Es war der schlimmste Sturm seit mehr als 50 Jahren: Das
Unwetter, das am vergangenen Wochenende über Mallorca und die
Nachbarinseln hinwegfegte und sich ab Mittwoch in schwächerer Form
wiederholte, hat vier Todesopfer gefordert.
Das Ausmaß der Schäden, die Windböen von über 130
Stundenkilometern und anhaltende Niederschläge verursacht haben,
war auch knapp eine Woche nach Beginn des Chaos am Samstag abend
noch nicht zu beziffern. Besonders hart getroffen wurden Natur und
Landwirtschaft. Mehr als 75.000 Bäume wurden entwurzelt oder
knickten ab, Strände vernichtet, Felder zerstört. Tausende Menschen
waren zeitweise ohne Strom und Verbindung zur Außenwelt. Die
Balearenregierung hat in Madrid beantragt, die Balearen zum
Katastrophengebiet zu erklären.
Seit Mittwoch abend hält ein zweites Unwetter mit extremen
Niederschlägen und starken Winden Behörden und Bevölkerung in Atem.
Die Balearenregierung richtete einen Krisenstab ein und
mobilisierte 3000 Helfer, die mit Aufräumarbeiten begannen und
Straßen, Häfen und Gebäude sichern.
Über die Medien wurden Warnungen an die Bevölkerung ausgegeben:
„Vermeiden Sie unnötige Fahrten mit dem Auto. Nähern Sie sich nicht
dem Meer und den Torrentes. Suchen Sie bei starkem Wind keinen
Zuflucht unter Bäumen oder an Mauern. Gehen Sie nicht in die Berge
und vermeiden Sie Aktivitäten im Freien.” Um Unfälle zu vermeiden,
wurde der Unterricht in den Schulen für Donnerstag und diesen
Freitag ausgesetzt. Abgesagt wurde auch weitgehend Mallorcas
größter Jahrmarkt, der „Dijous Bo” in Inca.
Am Donnerstagmorgen schien es bereits, als könnte bald
Entwarnung gegeben werden. In einer Pressekonferenz teilte Agustí
Jansa, der Chef des Meteorologischen Instituts, mit, dass das
Unwetter in der Nacht zwar vor allem den Norden Mallorcas
heimgesucht, dann aber aufs offene Meer abgedreht habe. Nach wie
vor sei aber mit extremen Regenfällen zu rechnen, die in einigen
Teilen der Insel für Überschwemmungen sorgten. Am Nachmittag
verkündete die Balearenregierung schließlich, der Alarmzustand
werde aufrecht erhalten.
Der Torrent Major in Sóller werde wahrscheinlich über die Ufer
treten, auch im Naturschutzgebiet Albufera gab es Überschwemmungen.
In Porto Colom drohten am Donnerstag zwei Schwimmstege losgerissen
zu werden, an denen 60 Boote befestigt sind. Und es mussten wieder
etliche Straßen auf der ganzen Insel gesperrt werden, weil sie
überflutet waren oder Bäume auf die Fahrbahn fielen.
Mit den Folgen des Supersturms wird Mallorca noch eine ganze
Weile leben müssen. Vier Familien trauern um die Menschen, die seit
Samstag wegen des Wetters ums Leben kamen. Jorge Blásquez, ein
Taxifahrer aus Palma, starb am Sonntag um 3 Uhr, als er zwei
englische Fahrgäste auf dem Paseo Marítimo Richtung Porto Pí
beförderte und eine große Pinie auf das fahrende Auto stürzte. Die
beiden Passagiere kamen verletzt ins Krankenhaus.
Am Sonntag verunglückte Vicente Chinchilla Hernández, ein
Arbeiter der Gemeinde Calvià. Er wurde von einem großen Stamm
erschlagen, als er versuchte, den auf die Straße gestürzten Baum
mit einem Kran zu beseitigen. In Can Picafort starb ein 15-Jähriger
am Dienstag, als er mit seinem Mofa gegen einen auf die Straße
gestürzten Baum fuhr. Das vierte Todesopfer war ein Elektriker der
GESA. Bei der Beseitigung der Sturmschäden in Mal Pas (Alcúdia)
bekam er am Donnerstag gegen 10 Uhr einen 15.000 Volt-Stromschlag,
den er nicht überlebte.
Am Donnerstag waren noch rund 700 Haushalte auf Mallorca ohne
Elektrizität. GESA schloss nicht aus, dass der zweite Sturm weitere
Ausfälle bewirken kann. Viele Menschen, die tagelang ohne Licht,
Warmwasser und Heizung ausgeharrt hatten, suchten schließlich in
Hotels oder bei Freunden Unterschlupf. Einige Urlauber wurden in
andere Hotel verlegt.
Dramatische Szenen spielten sich am vergangenen Wochenende vor
allem an der Nordostküste Mallorcas ab. Der Privathafen Cocodrillo
in der Bucht von Pollença wurde erheblich zerstört, der Schaden im
Port wird vom Präsidenten der Vereinigung der Yachthäfen der
Balearen, Bartomeu Bestard, auf 300 Millionen Pesetas beziffert.
Etwa ein Dutzend Boote seien dort gesunken.
In den restlichen Privathäfen sei es Dank des unermüdlichen
Einsatzes des Hafenpersonals und der Bootsbesatzungen zu keinen
größeren Zwischenfällen gekommen. Miguel Félix Chicón, der Leiter
des staatlichen Seerettungsdienstes Salvamento Marítima, berichtet
von mehr als 30 gestrandenen Yachten zwischen Alcúdia und Pollença,
„dazu kommen noch viele kleinere Boote”.
Auf dem Meer war die Situation am Samstag am bedrohlichsten. Vor
dem Cap Formentor wurden laut Chicón Wellen mit einer mittleren
Höhe von zehn Metern gemessen. Die größten dürften zwölf, dreizehn
Meter hoch gewesen sein. Etliche Male mussten die Rettungsschiffe
und Helikopter der Behörde ausrücken, um Menschen im Unwetter aus
Seenot zu retten. Manchmal war Leichtsinn mit im Spiel, wie im
Falle eines Segelboots mit drei Deutschen an Bord, die am Samstag
trotz Sturmwarnung von Ibiza aus in See stachen, während selbst die
großen Fährschiffe den Betrieb zeitweise ganz einstellten.
Auch am Donnerstag hielt die Gesellschaft Trasmediterranea ihre
Schiffe in den Häfen zurück. Palmas Flughafen meldete während der
Sturmtage keine nennenswerte Störungen.
Chaotisch blieb die ganze Woche die Situation auf Mallorcas
Straßen. Ein Bild der Verwüstung bot die Straße zwischen Alcúdia
und Port de Pollença. Wo die Wellen den Straßenbelag nicht total
abgetragen hatten, glich die Strecke mehr einem Trümmerfeld mit
Steinen und Bäumen denn einer Fahrbahn. Auf allen Straßen der Insel
gilt nach wie vor: Vorsicht vor Steinen und umgeknickten
Bäumen.
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