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Gerne kritisiert wird auf Mallorca, dass das überlastete Gesundheitssystem im Sommer auch noch von den Touristen heimgesucht wird. Auf fünf Millionen Euro wird die Summe geschätzt, die Urlauber durch die Inanspruchnahme ärztlicher Behandlung verursachen. Verschwiegen wird oft, dass das Geld im Rahmen EU-weiter Ausgleichszahlungen erstattet wird.

Eines ist unbestritten: Die Ärzte haben im Sommer mehr Arbeit. Laut Gesundheitsdienst IB-Salut ist die Zahl der Notfälle von Mai bis Juli um 5000 von 37.091 pro Monat auf 42.346 gestiegen. Im Juli wurden im Krankenhaus Son Dureta 800 Notfälle mehr eingeliefert als im Mai. "Die Bevölkerung, für die Son Dureta zuständig ist, ist im Sommer viel größer", so ein IB-Salut-Sprecher. Die Touristenzentren Calvià und Andratx gehören zum Einzugsgebiet. Die häufigsten Beschwerden, mit denen die Notärzte konfrontiert werden, sind Sonnenstich, Sonnenbrand und Drogenmissbrauch.

Urlaubszeit ist Diebeszeit. Je mehr Touristen sich auf Mallorca tummeln, desto mehr zwielichtige Gestalten lockt die Insel an. Stets im Sommer häufen sich Diebstähle und Einbrüche, ganz zu schweigen von Tricksereien, Kleinkriminalität und Prügeleien. In den Touristenzentren nehmen Hütchenspieler ahnungslose Urlauber aus, am Flughafen nutzen Diebesbanden die aufkommende Urlaubsstimmung für ihre Räubereien. Kaum eine Masche ist zu alt, als dass mit ihr nicht noch ein wenig Geld zu machen wäre. Bis auf das Doppelte des Winterwertes steigt die Kriminalitätsrate im Sommer laut der balearischen Vertretung der Zentralregierung an.

Und so setzt die Balearen-Regierung alles daran, den Besuchern aus dem Ausland trotz bedenklicher Statistiken ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Die Zahl der auf den Balearen stationierten Polizisten ist so hoch wie nie: 1435 Nationalpolizisten und 1810 Beamte der Guardia Civil versehen ihren Dienst auf Mallorca und den Nachbarinseln. Obendrein stocken auch die Lokalpolizei-Behörden der Inselgemeinden ihre Belegschaften in den Sommermonaten merklich auf. An Brennpunkten wie der Playa de Palma herrscht somit hohe Polizeipräsenz, die jetzt noch durch die Installation neuer Überwachungskameras verstärkt werden soll.

In der vergangenen Woche präsentierte die Polizei wie schon in den vergangenen Jahren ihren Kriminalitätsratgeber, der Mallorca-Urlauber vor den Maschen der Diebesbanden warnen soll. Das Überraschende ist, dass die Tricks immer die gleichen sind: Ein Ablenkungsmanöver, ein Komplize und schon ist es geschehen. Und so heißt der Ratschlag der Polizei: Aufpassen ist erste Urlauberpflicht.

Keinerlei Skrupel hatte eine Räuberbande, von der MM kürzlich erfuhr. Die offenbar aus Nordafrika stammenden (da Französisch sprechenden) Kriminellen nutzten die Unaufmerksamkeit einiger Schweizer Urlauber, die eben erst ihr Ferienhaus auf der Insel bezogen hatten. Kaum machte sich die Ferienstimmung breit, waren die unbekannten Täter auch schon ins Haus eingedrungen und hatten allerlei Wertgegenstände gestohlen. Groß war das Wehklagen, als der Raub entdeckt wurde, noch größer aber die Verwunderung, als plötzlich das Telefon klingelte. Am anderen Ende der Leitung einer der Diebe, der wissen wollte, was denn genau gestohlen worden war. Offenbar misstraute er seinem Komplizen und fühlte sich bei der Verteilung der Beute übervorteilt.

