Deutsche Touristen und Residenten treffen beim Einkaufen auf
Mallorca häufig auf alte Bekannte. Doch damit sind nicht Tante
Lisbeth, der Nachbar Schulz oder das Vereinsmitglied Meier aus der
Tanzgruppe gemeint. Vielmehr handelt es sich um Geschäfte und
Handelsketten, wie sie einem aus Deutschland vertraut sind:
Drogeriemärkte wie Müller und Schlecker, Lebensmittelgeschäfte wie
Lidl, Aldi und Minimal, Modegeschäfte wie Gerry Weber, S. Oliver
und New Yorker, Parfümerien wie Douglas, und selbst das Unternehmen
für Naturheilmittel, Kräuterhaus Sanct Bernhard, ist auf Mallorca
mit zwei Geschäften vertreten.
Gerade in den vergangenen Jahren haben die deutschen
Niederlassungen auf der Insel und parallel dazu auch auf dem
spanischen Festland deutlich zugenommen. Und der Trend scheint
nicht zu Ende zu sein. Vor wenigen Monaten erst eröffnete die
Handelskette Lidl an der Vía Cintura und an der Autobahn in
Richtung Flughafen zwei neue Verkaufshäuser mit Parkplätzen.
Auch wenn die Lidl-Zentrale in Neckarsulm keine
Unternehmensangaben machen möchte, ist bekannt, dass auf der Insel
fünf Niederlassungen eröffnet wurden, davon drei in Palma, eine in
Palmanova und eine in Inca. Das Wachstum ist jedoch nicht auf die
Insel allein beschränkt, sondern erfolgte im Rahmen einer
forcierten Expansion. Seit Anfang der 90er Jahre ist Lidl "in fast
allen Ländern Europas zu finden", heißt es im Internetauftritt.
Ein deutsches Unternehmen, dass in Spanien seine
Unternehmenstätigkeit allein auf Mallorca konzentriert, ist die
Drogeriemarktkette Müller. Die Firma mit Sitz in Ulm, die in diesem
Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert, ist seit einem Jahrzehnt auf
der Insel präsent. Der Grund: Es ist kein Geheimnis, dass der
Unternehmensgründer Erwin Müller ein großer Liebhaber Mallorcas ist
und sich hin und wieder im Osten der Insel aufhält.
„Bei so vielen Deutschen auf Mallorca – warum soll unser Konzept
nicht auch hier funktionieren”, dachte sich Müller, wie sein
Geschäftsführer auf Mallorca, Clemens Häufele gegenüber MM
sagte. Die ersten beiden Niederlassungen wurden 1993 in Inca und
Manacor eröffnet, nach Palma kamen in den vergangenen drei Jahren
Filialen in Andratx und Llucmajor hinzu. „Mit neun Filialen haben
wir die Insel relativ komplett abgedeckt.”
Verwaltet werden die Mallorca-Niederlassungen von der
Müller-Zentrale in Capdepera. Rund 125 Mitarbeiter, davon sechs
Deutschsprachige, zählt die Belegschaft. Jede Woche starten am
Zentrallager in Ulm zwei bis drei 16-Meter-Lastzüge, die über die
Schiffroute Barcelona-Palma für Nachschub sorgen. Rund 65 Prozent
des 60.000 Produkte umfassenden Sortiments stammen aus
Deutschland.
Obgleich nach Häufeles Worten in den Läden vieles wie in der
Heimat organisiert ist, müssen die Müller-Kollegen auf der Insel
weitaus vorausschauender planen als ihre Kollegen in der
Bundesrepublik. Droht in einer Geschäftsstelle ein Produkt zur
Neige zu gehen, ist der Bestand in Deutschland bereits am nächsten
Tag wieder aufgefrischt. Auf der Insel müssten dagegen bis zu sechs
Tage einkalkuliert werden.
Die aus Deutschland eintreffenden Produkte erhalten auf Mallorca
ein Etikett mit spanischer Übersetzung und Inhaltsangabe
aufgeklebt. Dem Unternehmen ist es gelungen, neben deutschen auch
mehr und mehr spanische Kunden anzuziehen. An den Standorten Inca,
Mancor und in Palmas Einkaufsstraße Sindicat sind mittlerweile weit
mehr als die Hälfte der Klienten Einheimische.
Einen Exoten-Bonus hat Müller auf der Insel nach Häufeles Worten
nicht. Auf Experimente mit fremden Produkten ließen sich die
Mallorquiner selten ein. Sie fragten aber wohl nach Artikeln, die
sie etwa auf Reisen oder bei deutschen Bekannten kennen gelernt
haben. Erfolg hat Müller bei Spaniern etwa mit saisonalen Süßwaren:
„Osterhasen waren ein Renner.”
