Die unmissverständlichen Angebote der jungen Spanier haben
Christiane nicht gefallen. „Ich habe doch einen festen Freund”,
sagt die Blondine und ist immer noch ein bisschen aufgebracht.
„Dafür bin ich nicht hierher gekommen.” Jetzt hat die 18jährige
genug und wartet vor dem Tito's auf die Rückfahrt zum Flughafen. Es
ist halb sechs am Sonntagmorgen und bitterkalt.
Christiane gehört zu den 64 jungen Leuten, die diese
Samstagnacht in Palma verbracht haben. Hübsch gemacht hat sich
Christiane am Abend noch in ihrer schwäbischen Heimat, zum
Ausschlafen wird sie schon wieder dort sein. Dazwischen ist sie mit
dem „Discoshuttle” nach Mallorca geflogen. So heißt der neueste
PR-Gag der Fluggesellschaft Condor: Flug am frühen Abend, Bus zur
Disco, Eintritt und Freigetränk inklusive, Busfahrt zum Flughafen
noch vor dem Morgengrauen, Rückflug – und das alles für nur 99
Euro.
„Es geht uns nicht ums Geldverdienen. Wir wollen mal was anderes
anbieten”, sagt Nina Dumbert von der Konzern-Pressestelle. Mallorca
sei wie geschaffen für ein solches Angebot. „Der Flug dauert nicht
allzu lange, die Strecke vom Flughafen ist nicht weit und die
Discos haben lange geöffnet.”
Dafür ist am Tito's aber noch nichts los, als die deutsche
Kurzzeit-Reisegruppe um halb elf dort eintrifft. Genau richtig für
Christiane und ihre Clique. „Ich hab's lieber, wenn es nicht so
voll ist”, sagt sie und macht sich auf den Weg vorbei an den
grimmigen Türstehern. Derweil lassen sich André und Andreas ihr
frisch gezapftes Kölsch schmecken. Allerdings nicht in der Kneipe,
sondern im Hotelzimmer. Damit alles möglichst so wie immer ist,
haben sie sich ihr Fünf-Liter-Fässchen aus der Heimat mitgebracht.
Sogar die stilechten Kölsch-Gläser haben sie dabei. Das Hotelzimmer
haben sie vor allem wegen der Dusche am nächsten Morgen gebucht: 50
Euro zu zweit, mit Frühstück.
Die beiden Jungs aus der Nähe von Speyer lassen es ruhig
angehen. Sie sind nicht zum ersten Mal in Palma und kennen die
spanischen Sitten: Vor zwei Uhr lassen sie sich nicht auf der
Tanzfläche blicken. „Ich muss unbedingt mein Spanisch verbessern”,
sagt Andreas: „Ich will nämlich eines Tages mal hier wohnen, und
das soll nicht mehr allzu lange dauern.”
Dafür reicht die Zeit in dieser Nacht dann allerdings doch
nicht. Genauso wenig wie für eine Stadtbesichtigung. Es ist längst
dunkel, als die beiden Flugzeuge aus Frankfurt und München landen.
„Hier rechts seht ihr die Kathedrale”, Knips, Knips – zu mehr als
ein paar verwackelten Fotos aus dem Bus reicht es bei den meisten
nicht. „Das ist auch nicht Sinn der Sache”, sagt Daniel Nykyforuk
vom Reiseveranstalter V-Tours, der die Einzelheiten vor Ort geplant
hat. Mit dem Mikrophon in der Hand steht er neben dem Busfahrer,
erklärt den Party-Leuten den Ablauf und streut hier und da sein
Palma-Wissen ein. Für einen Moment erinnert die Szene an eine
Klassenfahrt: „Jetzt habt ihr erstmal Zeit zu eurer freien
Verfügung”, sagt Nykyforuk, fügt dann aber unmissverständlich
hinzu: „Gebt richtig Gas!”
Und als in vielen deutschen Städten schon Sperrstunde ist,
kommen im Tito's die Go-Go-Tänzerinnen gerade zum ersten Mal
richtig ins Schwitzen. „Die sind schon nicht schlecht”, staunt
Michael. Eine der Damen um ein Erinnerungsfoto bitten – dafür
reicht dann bei einigen sogar das Spanisch. „Diese dunklen Augen:
Hier könnte ich mich 300mal an einem Abend verlieben”, sagt
Andreas. „Es ist bei den Spanierinnen nur schwierig, über die erste
Hürde zu kommen. Das schaffst du nicht an einem Abend.”
Während den einen die Nacht zu kurz, den anderen zu lang war,
ist Condor mit dem Ergebnis rundum zufrieden. Vor allem die
Resonanz in den Medien stimmt offensichtlich: Selbst Zeit und
Frankfurter Allgemeine haben Reporter mitgeschickt, Pro-Sieben und
Sat 1 sowieso.
Ein Gutes atte die Disco-Nacht letztendlich aber auch für
Christiane. „Ich habe auf jeden Fall 'was zu erzählen, wenn ich
wieder zu Hause bin”, sagt sie noch, bevor sie wieder in den Bus
zum Flughafen steigt. Es war ein Abenteuer, auch wenn sie dem
Werben des anderen Geschlechts bis zum Schluss tapfer widerstanden
hat.
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