Noch nie zuvor ist auf den Balearen so viel Strom verbraucht worden wie vergangene Woche. Am Mittwoch erreichte die Marke um 21.28 Uhr einen ersten historischen Rekord: Zu diesem Zeitpunkt betrug die genutzte Leistung 1216 Megawatt. Die balearischen Nachbarinseln nicht mitgerechnet waren es auf Mallorca immerhin noch rund 900 Megawatt, wie ein Sprecher des Energie-Versorgers Gesa auf MM-Anfrage bestätigt.

Schuld an dem Spitzenwert ist zu einem guten Teil der Tourismus. Alle Gemeinden Mallorcas verzeichnen im Sommer einen erheblichen Anstieg des Stromverbrauchs. Wurden in Calvià im Februar 28 Millionen Kilowattstunden verbraucht, werden es im August rund 64 Millionen sein, so der Gesa-Sprecher. Auch in Sant Llorenç im Inselosten fällt die Steigerung deutlich aus: von 2'5 Millionen Kilowattstunden auf acht Millionen. Der gierigste Energiefresser ist an einem heißen Sommertag auf Mallorca die Klimaanlage. Darum verwundert es nicht, dass der Stromverbrauchsrekord an einem der heißesten Tage des Jahres aufgestellt wurde. Dass es in den Abendstunden soweit war, liegt laut Gesa daran, dass bei Beginn der Dunkelheit zusätzlich zu all den ohnehin schon eingeschalteten Geräten auch noch die Lampen angeknipst werden.

Grund zur Sorge gibt es aber nicht - obwohl schon am Donnerstag mit 1244 Megawatt ein neuer Höchstwert auf den Balearen erreicht wurde. Laut Gesa können die drei mallorquinischen Elektrizitätswerke Alcúdia, Son Reus und Cas Tresorer zusammen mehr als 1400 Megawatt Strom produzieren - es bleibt also noch etwas Spielraum für neue Spitzenwerte.

Mehr als 700.000 Tonnen Abfall produzieren die Inselbewohner Jahr für Jahr - mehr als die Verbrennungsanlage Son Reus bewältigen kann. Und der jährliche Touristenstrom ist daran nicht ganz unschuldig, wie es in einer Stellungnahme des Inselrates heißt. Denn in den Sommermonaten fällt regelmäßig sehr viel mehr Müll an als im Winter. Laut Umweltdezernat karren die Müllwagen im Juli und August rund 60.000 Tonnen Abfall nach Son Reus. Im Januar sind es dagegen nur rund 41.000 Tonnen, im Februar gar nur knapp 37.000 Tonnen.

Die Verbrennungsanlage ist auf solche Massen nicht eingestellt. Laut der zuständigen Behörde des Inselrats können in Son Reus lediglich 300.000 Tonnen Müll pro Jahr verbrannt werden. Der Rest wird etwa zur Hälfte wiederverwertet, die verbleibenden 200.000 Tonnen wandern auf die Müllkippe. Aber auch die hat Grenzen: Vor wenigen Wochen erst ist die bisherige Halde endgültig geschlossen worden - sie ist mehr als 30 Jahre nach ihrer Einweihung voll. Hier soll nun eine Grünzone entstehen. Die neue Müllkippe hat ein Fassungsvermögen von 1'3 Millionen Kubikmetern und wird, sollte die Müllmenge weiter ansteigen, ebenfalls in absehbarer Zeit nicht mehr ausreichen. Eine Lösung ist in Sicht: Bis zum Jahr 2011 sollen laut Umweltdezernat zwei neue Verbrennungsöfen in Son Reus installiert werden. Dann wird die Kapazität für den auf Mallorca anfallenden Müll ausreichen - inklusive des Touristenmülls.

