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Sie schauen einen an, mit großem, aufgerissenem Maul. Mal enthäutet, dann sogar gänzlich vom restlichen Körper abgetrennt. Frisch gefangen und auf Eis gebettet liegen dort der edle und hochpreisige Gallo de Sant Pere (Petersfisch), der wie ein Urfisch aussehende rote Cap Roig (Drachenfisch), der feine Rape (Seeteufel) und allerlei populäre, kleinere Fische wie die Salmonetes (Rotbarbe) oder Caballas (Blasenmakrele).

Es ist wuselig um neun Uhr morgens in Palmas Fischhalle des Olivar-Marktes. Gines Manuel und Tochter Maria Victoria von Peixos Blanco tragen wasserfeste Schürzen, Maske und Handschuhe. Sie greifen tief in die eisgekühlte Ware, heben den silbrig glänzenden Fisch hoch, damit die Kundin, eine erfahrene Mallorquinerin im roten Kleid, ihn eingehend betrachten kann. Denn sie kennt sich aus. Ein Tintenfisch, mehrere Portionen Krabben und Shrimps wandern in ihren Einkaufswagen. Daraus zaubert sie womöglich den Calamar farcit, den bei Mallorquinern beliebten, mit Schweinehack, viel Petersilie, Knoblauch und Majoran gefüllten Tintenfisch.

Das Meer vor der Haustür erlaubt es den Inselbewohnern, kräftig aus den hiesigen Gewässern zu schöpfen. Auf Mallorca sind Fische und Meeresfrüchte daher auf der Speisekarte deutlich präsenter als in Deutschland. Wer allerdings, wie viele Zugezogene, nicht von klein auf daran gewöhnt ist, Fisch, Muscheln oder Krabben zuzubereiten, steht häufig ein wenig verloren vor den ausgebreiteten Meeresbewohnern.

Auf Mallorca ist der dicke Cap Roig, der gerne auf einem Bett aus Kartoffelscheiben im Ofen zubereitet wird, sehr beliebt. Auch der Petersfisch, der flach wie eine Flunder aussieht, aber nicht zu den Plattfischen gehört, wird hier gerne frittiert oder per „plancha”, auf einer heißen Grillplatte im Ganzen schonend und schnell gegart. Das Fleisch bleibt dabei schön fest und saftig. Ein kleiner Beilagensalat und ein paar frittierte Zwiebelringe obendrauf als Garnitur reichen aus, um das Fischgericht abzurunden.

Die Saison eines Fisches hängt von Strömungen, Laichzeiten und Wassertemperatur ab. Jetzt im August ist die Zeit der Languste. Gewünscht ist das edle Meerestier für die Feierlichkeiten am Ende des Jahres. „An Weihnachten isst man gerne die Languste, kauft sie aber bereits jetzt und friert sie ein”, erklärt Maribel vom Stand Peixes S’Ancora. Ab 45 Euro pro Stück ist sie eine Delikatesse.

Gines Manuel bezieht seinen Fisch früh morgens in der Lonja, der Fischbörse. Per Versteigerung gehen die Llampugas (Goldmakrele) oder Kabeljaue dort über den Tresen. Llampuga, nach dem Blitz (llamp) benannt, taucht in der Regel erst Ende August auf, nach den Spätsommergewittern. Die Goldmakrele, ein blauer Fisch, der sich mit dem Alter weiß verfärbt, schmeckt köstlich zu frittierten Paprikascheibchen und Kartoffelecken.

Gines Manuel hat sich mit Peixos Blanco auf Fische aus mallorquinischen Gewässern spezialisiert. „Je nach Meeresgrund, Felsen oder Pflanzenwelt schmecken die Fische unterschiedlich”, sagt Manuel. Er empfindet mallorquinische Fische als besonders schmackhaft.

Vor ihm ausgebreitet liegen „echter Bonito”, eine Tunfischart, die sich zum Einlegen in Öl eignet, Salmonete (Rotbarbe) und kleine Boquerones (Sardellen). Letztere sind köstlich im Ganzen mit Mehl eingestäubt und frittiert. Verputzt werden sie ebenfalls als „Einheit”, also mit Kopf und allem drum und dran.

Maribel und ihr jüngerer Bruder am Stand wenige Meter weiter rechts sind ebenfalls erfahrene Fischverkäufer. Ihr Angebot umfasst auch Fische aus anderen Gewässern als rund um Mallorca, einige davon kommen aus Fischzuchten im Meer. Dort werden sie gefüttert und kontrolliert gezüchtet.

Die Dorade, die sie verkaufen, ist dementsprechend imposant. Bernardino Alba vom Verein für nachhaltige Fischerei sieht das kritisch. In der Meereszucht schwämmen die Fische weniger als „wild” im offenen Meer. Das Fleisch schmecke entsprechend anders.

Unerfahrene sollten keine Scheu vor dem Fischkauf haben. Die Verkäufer sind ausgesprochen hilfsbereit, beraten gerne, welcher Fisch sich für welches Gericht eignen könnte, geben Tipps bei der Art der Zubereitung und entgräten oder nehmen ihn vor Ort mundgerecht aus.

Wer sich an einen mallorquinischen Klassiker heranwagen möchte, dem sei eine Lubina oder ein Bacalao (Kabeljau) „à la mallorquina” empfohlen. Auf dem beliebten Bett aus Kartoffeln als Grundlage, den Fisch mit einer Mandelsoße einstreichen und anschließend im Ofen mit einer dichten Schicht aus Mangold, Tomate und Petersilie bedecken. Unter diesem Gemüsegewand dünstet der Fisch herrlich vor sich hin.

Besonders geschätzte Gäste kann man mit etwas Besonderem beeindrucken: Einem Rapegericht (Seeteufel). In einem Fischfond, dem „Fumet” und angereichert durch ein „Suquet”, eine Soße aus Kartoffeln und Mandeln, wird dieser edle Fisch kurz in den Sud gegeben, um zu ziehen. Am Ende, wie könnte es anders sein, wird er liebevoll auf ein Bett aus Kartoffeln gebettet. Bon profit!

Ein Tipp: Immer fangfrischen, lokalen Fisch auswählen. In vielen Orten Mallorcas wie Cala Rajada, Alcúdia oder Port de Sóller kann man am Nachmittag, wenn die Fischer vom Meer zurückkehren, direkt von den Booten weg den Fang einkaufen.

(aus MM 33/2020)