Sie waren das Liebespaar des Jahrhunderts: Ex-„Spiegel"-Reporter stellt auf Mallorca sein neues Buch vor
„Marlene hatte die Hosen an", sagt Thomas Hüetlin über die leidenschaftliche Exil-Beziehung. Und: " Ich finde, wir leben jetzt auch wieder in einer Zeit, wo man sich klar positionieren muss und wo ich den Mut dieser Leute vorbildlich finde."
Autor Thomas Hüetlin: „Der Journalismus muss romanhaft gut erzählen, aber faktenbasiert sein.” | Thomas-Hueetlin_Joachim Gern.jpg
Susanne und Karl Kases laden am Freitag, 7. Februar, nach Can Gats inLlucmajor. In der alten Bodega des Stadtpalastes liest Thomas Hüetlin aus seinem jüngsten und fünften Buch „,Man lebt sein Leben nur einmal‘: Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque – die Geschichte einer grenzenlosen Leidenschaft”. Der Autor war lange Reporter beim „Spiegel” sowie Korrespondent in New York und London. Er wurde für seine Arbeit unter anderem mit dem Egon-Erwin-Kisch-Preis, dem Henri-Nannen-Preis und dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet. Seine Lesung in Can Gats beginnt um 18 Uhr. Im Eintritt von 45 Euro sind ein Sekt-Empfang, ein hausgemachtes Menü und mallorquinische Qualitätsweine inbegriffen. Eine Anmeldung ( iflohr.santanyi@ gmail.com oder 690-218709) ist erforderlich. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde zudem kurzfristig ein zweiter Lesungstermin geschaffen, und zwar am Sonntag, 9. Februar, um 12 Uhr.
Mallorca Magazin: Herr Hüetlin, wer oder was führt Sie am 7. Februar nach Llucmajor in den Literatursalon Can Gats? Thomas Hüetlin: Karl Kases ist ein legendärer Kameramann, der viel in Hollywood gearbeitet hat, und ein alter Freund von mir. Wir haben schon Ende der 90er und Anfang der 2000er Jahre in Malibu, wo er das Haus von Olivia Newton-John hatte, dreimal Weihnachten und Silvester zusammen gefeiert. Ich weiß noch genau, wie ich am Neujahrsmorgen einen Platten hatte und zum Flughafen zurückmusste. Und Karl ist echt ein Kumpel: Reifen gewechselt, zum Flughafen gefahren, Supertyp, der Karli.
MM: Waren Sie schon auf Mallorca? Hüetlin: Ich kenne Mallorca gut, bin hier viel Rennrad gefahren und freue mich sehr auf die Lesung bei Susanne und Karli. Es wird ein sehr schöner Abend.
MM: In Can Gats lesen Sie aus ihrem 2024 erschienenen Buch „,Man lebt sein Leben nur einmal‘: Marlene Dietrich und Erich Maria Remarque – die Geschichte einer grenzenlosen Leidenschaft”. Wie sind Sie auf dieses Thema gestoßen? Hüetlin: Ich hatte ein 1000-seitiges, unveröffentlichtes Tagebuch von Remarque zur Verfügung und stellte fest, dass er eine Liebesgeschichte mit Marlene Dietrich hatte. Die war sehr turbulent und fand in einer sehr finsteren Zeit statt. Beide haben sich gegen das nationalsozialistische Regime entschieden, sie in Hollywood, er im Tessin, und beide werden ein Paar. Sie sind ja nicht mehr nach Deutschland zurückgegangen, obwohl die Nazis es ihnen angeboten hatten. Remarque hatte man mit einer großen Villa am Wannsee gelockt, Marlene Dietrich sollte der große deutsche UFA-Star werden. Ich finde, wir leben jetzt auch wieder in einer Zeit, wo man sich klar positionieren muss und wo ich den Mut dieser Leute vorbildlich finde. Sie hatten die Courage, die man einem Menschen wie Mark Zuckerberg wünschen würde, der sich vor einem wie Trump in den Staub wirft, obwohl Zuckerberg zu den reichsten Menschen der Welt zählt. Mit Geld kann man sich anscheinend viel kaufen, aber eben keinen Mut. Ein bisschen ist die Geschichte mit Marlene und Remarque unser „Casablanca”, nur dass in meinem Buch Marlene Dietrich die Hosen anhat und die Actionheldin ist, nicht der Mann Humphrey Bogart.