Deutsche Residenten wissen das breite Angebot der deutschen
Handelsketten zu schätzen. Für manche von ihnen sind die
Müller-Märkte häufig die einzige Möglichkeit, bestimmte Produkte
aus Deutschland zu erhalten. „Zum Beispiel neue Beutel für unseren
mitgebrachten Staubsauger, passende Kaffeefilter, oder ein
spezieller Brei für Babys...”, erzählt eine junge Deutsche, die mit
ihrer Familie in Palma lebt. Hinzu kommen nach ihren Worten
deutsche Markenartikel für Kosmetik wie Deo-Stifte, Haargel oder
Hautcremes. Schlecker dagegen bevorzugt die Frau wegen manch
preisgünstigem Produkt, vor allem die hauseigene AS-Marke für
Reinigungsmittel wie Geschirrspülmittel, Glasreiniger und
Waschpulver.
Andere Residenten wiederum schwören auf Lidl. Vor allem die
wöchentlichen Sonderangebote haben bei so manchem regelrechte
Jägerinstinkte geweckt. „Also, meine Frau findet da immer was”,
sagt ein Mallorca-Resident. An Deutschland erinnern die Lidl-Märkte
auch deshalb, weil dort die Einkaufstüten nicht wie in Spanien
kostenlos abgegeben werden. So mancher trägt seine Einkäufe im
Karton nach Hause, so wie das in der Bundesrepublik häufig auch bei
Aldi gehandhabt wird.
Apropos Aldi. Der Schriftzug ist mitunter auch an Geschäften auf
der Insel zu finden. Zu unrecht. „Wir haben auf Mallorca definitiv
keine Geschäftsstellen”, sagte eine Unternehmenssprecherin in der
Zentrale in Essen. Es sei jedoch bekannt, dass mancher
Kioskbesitzer selbst in der Dominikanischen Republik ein
Aldi-Schild an seinen Laden nagelt „und versucht, eine Mark mehr zu
machen”. Aldi ist jedoch sehr wohl auf dem spanischen Festland auf
dem Vormarsch. Seit April 2002 hat das Unternehmen dort 31 Filialen
eröffnet.
Minimal hat ein ähnliches Problem wie Aldi. „Wir kennen zwei,
drei Läden auf der Insel, die sich als Minimal ausgegeben”, sagt
Rewe-Pressesprecher Wolfram Schmuck. Das Unternehmen sei jedoch in
Spanien nicht tätig. „Wir haben die Leute verklagt. Sie nutzen
unseren guten Namen, um deutsche Touristen irrezuführen.” Das
Verfahren läuft. Manch anderes Unternehmen wird meist für deutsch
gehalten, hat seinen Sitz jedoch in den Niederlanden, wie Spar,
oder in Belgien, wie C & A.
Ein anderes deutsches Unternehmen, dass Mallorca quasi als
Sprungbrett in den spanischen Markt benutzte, ist die
Braunschweiger Modefirma New Yorker. 1999 erröffnete sie zwei
Filialen in Palma. Einer der Gründe: Die Unternehmensbosse kannten
die Insel als Feriendomizil, spannen hier mitunter auf der eigenen
Finca aus.
„Wir hatten gleich die Spanier als Kunden im Blick, denn von den
Touristen allein kann man nicht leben”, sagt der für Spanien
zuständige Geschäftsführer Markus Weber. In Palma sind 90 Prozent
der Kunden Mallorquiner. Mittlerweile hat das Unternehmen 15
Niederlassungen, nicht nur in Metropolen wie Madrid und Barcelona,
sondern auch in Unterzentren wie Málaga, Bilbao, Saragossa und
Gijón. Und es wird weiter expandiert. „Spanien ist ein
aufstrebender Wachstumsmarkt. Wir lieben Spanien.”
Auf Expansionskurs sieht sich auch das westfälische
Mode-Unternehmen Gerry Weber. „Wir starteten 1997 in Palma. Zum
Testen”, sagt der Sohn des Firmengründers, Udo Weber. Die
Erfahrungen mit Spanien fielen so positiv aus, dass die Firma
derzeit mit einer Kaufhauskette verhandelt, um in Zukunft
Gerry-Weber-Shops im ganzen Land zu etablieren. Udo Weber ist
mindestens einmal im Monat auf der eigenen Finca, um im Geschäft
nach dem Rechten zu sehen. „Das hat manchmal einen Nachteil. Statt
Kurzurlaub ist es dann doch wieder nur Arbeit gewesen.”
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