Sommer ist Eis-Zeit auf Mallorca.

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VON ANGELA HELBING UND SABINE SCHMÖLLER
Je heißer es ist, desto länger werden die Schlangen vor den Eisdielen. Die Entscheidung fällt nicht leicht, das Sortiment ist groß. Nach der getroffenen Wahl: verschmierte Münder, strahlende Augen, zufriedene Menschen. Eis macht glücklich. „Eis ist ein Nahrungsmittel, das die Stimmung hebt”, sagt Silvio Castagnotto, Inhaber von „Dolce Freddo” in Palma, Calle de la Riera. „Die Welt des Eises ist unbegrenzt. Man kann Eis aus allem machen, immer neue Geschmacksrichtungen finden”, weiß er. Ingwer-, Bohnen- oder Sesameis bereitet er für indische oder japanische Restaurants zu, denn „Süße ist kein Gebot beim Eis”.

Unbegrenzt ist auch der Eismarkt. Castagnotto hat Filialen in Venezuela, Amerika, Mallorca, Deutschland und natürlich in Italien. Wie bei vielen Italienern führte der Weg nach Mallorca über Deutschland. Schon seit 30 Jahren stellt er selbst Eis her. Berühmt ist er 1995 geworden, als er offiziell das Joghurt-Eis aus der Taufe gehoben hat, „das vor allem Frauen lieben, weil es weniger Kalorien hat”. Verstehen kann er die Angst um das Gewicht nicht: „Vor allem hier auf Mallorca isst man fett und viel. Aber beim Nachtisch zieren sich die Leute plötzlich und essen kein Eis, weil das dick machen könnte.” Zu Unrecht, denn „Eis ist der beste Verdauungsschnaps. Nichts tut dem Magen so gut wie ein tolles Zitronensorbet”, so Castagnotto.

Für Luigi Dinunni, Betreiber eines Eiscafés in Peguera, ist auch klar, dass das in Eigenfabrikation hergestellte Eis nicht zu schlagen ist. Eine Sünde ist es schon gar nicht: „Konditoreis macht nicht dick, weil es aus Milch besteht. Das Industrieeis besteht aus Sahne, weil das Eis so länger haltbar ist und bei höheren Minustemperaturen gelagert werden kann.” Auch Dinunno war erst 32 Jahre in Deutschland, bevor er nach Mallorca kam. Schon sein Vater eröffnete 1922 in Berlin eine Eisdiele. Dinunnis Produkte wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet. Dieses Jahr hat sein Mandarinen-Eis auf der italienischen Eismesse in Lagarune (Dolomiten) den dritten Platz gemacht. Seine besten Kunden: „Die Deutschen.” Dinunni und seine Frau Anna arbeiten von morgens bis nachts, er macht das Eis, sie steht hinterm Tresen. Ihre Spezialität sind bunte, phantasievolle Becher wie die „Copa Venecia” oder die „Copa Amore”. Jeweils vier Kugeln, Früchte, Likör und Waffeln zu 600 Pesetas. Eine Kugel in der Waffel kostet 150 Pesetas, Sahne 100 Pesetas extra. Die gleichen Preise hat das „Dolce Freddo”. Die teuerste Copa bei Dinunni kostet 1175 Pesteas, da wird alles in einer frischen Ananas serviert.

In Dinunnis Küche steht eine gigantische Pasteurisiermaschine. Hier hinein wird die frische Milch gegeben und auf 85 Grad erhitzt, um die Bakterien abzutöten. Danach, zwei Stunden später, kommt die Masse in die Eismaschine. Am Tag produziert Luigi 60 Liter Milchspeiseeis und 20 Liter Früchteeis.

Er hat 38 Eissorten und 40 Eisfächer, das Eis lagert bei minus 18 Grad. Lagerungstemperatur, und die Auflage, dass nur pasteurisierte Eier verwendet werden dürfen, sind die einzig strengen Vorschriften für die Eisproduktion in Spanien. Im allgemeinen geht es lockerer als in Deutschland zu. Dinunni: „Wir hatten zwei unangekündigte Kontrollen. Aber als sie sahen, wie sauber das hier alles ist, haben sie ein bißchen probiert und sind wieder gegangen.” Die Eisfabriken verfügen über eigene Labors, um eine ständige Qualitätskontrolle zu gewährleisten. Enrique Esteve, Geschäftsführer von „La Menorquina”, einer führenden Eisfirma auf den Balearen, erzählt: „Bei uns kommt das Gesundheitsamt schon öfter und auch unangemeldet vorbei. Aber die Eisproduktion ist computerüberwacht, passieren kann nicht viel. Statt Früchte zum Beispiel, deren Geschmack man schlecht voraussagen kann, müssen für das Industrieeis natürlich künstliche Produkte verwendet werden”, so Esteve.

Die Konditoren verzichten größtenteils auf künstliche Zutaten. Um ihr Eis schmackhaft zu machen, kaufen sie häufig im Ausland ein. Wie Dinunni auch: „Man muss in der ganzen Welt suchen, um das beste Eis zu machen. Was hier nicht wächst, muss ich importieren”, so meint auch Miguel Solivellas, Besitzer von Can Miguel, einer der bekanntesten Eisdielen Palmas.

Mallorca ist ein Eisparadies. Ohne den Tourismus würde dieser Markt aber gar nicht bestehen. Die Mallorquiner, aber auch die Spanier im allgemeinen sind dem Eis wenig zugetan. Nicht nur, weil sie sich figurbewusster wähnen. Vielmehr, weil Eiscreme nur im Sommer Tradition hat. „In den nördlichen Ländern Europas isst man Eis das ganze Jahr über. In Zahlen: 18 Liter im Jahr ist der Prokopfverbrauch im Norden, nur sechs Liter in Spanien. Vor allem die Deutschen sind verrückt danach. Die Spanier haben es noch nicht so entdeckt. Wenn es heiß wird, gehen sie mal in die Eisdielen, aber zu Hause greifen sie im Sommer zum Nachtisch eher zu Früchten”, behauptet Esteve.

Die wichtigsten Kunden für seine Firma „La Menorquina” sind die Deutschen. Die schlecken das Eis am Stiel oder holen sich mit Vorliebe die großen Portionen aus dem Supermarkt. „30 Prozent verkaufen wir auf den Balearen an die Deutschen. Es wäre ein Wahnsinn, wenn der Tourismus einbräche”, so Esteve. Neben „La Menorquina” gibt es an Speiseeis, das auf Mallorca produziert wird, noch „Bellver”, „Jop” und „Fet a Sóller”. „Frigo” und „Camy” zum Beispiel agieren europaweit. Nach Deutschland exportiert keine balearische Eisfirma im großen Rahmen. Der Geschäftsführer von „Jop”, Jaime Pamar, dessen Betrieb in Campos schon seit 40 Jahren besteht, erklärt: „Die Deutschen kaufen hier unser Eis, zu Hause wohl nicht.” Esteve sieht das anders: „Die Deutschen lieben Mallorca, Eis von hier würde sicher laufen, aber wir wissen noch nicht, wie wir vorgehen könnten”, so Esteve.