Die knapp einwöchige Irrfahrt des havarierten Tankers „Prestige”
hat am Dienstag ein Ende gefunden. Etwa 250 Kilometer vor der
galicischen Küste brach das unter der Flagge Bahamas fahrende
Schiff in zwei Teile und sank. Die „Prestige” hatte rund 77.000
Tonnen Dieselöl an Bord. Wieviel sich davon nun in etwa 3600 Meter
Tiefe befinden, ist noch ungewiss. Unterdessen hat ein riesiger
Ölteppich bereits weite Teile der spanischen Küste erreicht.
Kann es zu einem derartigen Unfall auch im westlichen
Mittelmeer, vor den Balearen etwa, kommen? Im Prinzip ja, auch wenn
José Ramón Bergueiro zu beschwichtigen versucht. Der Doktor der
Chemie hat – der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt sein können –
vor wenigen Tagen den ersten Notfallplan für Tankerunglücke für die
Balearen vorgelegt. „Erstens sind die Wetterverhältnisse im
Mittelmeer nicht mit jenen des stürmischen Atlantiks vergleichbar”,
begründet er seinen Optimismus, „und zweitens nähern sich den
Balearen in der Regel nur Tanker mit einer Fracht zwischen 20.000
und 35.000 Tonnen”. Der Experte schätzt, dass pro Jahr rund 150
Tanker die Gewässer der Balearen passieren. Und sollte es doch zu
einer Kollision oder einer Havarie kommen, sei man mit dem eben
vorgestellten Notfallplan „gut vorbereitet”.
Die Experten von Greenpeace bewerten die Situation im Mittelmeer
weniger optimistisch. Der frühere Generalsekretär von Greenpeace
Spanien, Xavier Pastor, wundert sich, dass bisher in der Region
noch nichts passiert ist. „Das Mittelmeer ist das meistbefahrene
Meer der Welt.” Für besonders anfällig hält er die Straße zwischen
Alicante und Ibiza sowie die Meerenge zwischen Mallorca und
Menorca. Im Falle eines Worst-case-Szenarios hätte das Mittelmeer
gegenüber dem offenen Atlantik Nachteile, sagt Mitstreiter und
Meeresbiologe Thilo Marck. „Zum einen geht hier der Wasseraustausch
langsamer vonstatten, und zum anderen besteht eine größere Gefahr,
dass ein Ölteppich auch die Küsten erreicht.”
Aber zu einem medienträchtigen Tankerspektakel muss es gar nicht
kommen. Greenpeace schätzt, dass durch illegale Tankreinigungen und
verbotenes Ablassen alljährlich rund 600.000 Tonnen Öl ins
Mittelmeer fließen.
Momentan richtet sich das Augenmerk der Öffentlichkeit jedoch
auf den Nordosten Spaniens. Zwar ist die „Prestige” nun aus den
Augen, doch noch lange nicht aus dem Sinn. In Galicien haben sich
in den vergangenen Tagen Umweltexperten aus verschiedenen Ländern
eingefunden – wer zunächst durch Abwesenheit glänzte, war der
spanische Umweltminister Jaume Matas.
Noch ehe der Tanker in rund 3600 Meter Tiefe versank, liefen aus
den leckgeschlagenen Containern schätzungsweise bis zu 20.000
Tonnen Dieselöl. Am Donnerstag bedrohte nach Berichten der
Tageszeitung „El Mundo” ein etwa 20 Kilometer langer Ölteppich die
galicische Küstenregion um die Städte Noia und Corcubión.
Umweltminister Matas sagte am Mittwoch, dass von der galicischen
Küste bereits 295 Kilometer von einer Ölpest betroffen seien. Der
Schaden werde auf 42 Millionen Euro geschätzt.
Auch an der Unglücksstelle ist die Gefahr noch nicht gebannt.
Zwar verdicke sich in der Tiefe das Öl durch die niedrige
Wassertemperatur und den hohen Druck. Für Christian Bussau von
Greenpeace ist dennoch die Artenvielfalt der Tiefsee bedroht. Wegen
des stattfindenden Austausches von Nährstoffen gelangten zudem die
giftigen aromatischen Kohlenwassestoffe über die Fische in die
Nahrungskette.
Mit seiner Kritik richtet sich der Umweltexperte vor allem an
die International Maritime Organisation IMO und deren laxe
Bestimmungen. „Derzeit sind weltweit 3620 Tanker mit über 25 Jahren
und nur einer Außenhülle unterwegs – das sind schwimmende
Zeitbomben.” Daran ändert auch die neue Bestimmung aus dem Jahr
1999 nichts, wonach jetzt Tankschiffe nur noch mit einer
Doppelhülle gebaut werden. Er fordert verschärfte
Sicherheitsbestimmungen und vor allem einen „save haven” in Europa.
Einen solchen Notfallhafen gibt es bisher in Europa nicht. Des
Weiteren müssten sämtliche Tanker über 20 Jahre automatisch aus dem
Verkehr gezogen werden. Schließlich wünscht sich Bussau eine
europäische Küstenwache, die bei Unfällen schnell und
unbürokratisch handelt.
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