Je dichter man an der Kirche auf dem kleinen Berg wohnt, so
erzählt man sich bis heute in Deià, desto vornehmer die Familie.
Bis heute leben Generationen desselben Clans in den Häusern hoch
über dem Ortskern, andere wiederum verkauften auch an Fremde, denn
das Geld, dass sie brachten, wussten die Menschen hier schon früh
zu schätzen. Vor allen den Engländern hatte es das Bergdorf
angetan. Heute ist Deià die Gemeinde mit dem höchsten
Ausländeranteil auf der Insel, er beträgt 37 Prozent.
Einer der ersten und bis heute berühmtesten „Ein-wanderer“ war
der bri- tische Schriftsteller Robert Graves. Der weltberühmte
Verfasser von „Ich, Claudius, Kaiser und Gott“ ließ sich bereits
1927 hier nieder und fand auf dem kleinen Friedhof oberhalb des
Ortes seine letzte Ruhe. Senk-recht, wie man sich hier erzählt, aus
Platzgründen, was zumindest die winzigen Grabtafeln erklären würde.
Wer im Tod nicht stehen will, darf nicht in Deià sterben, heißt
es.
Keine andere Gemeinde der Insel hat so viele künstlerisch
veranlagte Europäer und Amerikaner angezogen, und trotzdem ist sie
bis heute die fünftkleinste Gemeinde der Insel. Namen wie Aaïs Nin,
Ava Gardner, Alec Guinness, Peter Ustinov, Gabriel García Márquez,
Kingsley Amis, Allan Sillitoe oder Anthony Burgess, sie alle kamen
hierher auf der Suche nach Ruhe und Erholung, in eines der
abgelegensten Bergdöfer Mallorcas.
Heute trifft man Andrew Lloyd Webber, Richard Branson oder Bob
Geldof im Café, die in Deià Häuser mieten, denn die Ruhe hat sich,
ganz im Gegensatz zum Nachbardorf Valldemossa, hier gehalten.
„Durch unsere Infrastruktur, die engen Gassen und steilen Wege, ist
uns der Ansturm der Touristenbusse zum Glück erspart geblieben“,
sagt Bürgermeister Jaume Crespí. Sein zweiter Nachname ist Deià,
enger kann man mit einem Ort wohl nicht verwurzelt sein. Ein
leichter Ton von Konkurrenzkampf schwingt mit, wenn er über die
Nachbargemeinde Vall-demossa redet. „Die werden im Sommer von
Touristenströmen überschwemmt, das Straßenbild rund um die Kartause
ist geprägt von Souvenirläden und Restaurants mit bebilderten
Speisekarten, so etwas wäre in unserem Dorf undenkbar“, sagt
Crespí. Das wollen die Leute hier nicht, deshalb gibt es bis heute
keine Parkplätze für vollbesetzte Busse im Ort. Ein Segen, sagen
viele, aber es gibt im Sommer auch nur eine einzige Bar, in der man
sich zu Copas und Musik nach dem Essen trifft. Die Terrasse des „Sa
Fonda“ quillt an Sommerabenden über vor Gästen. Wer nicht dorthin
geht, muss auf Sóller oder sogar Palma ausweichen, denn in der
näheren Umgebung ist laut Bürgermeister Ödland, was das Nachtleben
betrifft. Warum nicht jemand auf die Idee kommt, eine zweite Bar
für laue Nächte zu eröffnen, weiß auch Crespí nicht so genau.
Mit 26 Jahren wurde er Mallorcas jüngster Bürgermeister. Heute
ist er 31, und seine Erfahrung im Dienst der Gemeinde nutzt er nach
eigenen Angaben vor allem für die kleinen bürokrati-schen Dinge des
Alltags. „Es macht mir Spaß, die kleinen Probleme des täglichen
Lebens zu lösen, den Menschen hier, die ich teilweise seit meiner
Geburt kenne, die Tücken des Alltags zu erleichtern“, beschreibt er
seine Arbeit in der Gemeinde. Dass es hier auch größere Probleme
gibt, wie zum Beispiel der jahrelangen Rechtsstreit um den Abriss
der Villen in Llucalcari, scheint ihn nicht sonderlich zu
beunruhigen. Auf die Frage, ob es drei Jahre nach dem Urteil, die
Häuser abzureißen, irgend-eine Aktion von Seiten der Gemeinde gebe,
schüttelt Crespí den Kopf. Nein, dass sei eine Sache, die sich noch
hinziehen könne, zurzeit werde gerade mit der neuen Regierung über
mögliche Entschädigungszahlungen gesprochen. Von Strafzah-lungen
gegen die Gemeinde wegen unterlassener Urteilsvollstreckung weiß er
nichts. „Das sind Medienberichte, die ehemalige GOB-Mitarbeiter
lancieren, die sich ärgern, dass nichts passiert.“ Es sei alles in
allem ein schwieriges Thema. „Wir brauchen auf jeden Fall
Unterstützung aus Palma, denn allein kann unsere Gemeinde die
Kosten für Abriss und Entschädigung nicht aufbringen.“ Die Lage der
Hausbesitzer ist für Crespí kein wichtiges Tagesthema. „Sie wissen,
dass die Häuser abgerissen werden, das können wir auch nicht
rückgängig machen.“ An den Hängen rund ums Dorf entstehen derweil
neue Millionenvillen. „In den letzten Jahren sind viele vermögende
Leute in unsere Gemeinde gezogen“, sagt Jaume Crespí. Auch viele
alte Häuser seien renoviert worden, Baukräne zeugen von
geschäftiger Tätigkeit auf diesem Sektor. Doch die Villen stören
das idyllische Dorfbild nicht, sie liegen gut versteckt hinter
großen Bäumen. Auch das Hotel Residencia erhielt, fast unbemerkt
von der Öffentlichkeit, einen neuen Suiten-Anbau, der zur
Sommersaison endlich eingeweiht werden soll.
Unten im Dorf hat sich trotzdem so gut wie nichts verändert. Die
Bäckerei Forn Deià hat wenig Konkurrenz, einige kleine Geschäfte
und auffallend viele Makler sieht man im Ort. Wer hier nicht wohnt,
kommt zum Wandern oder zum Schlemmen. Denn auch das hat Deià: Eines
der wenigen Sternerestaurants der Insel. Zu Josef Sauerschell ins
„Es Racó d'es Teix“ kommt man auch trotz Parkplatznot.
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