Wasser ist ein wertvolles Gut auf Mallorca. Das zeigen die besorgten Blicke, die hier im Winter und Frühjahr gen Himmel gehen, wenn der Regen auf sich warten lässt. Dann müssen nämlich die Vorräte wieder aufgefüllt werden, die während der trockenen Sommermonate zur Neige gehen. Bleiben Niederschläge wider Erwarten auch in der kühlen Jahreszeit aus, droht im Sommer ein Engpass.

Denn der Wasserbedarf der Insel ist enorm. Während in Palma im Winter rund 80.000 Kubikmeter pro Tag verbraucht werden, sind es laut dem Versorgungsunternehmen Emaya im Sommer sage und schreibe 140.000 Kubikmeter. Verantwortlich für die extreme Zunahme sind vor allem die Touristen an der Playa de Palma. Denn im Urlaub wird offenbar weiterhin nicht gerade gegeizt mit dem kostbaren Nass: Laut einer Studie der Europäischen Union aus dem vergangenen Jahr verbraucht ein Tourist auf den Balearen etwa doppelt soviel Wasser wie ein Resident.

Am Ende eines langen, heißen Sommers gibt es in Mallorcas Stauseen, die Palmas Wasserbedarf hauptsächlich decken, dann meist nur noch spärliche Vorräte. Die Zeiten, in denen Tankschiffe vom Festland aus die Versorgung der Insel mit Trinkwasser gewährleisten mussten, scheinen aber vorbei zu sein. Die Balearen-Regierung hat Millionen in den Ausbau der Wasserversorgung gesteckt. Klär- und Entsalzungsanlagen haben den größten Mangel beseitigt.

Ein weiterer Erfolg ist die verbindliche Einführung progressiver Wassertarife bis zum Jahr 2010. Spätestens von da an wird in allen Gemeinden der Insel günstiger gestellt, wer wenig Wasser verbraucht.

Ein großes Problem besteht jedoch immer noch: Ein bedeutender Teil der Wasserleitungen Mallorcas ist marode, so dass noch 2006 jeder fünfte Liter Trinkwasser im Boden versickerte. Die aktuelle Balearen-Regierung beteuert, an einer Lösung des Problems zu arbeiten.

Schwierigkeiten bereitet weiterhin die Wasserqualität. Wegen der jahrzehntelangen Überdüngung des Bodens ist das Grundwasser in vielen Orten mit Schadstoffen belastet. Muro, Felanitx, Santanyí, Portocolom, Maria de la Salut, Marratxí, Sa Pobla - nur eine Auswahl der Inselorte, in denen das Trinkwasser in den vergangenen Monaten erhöhte Schadstoffwerte aufwies - oder gleich als ungenießbar eingestuft wurde. Experten raten davon ab, Leitungswasser auf Mallorca zu trinken.

Drei Fragen an: Joan Miralles

Mallorca Magazin: Der Sommerrummel auf Mallorca - ein Sonderfall, Herr Miralles?
Joan Miralles: Absolut nicht. Dieses Phänomen gibt es in allen Touristenzonen. Das bringt der Tourismus so mit sich.

MM: Wie stehen die Mallorquiner dazu?
Miralles: Es gibt zwei Phasen: Erst sind alle froh, weil man ja vom Tourismus lebt. Wenn dann immer mehr Urlauber kommen, mit den entsprechenden Folgen für die Insel, dann gibt es einen Trend zur Ablehnung. Die Mallorquiner sind zwiegespalten. Dabei ist grundsätzlich kritischer, wer nicht vom Tourismus lebt.

MM: Wie wirkt sich Mallorcas Sommerrummel auf die Gesellschaft aus?
Miralles: Er hat zum Beispiel dazu geführt, dass es auf der Insel die stärkste Umweltbewegung Spaniens gibt. Es gibt auch auf Mallorca heute keine Partei mehr, die den Umweltschutz nicht im Programm hätte. Das ist eine Folge des Massentourismus.

Joan Miralles ist Soziologe, lebt in Porreres und ist Experte für Tourismus auf Mallorca.