MM: Sie beschreiben in Ihrem Buch, wie Remarque Marlene Dietrich angesprochen hat. Ich hätte mich das eher nicht getraut. Hüetlin: Sie hat es ihm ja leicht gemacht. Er kam in Venedig auf sie zu, sie fand ihn bezaubernd, er sah aus wie ein Filmstar und er hatte diesen Welterfolg „Im Westen nichts Neues”. Sie war gerade in einer Karrierekrise, weil ihre große Zeit mit dem Regisseur Josef von Sternberg sich neigte, und war auf der Suche nach einem neuen großen Geist. Und der schien ihr Erich Maria Remarques zu sein. Sie redeten den ganzen Nachmittag und den ganzen Abend, und dann gestand er, er sei impotent. Das fand sie bezaubernd, weil sie genügend Männer kennengelernt hatte, die ganz schnell das eine wollten. Und dass einer so kokett und geistreich ist und dann aber sagt, er könne eine bezaubernde Lesbienne sein – also, das war beste Berlin-Tradition der goldenen 20er Jahre, und da fühlte sie sich right at home.
Marlene Dietrich hatte „Im Westen nichts Neues” gelesen
MM: Warum haben sich beide gegenseitig so angezogen? Hüetlin: Ich glaube, die waren voneinander fasziniert. Er hatte immer schon ein Faible für Glamour, für Schönheit. Natürlich auch für so eine schöne, bezaubernde Frau wie Marlene Dietrich. Und sie hatte „Im Westen nichts Neues” gelesen und war auf der Suche nach einem Intellektuellen, der ihr auch große Rollen schreiben könnte. Sie wollten auch beide nichts mit den Nazis zu tun haben und fanden ineinander eine gewisse Heimat. Diese Heimat war die Kultur der Weimarer Republik, die jüdisch geprägt und sehr fortschrittlich war. Mitte der 20er Jahre war Berlin die fortschrittlichste Metropole Europas. Leider Gottes wurde genau das dann von den Nazis vernichtet.
MM: Sie sagten, Marlene Dietrich hatte in dieser Beziehung die Hosen an. Hüetlin: Da sie sehr selbstbewusst auftrat und sich nichts gefallen ließ, würde ich schon sagen, dass sie die Stärkere war. Die Ironie an der Geschichte ist ja, dass Remarque vorher als Playboy aufgetreten ist. Die Frauen waren ihm zu Willen gewesen und in Marlene fand er seine Meisterin. Er nannte sie „Penthesilea”, die Königin der Amazonen, und „mein Puma”, also er fand dieses Unberechenbare, Raubtierhafte, Vamphafte an ihr unglaublich attraktiv. Er hoffte natürlich, dass er sie irgendwann bezähmen können wird, aber am Ende gab er auf.
MM: Wie viel Recherche steckt in dem Buch? Hüetlin: Ich komme aus dem New Journalism, der Schule von Tom Wolfe und Gay Talese. Tom Wolfe hat immer gesagt, der Journalismus muss romanhaft gut erzählen, aber faktenbasiert sein. Deswegen kann ich jedes Zitat und jede Beobachtung nachweisen. Natürlich musste ich dazu arbeiten. Die Marlene Dietrich Collection in Berlin, wo Marlene ihren gesamten Nachlass hingegeben hat, ist schon mal ein reicher Fundus. Es gibt dort endlos Sachen, von Ausgabenbüchern bis zu kleinen Filmchen und Fotos. Aber die Briefe, die sie an Remarque geschrieben hatte, die hat Paulette Godard, die dritte Frau von Remarque, verbrannt, was zeigt, wie eifersüchtig sie war und wie groß der Schatten von Marlene war. Und ich habe sicher 70, 80 Bücher von Zeitgenossen durchgeackert, Bücher über die beiden, über ihn oder über sie.
MM: Blieben Marlene Dietrich und Remarque nach ihrer Liaison in Kontakt? Hüetlin: Sie hatten Korrespondenz und Marlene hat quasi bis zum Schluss versucht, mit Remarque zu telefonieren. Das war eine große Liebe, und sie blieben einander auch Heimat in der Fremde. Paulette Godard hat dann das große, weiße Blumenbouquet, das Marlene auf den Sarg von Remarque legen ließ, runtergeschmissen und gesagt: Das hat da nichts mehr verloren, jetzt ist endgültig Schluss.
MM: Die Diva und der Bestsellerautor, eine Jahrhundertliebe? Hüetlin: Ja, weil es eine der ersten gleichberechagten, modernen Beziehungen war, wo die Frau wirklich auf Augenhöhe mit dem Mann war, auch wenn beide mit den Widersprüchen und Komplikationen dieses Arrangements zurechtkommen mussten. Beide haben gelebt und geliebt wie Rockstars - nur, dass Sie dazu gegen Hitler kämpften, was sie zu wahren Lichtgestalten macht. Das sieht Nico Hoffmann, der wichtigste deutsche Filmproduzent, ähnlich, weshalb er die Rechte gekauft hat und wir gerade an einer sechsteiligen Fernsehserie arbeiten. Aber zuerst einmal werde ich Karli und Susannes Bodega am 7. Februar rocken.
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