Mallorca ist, neben vielem anderen, auch eine Insel für Nepper,
Schlepper, Bauernfänger. Mitunter lassen sich sogar Manager eines
Weltkonzerns von windigen Gesellen einwickeln, die unter der
Mittelmeersonne Zuflucht gesucht haben. Die Geschichte des
VW–Skandals ist bekannt. Konzernverwicklungen in Indien und Angola,
Entlassungen und Rücktritte in der Konzernspitze. Ein wichtiger
Teil davon ist auf Mallorca ausgekocht worden.
Die Beteiligten: ein von der spanischen Polizei gesuchter
Betrüger, ein Schuldenbuckel, ein Konzernvorstand,
Konzernmitarbeiter und die Republik Angola. Der Plan:
Skoda–Fahrzeuge sollen in das afrikanische Land exportiert werden,
die Provisionen dafür stecken sich die deutschen „Geschäftsleute”
und die ins Visier der Staatsanwaltschaft geratenen VW–Angestellten
in die Tasche. Die Geschichte beginnt wie so viele Räuberpistolen
auf Mallorca. Johann Johannsen und Hans–Christian Lengfeld leben
auf der Insel und versuchen, mit mehr oder weniger seriösen
Geschäften zu Geld zu kommen. Ein Privat–Ermittler aus Deutschland,
nennen wir ihn Rudi Schnell, zeigt MM einen ganzen Ordner
voller Akten, aus denen hervorgeht, dass Gläubiger, Geprellte und
der spanische Staat versuchen, von den beiden etwas
zurückzubekommen. Schnell, der sich darauf spezialisiert hat,
„verschwundene” Schuldner aufzutreiben, stößt im Zuge einer
Nachforschung auf den Angola–Deal. Wie er dieser Zeitung berichtet,
haben sich Lengfeld und Johannsen im Jahr 2003 in Palma
kennengelernt. Johannsen, gerade wegen Betruges verurteilt, und
Lengfeld, vormals viele Jahre bei VW in der Personalabteilung
tätig, kamen auf die Idee, Autos nach Angola zu exportieren. Das
stellten sie sich sehr lukrativ vor, vor allem, wenn es gelänge,
das Ganze steuerfrei aufzuziehen. Mit dieser Idee treten sie an die
VW–Tochter Skoda heran. Kapital haben sie keines. Außer Lengfelds
Connections zum VW Konzern und möglicherweise auch zu dem Skoda
Personalvorstand Helmuth Schuster und Klaus–Joachim Gebauer aus der
Wolfsburger Personalabteilung. Durch einen Treuhänder gründen sie
die Ancar Worldwide LLC im US–Steuerparadies Delaware. Die
verspricht dem VW Konzern und den angolanischen Behörden viel: Eine
Montagehalle in der Hauptstadt Luanda soll entstehen, denn um
Steuern und Zoll zu sparen, will man «Fahrzeugteile» einführen;
Autos, bei denen Kleinigkeiten abmontiert und später wieder
angeschraubt werden. Der Staat Angola geht davon aus, damit 2000
Arbeitsplätze zu schaffen. Die Anlaufkosten sollen immerhin 48
Millionen US–Dollar betragen.
Als VW einen Kapitalnachweis fordert, schreibt sich Johannsen
selber eine Bestätigung, dass die Holding Ancar, an der Schuster
und Gebauer beteiligt sind, über Mittel in Höhe von 30 Millionen
Dollar verfügt. Auch auf diesem Schreiben (das MM in Kopie
vorliegt) steht unter dem Ancar–Briefkopf eine Adresse in Palma.
Skoda schließt daraufhin einen Importeurvertrag mit der
amerikanischen Firma und zahlt einen Marketingzuschuß in Höhe von
200.000 Euro Mit einem Rechtsanwalt in Palma haben Johannsen und
Lengfeld eine Bürogemeinschaft. Der Jurist erklärt gegenüber MM,
dass Lengfeld nie als unseriös aufgefallen war – bis Johannsen
auftritt. Er habe ihn gewarnt vor dem „hochintelligenten und sehr
gefährlichen” Mann. Offensichtlich ohne Erfolg. Denn gemeinsam
organisieren die beiden neuen Geschäftspartner Treffen für
VW–Manager in einer luxuriösen Finca in Mallorcas Bergen. Die hohen
Herren lassen sich dabei anscheinend nicht nur von leichten Mädchen
und Spirituosen die Sinne vernebeln.
Das alles kostet Geld. Die 200.000 Euro sind bald weg, und der
Deal mit Angola steht immer noch nicht. Jetzt kommen Lengfeld und
Johannsen in Finanznöte. Lengfeld zapfte schon vorher Geld aus
einer Firma, deren alleiniger Geschäftsführer er ist. Darlehen in
Höhe von mehr als 400.000 Euro rechtfertigt er mit der Aussicht auf
satte Gewinne aus dem Angola–Geschäft. Das Unternehmen ist jetzt
pleite, allein Mitarbeiter laufen insgesamt mehr als 40.000 Euro
hinterher.
Im Dezember 2004 sind die Verträge mit Angola unter Dach und
Fach. Die Luft wird aber langsam dünn, denn erst im Mai 2005 will
man die ersten Wagen nach Angola exportieren und dafür die
Provision kassieren. Und im Volkswagen–Konzern wird die
Innenrevision wach. Gewarnt durch die Commerzbank riecht sie den
Braten. Jetzt lässt sie sich nicht mehr bremsen, wie das vorher
Schuster anscheinend mehrfach gelang. Der Konzern stoppt den ganzen
Deal. Lengeld hält sich zu dieser Zeit in Angola auf; die dortigen
Behörden ziehen seinen Pass ein. Von Mallorca war er schon im März
2004 verschwunden. Der Anwalt der Bürogemeinschaft erinnert sich:
„Plötzlich war er weg und kam nicht wieder.” Johann Johannsen geht
unterdessen weiter seinen zwielichtigen Geschäften nach, obwohl die
Skoda–Sache zum Desaster für alle Beteiligten gerät. Ermittler
Schnell spürt ihn für eine NDR– Reportage in einer großen Wohnung
mit Hafenblick in Palma auf; im Keller versteckte Johannsen seinen
roten Mercedes, der auf der Fahndungsliste steht. Die Eignerin der
Immobilie bekommt lediglich Geld für die Kaution und den ersten
Monat, danach zahlt Johannsen ein Jahr keine Miete. Die Vermieterin
droht mit Zwangsräumung, fluchtartig verlässt er die Wohnung,
hinterlässt dort Kleidung, Bücher und Gemüse im Kühlschrank.
Zunächst hält er sich in einem Hochhaus in Cala Major auf, dann
reist er durch verschiedene Länder Europas. Für das deutsche
Vorzeigeunternehmen Volkswagen AG ist das ganze ein großer Skandal.
Für Mallorca ist das eine Räuberpistole von vielen. Nur
interessiert sich ausnahmsweise die Welt außerhalb der Insel
dafür.
Ende der Geschichte. Ende der Geschichte? Gebauer hat seinen
Arbeitsprozess verloren, in dem er von VW eine Abfindung für die
fristlose Kündigung erstreiten wollte. Jetzt droht er mit neuen
Enthüllungen. Lengfeld steckt in Angola. Und Johannsen ist nach
Kenntnis des Ermittlers Rudi Schnell wieder auf Mallorca.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.