Seine Texte entstehen oft, während er im Flugzeug sitzt, denn
diese Zeit, findet Rainhard Fendrich, ist verlorene Zeit. Dann
setzt er sich – ohne sie anzuschließen – Kopfhörer auf („Damit ich
nicht angesprochen werde”) und schreibt. „Absolute Stille brauche
ich dazu nicht, im Gegenteil. Auch hier”, sagt er und meint das
Café „Capucchino” am Paseo Marítimo, „könnte ich prima texten.”
Auf Mallorca ist Rainhard Fendrich „so oft es geht”: „Aber mehr
als ein Drittel des Jahres schaffe ich es nicht, hier zu sein.”
Seine Finca „Sa Figuera” bei Sóller besitzt er schon seit 1994,
Hauptwohnsitz ist die Baleareninsel aber erst seit drei Jahren.
Jetzt ist der Künstler wieder nach Mallorca gekommen, um sich hier
auf seine Tournee durch Österreich, Deutschland und die Schweiz
vorzubereiten, die am 3. März beginnt.
Die dazugehörige neue CD „Hier + Jetzt” ist bereits im Handel,
und viele Songs darauf entstanden in seinem Aufnahmestudio in „Sa
Figuera”. „Die Ruhe, das mediterrane Lebensgefühl und die besondere
Energie hier”, sagt Rainhard Fendrich, prägten sicher in gewisser
Weise seine Lieder. „Und von der Musikalität her schleichen sich
auch spanische Einflüsse ein.”
Von den Mallorquinern, deren Wurzeln ja traditionell in der
Landwirtschaft lägen, hält er viel: „Es ist ihre noble
Zurückhaltung, die ich sehr schätze.” Zudem habe er feststellen
können, dass sich die deutschsprachige Klientel auf der Insel
positiv verändert hat: „Das mag auch daran liegen, dass man
Mallorcas Vorzüge als ganzjähriges Feriengebiet entdeckt hat und
der Extrem-Billig-Sauf-Tourismus vorbei ist.”
Dass sich Residenten, auch so prominente wie sein Kollege Peter
Maffay, zu Missständen auf der Insel äußern, hält er für richtig:
„Ich habe den Autobahnausbau hier zwar nicht kontinuierlich
verfolgen können, doch die Natur ist wirklich etwas sehr Kostbares,
wie auch die großen Strände, wo das Geld verdient wird.”
Andererseits findet Rainhard Fendrich es verständlich, dass „die
Budgetempfänger der EU die Gelder investieren, solange sie noch
fließen”. Denn: „Lange wird es das nicht mehr geben.”
Als Liedermacher versteht Rainhard Fendrich sich schließlich
auch selbst als „kritischer Beobachter” seiner Umwelt. Auf seiner
neuen CD „Hier + Jetzt” finden sich nicht wenige Songs, in denen er
soziale oder politische Missstände anprangert. In „Piroshka” etwa
geht es um Prostitution und Mädchenhandel; die
Entstehungsgeschichte solcher Lieder erfolge oft in mehreren
Etappen.
„Es begann mit einer Fernsehsendung über die russische Mafia,
die in den Dorfregionen der Ukraine in Ballettschulen geht und den
Mädchen dort eine Tänzerinnen-Karriere im Westen verspricht”,
erzählt der österreichische Liedermacher. „Dann gehe ich mit meiner
Lebengefährtin durch die Oranienburgerstraße in Berlin und sehe
diese wahnsinnig schönen Nutten.
Als letztes speichere ich am Bahnhof Zoo das Bild eines
Mädchens, das sich gerade einen Schuss setzt. So entsteht der
thematische Bogen, den ein solches Lied umspannt.” Rainhard
Fendrich versteht sich eben primär als „Singer-Songwriter, der
seine Gedanken in Text und Musik fasst und selbst
interpretiert”.
Und außerdem: „Ich kann nicht nichts tun”, gesteht der Künstler,
der am 27. Februar 51 Jahre alt wird. Vielleicht macht er deshalb
auch weiterhin Fernsehproduktionen – eine TV-Serie mit Peter Weck
als „Vater-Sohn-Geschichte” ist gerade in Arbeit – und probt
parallel für sein Musical „Kiss me Kate”, das im Sommer in
Wunsiedel bei Bayreuth mit seiner Lebensgefährtin in der Hauptrolle
aufgeführt werden soll.
Das Leben verändere sich halt dauernd, sei in „ständiger
Metamorphose”: „Routine bedeutet Stillstand.” Und wenn er wirklich
mal zur Ruhe kommen möchte, macht Rainhard Fendrich eine ausgiebige
Wanderung durch die Bergwelt im Norden Mallorcas zum „Mirador”: „Je
älter man wird, desto bewusster schätzt und genießt man jeden
einzelnen Tag. Ich lasse nichts mehr einfach an mir
vorbeistreichen.”
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