Man kann Mallorca von oben erkunden per Helikopter, von unten
mit dem U-Boot, man kann gemächlich mit der Bimmelbahn von Palma
nach Sóller tuckern, mit dem Boot rund um die Insel schippern, sich
im bequemen Reisebus zu den interessantesten Stellen bringen
lassen, im Jeep durch unwegsames Gelände heizen oder mit einem
Führer einen Zug durch die größten Diskotheken unternehmen. Obwohl
das Angebot an organisierten Ausflügen für Urlauber auf der Insel
immer breiter und ausgefeilter wird, nehmen immer weniger Menschen
an den Fahrten zu den Kultur– und Naturhighlights teil. Der Verband
der balearischen Reiseagenturen spricht von einem Rückgang der
Nachfrage um 30 Prozent: Sie würden ihre Angebote in Zukunft gerne
billiger und somit attraktiver machen – dürfen aber nicht.
Bislang sind die Ausflugsveranstalter gezwungen, für
touristische Fahrten im Vergleich zu einem Ticket für dieselbe
Fahrt mit einem öffentlichen Bus 100 Prozent Preisaufschlag zu
verlangen. „Sonst sind in Spanien 30 Prozent Aufschlag üblich”,
sagt Jaime Bauzá García, Präsident des balearischen Verbands der
Reiseagenturen (Aviba). Sein Verband würde die Preise für die
Touristenbusse gerne dem landesweit üblichen Satz anpassen. Doch
Verhandlungen zwischen Reiseagenturen, den Busunternehmern, die die
öffentlichen Linien bedienen, und den touristischen Busunternehmern
sind Mitte Juli vorerst gescheitert. Wie aus Reihen der
Agenturchefs verlautet, wehren sich einige Busunternehmer gegen
eine Verbilligung der Ausflüge, weil sie am Geschäft der illegalen
Kaffeefahrten mitverdienen und den „Manteros” keine Steine in den
Weg legen wollen.
Eine andere gut informierte Quelle der Reisebranche, die
namentlich nicht genannt werden will, spricht von
„Vetternwirtschaft in Ausschüssen und Regierungskreisen”. In
verantwortlichen Stellen seien Menschen an der Macht, die vor allem
ihre eigenen Interessen vertreten und an den illegalen
Verkaufsfahrten mitverdienen.
„Die Kaffeefahrten stellen ein großes Problem dar”, sagt Ludger
Trapp, Chefreiseleiter der LTU-Touristik (ITS, Jahn-Reisen,
Tjaereborg, kurz LTT). Denn sie ziehen nicht nur durch
Billigangebote die Kundschaft für reguläre Ausflüge ab, sondern
schaffen obendrein mitunter unzufriedene Urlauber. Um Matratzen,
Töpfe oder Decken an den Mann zu bringen, legen die Veranstalter
bei den Reisekosten pro Teilnehmer manchmal sogar drauf. Im Schnitt
holen sie das durch die Verkaufsveranstaltungen längst wieder
rein.
Auch wenn immer wieder vor solchen Bauernfänger-Touren gewarnt
wird, fallen nach Trapps Erfahrung regelmäßig Urlauber darauf
herein. „Das sind Mogelpackungen”, sagt er, die von gut geschultem
Personal verkauft würden. Er rate Urlaubern, Ausflüge nur bei
renommierten Veranstaltern zu buchen und nicht auf der Straße.
„Wenn was schief läuft, stehen die Urlauber sonst hilflos da. Die
Reiseveranstalter bieten immerhin auch hinterher noch einen
Ansprechpartner im Hotel.”
Von den rund 5.000 Gästen, die LTT während der Sommermonate pro
Woche nach Mallorca bringt, buchen seiner Erfahrung nach etwa 20
Prozent einen Ausflug. Er schätzt, dass mit den Kunden der anderen
großen Reiseveranstalter insgesamt etwa 5000 bis 6000 Deutsche pro
Woche an organisierten Ausflügen teilnehmen.
Einen Rückgang der Nachfrage beobachte er seit etwa zwei Jahren.
Er macht „das allgemeine Preisbewusstsein der Deutschen” dafür
verantwortlich. Der deutsche Urlauber spare derzeit an den
Nebenkosten und eben auch an den Ausflügen. Da viele Urlauber
„Wiederholungstäter” sind, sei das Angebot irgendwann erschöpft:
Man bemühe sich zwar, immer wieder etwas Neues ins Programm
aufzunehmen, aber es sei alles schon mal dagewesen: „Da können wir
nichts neu erfinden.” Derselben Meinung ist auch Aviba-Präsident
Jaime Bauzá: „Auf einer Insel kann man kein unbegrenztes Angebot
schaffen.” Die 230 Reiseagenturen auf Mallorca bieten etwa 60
verschiedene Ausflüge an. „Alle organisieren mehr oder weniger
dieselben Touren. Der Wettbewerb erfolgt über die Qualität.”
Es seien noch immer die vier Klassiker, die bei den Urlaubern am
besten ankommen: Seit den 50er, 60er Jahren werden die Touristen zu
den Höhlen bei Portocristo, nach Pollença und zum Cap Formentor,
die Serpentinenstraße hinunter nach Sa Calobra und an die Westküste
nach Deià und Valldemossa gebracht. „Das sind einzigartige Plätze,
die es nirgendwo sonst gibt.”
Später seien dann Nachtausflüge dazugekommen, die heute in
abgewandelter Form aktuell sind. So bringt etwa Thoams Cook seine
Gäste bei einer Disko-Tour „mit dem Party Shuttle” zu drei
angesagten Clubs in einer Nacht. Und führt Neugierige durch die
„Chaotenmeile” von Arenal bei Nacht mit dem Versprechen: „Vergessen
Sie alles, was Sie bisher durch die Medien gehört haben – die
Wirklichkeit ist noch viel verrückter”.
Thomas Cook, so „Resident Manager” Marleen Van Assche, habe in
diesem Jahr keinen Rückgang bei der Nachfrage an Ausflügen
verbucht. Je nach Urlaubsort und Hotel würden den Gästen andere
Ausflüge schmackhaft gemacht: Ob Familien mit Kindern,
Abenteuerlustige, Naturliebhaber oder Kulturinteressierte – für
alle ist etwas dabei. Sehr gut verkaufe sich neben der klassischen
Inselrundfahrt die Show im Son Amar: „Das hat einen guten Ruf und
ist absolut reklamationsfrei.” Natürlich können Mallorca-Besucher
die Insel auch auf eigene Faust mit dem Mietwagen erkunden.
Tipps für Ausflüge und über Sehenswürdigkeiten gibt unter
anderem das Touristeninformationsbüro an der Plaça de la Reina in
Palma. Leiterin Mercedes Truyols glaubt, dass die Zeit des
organisierten Ausflugs fast abgelaufen sei: „Mallorca ist heute
kein Ausland mehr für die Urlauber. Sie haben keine Angst mehr,
sich selbstständig zu bewegen.” Dazu müsse allerdings der
öffentliche Personennahverkehr deutlich verbessert werden: „Dieses
Thema wurde hier zu spät angegangen.”
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