die zwei vergangenen Jahre jeweils ein. Der prognostizierte Zuwachs von 15 Prozent für 2008 wird aufgrund der Krise zwar ausbleiben, aber der Gewinn bleibe stabil. Zu verdanken hat dies das Unternehmen vor allem dem innovativen Schmuckdesign, das seit drei Jahren favorisiert wird, 45 Prozent der Umsätze werden mit den minimalistischen und modernen Kreationen gemacht: Die Perle ist mit der Mode gegangen.

693 verschiedene Perlenschmuck-Modelle hat das Unternehmen derzeit am Markt, neben den vielen Klassikern sind es aber vor allem diese neuen Designs, die im absoluten Kontrast zum angestaubten Image des Perlenschmucks stehen: Hier harmonieren filigrane Fantasieformen in Metall, grobe Lederbänder, Stoffkordeln oder verschiedenfarbige Silikonschnüre und Halbedelsteine mit den mattglänzenden Kugeln. Und auch bei Form und Farbe der Perlen wurden die Designer erfinderisch: Da es sich um ein Kunstprodukt handelt, lässt sich der eigentliche Perlenkörper, das Opalin, in jede Form bringen - derzeit werden vor allem flache Perlenscheiben favorisiert. Das Farbspektrum umfasst ein Dutzend Nuancen, reicht von Weiß über Rosé, Schokobraun oder ein violett-changierendes Grün, das der in der Natur seltenen Haiti-Perle entspricht.

Der frische Wind, der bei Majorica wieder die Mühlen angetrieben hat, kommt aus Asien: Die Saga-Gruppe führt Fabriken zur Schmuckherstellung in Thailand und China, die Designs kommen aus Taiwan. Und sie sitzen am Puls der Zeit, was die Trends im Juweliergeschäft betrifft: Saga ist einer der größten und namhaftesten Hersteller für internationale Schmuckwaren, sie produzieren, was unter den Markennamen "Fossil", "Dior", "Chanel Bijoux" oder "Donna Karan" vertrieben wird. "Mit dem Kauf von Majorica haben sie sich den Traum von einer eigenen Marke erfüllt", erklärt Chantal Jourdain, Pressesprecherin des Unternehmens.

Was unter dem Namen Majorica verkauft wird, wird in Manacor produziert - die Designs aber kommen von Chefdesigner Mateo Shen aus Taiwan. Seine Ideen werden unter der Anleitung vom Chefdesigner in Manacor, Mateo Munar, in Prototypen umgesetzt. Munar analysiert, wie sich ein Stück am schönsten und effizientesten umsetzen lässt. Insgesamt 600.000 Schmuckstücke werden hier jährlich in einem aufwendigen Negativverfahren mit Wachsabgüssen in Silikonformen hergestellt. 95 Prozent der Geschmeide sind aus Silber, nur fünf Prozent werden aus Gold gefertigt. Die neue Richtung schlägt sich auch in den drei Produktlinien nieder: 30 Prozent der Designs sind für klassische Festlichkeiten ausgerichtet, 30 Prozent entsprechen einem relaxten urbanen Look und 40 Prozent sollen einer neuen Zeitlosigkeit entsprechen, die die Frau von Tag zu Tag schmückt.

Aber nicht nur die Optik des Schmucks, auch der Gesamtauftritt der Marke hat in den letzten drei Jahren einen Relaunch erfahren: Ein freches Marketing und elegant gestaltete Verkaufsstände - 26 Ladenlokale betreibt das Unternehmen in der Kette El Corte Inglés spanienweit - zahlen sich sichtlich aus.

Allein 300.000 Besucher kommen jährlich in das groß angelegte Majorica-Geschäft an der Hauptstraße von Manacor - allein hier werden 25 Prozent des Gesamtumsatzes ge-stemmt. Auch die USA und Japan sind wichtige Märkte, Deutschland soll es wieder werden: Vor wenigen Wochen eröffnete Majorica in Düsseldorf ein Ladenlokal in der Galeria Kaufhof. "Wir haben durch die Querelen der Jahre vor 2005 in Deutschland die größten Einbußen hinnehmen müssen, weil wir damals die Lieferfristen nicht einhalten konnten", erklärt Chantal Jourdain. Dabei seien die Deutschen eigentlich von jeher regelrechte Majorica-Fans gewesen.

Nicht zuletzt wegen der Qualität der Perle, die die Einzigartigkeit der Marke ausmacht: Denn die Beschichtung der Perlen ist besonders dick, kratz- und parfümresistent und gleicht in ihrem Glanz einer echten Perle. Erreicht wird dies durch einen langwierigen Prozess, bei dem jede einzelne Perle fünf- bis sechsmal in das Guanin-Lackbad getaucht, zwischendrin getrocknet, auf Hochglanz poliert und spezialbeschichtet wird.