Ein Stück Land auf Mallorca - davon träumte
Marianne P. (Name geändert). Vor mehr als 20 Jahren kaufte sie sich
eine Parzelle an der Südwestküste der Insel. 1987 Quadratmeter für
noch nicht einmal 10.000 Mark. Irgendwann sollte hier ein
Ferienhaus mit Meerblick stehen. "Ich wollte mir eine Immobilie
sichern", sagt sie. Jetzt sitzt sie kopfschüttelnd da und versteht
die Welt nicht mehr: Ihr Traum ist zum Albtraum geworden.
Das Grundstück liegt noch immer brach, hat aber auch so
ordentlich an Wert zugelegt und soll nun bald den Kindern gehören.
Vererben? Oder doch verschenken? Um dies zu klären ist Marianne P.
nach Mallorca gereist. "Ich wollte die Papiere in Ordnung bringen",
sagt sie. Es ist aber nichts mehr in Ordnung zu bringen.
Der Mann auf dem Grundbuchamt sieht sie mit großen Augen an, als
sie einen Registerauszug ihres Stückchens Land fordert. "Die
Parzelle gehört ihnen doch gar nicht mehr", sagt er. Tatsächlich.
Im Register ist es schwarz auf weiß nachzulesen: Marianne P. hat
ihr Grundstück im Jahr 2001 verkauft. Oder besser gesagt: Sie soll
es verkauft haben. Denn sie weiß davon nichts.
Laut Grundbuch, mit Stempeln und Unterschriften versehen, wurde
die Parzelle in der Cala Llamp an einen Belgier verkauft. Als
Rechtsvertreter von Marianne P. trat ein Franzose auf, der offenbar
eine notarielle Bevollmächtigung vorlegen konnte. Marianne P.
beteuert, diese nie erteilt zu haben. Das aber ist nicht alles:
Noch zwei weitere Male hat das Grundstück laut Registerauszug den
Besitzer gewechselt. Zuletzt im Sommer 2008 - für 765.000 Euro.
Marianne P. ist das Opfer einer der dreistesten Betrügereien,
die es auf Mallorca in den vergangenen Jahren gegeben hat. Eine
offenbar vor allem aus Franzosen und Belgiern bestehende Bande hat
systematisch Baugrundstücke verkauft, die schon längst jemand
anderem gehörten. Es gibt möglicherweise Dutzende Betroffene und
viele wissen noch gar nichts von ihrem Pech. Auch Marianne P. hat
sich jahrelang nicht um ihr Grundstück auf Mallorca gekümmert. Die
Grundsteuer ging jährlich vom Konto der Bank in Peguera ab. Sogar,
als ihr die Parzelle schon gar nicht mehr gehörte. Alles schien in
bester Ordnung.
Dass nichts in Ordnung war in Mallorcas Südwesten, ist längst
keine Nachricht mehr. Der Küstenort Andratx, zu dem die Cala Llamp
(auf deutsch "Bucht des Blitzes") gehört, sorgt nun schon seit
Jahren für Schlagzeilen. Im November 2006 wurde der Bürgermeister
des Ortes verhaftet, weil er es offenbar nicht allzu genau genommen
hat mit seinen Amtspflichten. Ihm werden unter anderem Verstöße
gegen die Bauvorschriften vorgeworfen.
Auch der Skandal um die doppelt und dreifach verkauften
Grundstücke in der Cala Llamp schwelt schon seit mehr als einem
Jahr. Im April 2007 nahm die Polizei einen französischen
Unternehmer sowie einen renommierten mallorquinischen Anwalt fest,
denen Geldwäsche und Steuerhinterziehung vorgeworfen werden.
Außerdem sollen sie die Drahtzieher des Betrugs mit den
Grundstücken in der Cala Llamp sein (bekannt wurde die
Polizeiaktion in der Folge unter dem Namen "Operation Blitz").
Die Ermittlungen sind noch in vollem Gange, in der vergangenen
Woche wurde ein weiterer Hauptverdächtiger aus Frankreich nach
Palma ausgeliefert. Eine Belgierin, die ebenfalls auf Mallorca im
Gefängnis sitzt, hat derweil zugegeben, sich in mehreren Fällen als
Besitzerin einer der Parzellen ausgegeben und so vor Notaren auf
der Insel eine falsche Bevollmächtigung ergaunert zu haben. "Ich
habe mich mit Perücke und Brille verkleidet", gestand sie dem
Ermittlungsrichter.
Ins Rollen gebracht hat den Fall der Rechtsanwalt Pascual
Esteban, der einige der Betroffenen vertritt. Schon vor vier Jahren
habe er eine erste Strafanzeige gegen den Hauptverdächtigen
gestellt, sagt er. Esteban vermutet, dass es in Cala Llamp rund 20
Betroffene gibt. Die Ermittlungen könnten noch mehrere Monate
dauern. Wann es zum Prozess kommt sei völlig offen. Dass am Ende
alle Opfer eine Entschädigung erhalten, garantiert niemand. Auch
Marianne P. kann er nicht viel Hoffnung machen: Ob sie jemals den
Meerblick in der Cala Llamp genießen wird, ist fraglich.
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