Wenn Pedro Montaner Besuchern die Tür zu seinem Heim öffnet, bekommen diese in der Regel große Augen. Dass bei einer Führung durch das alte Herrenhaus Can Vivot in Palma im Beisein von dessen Besitzer jüngst ganz besondere Einblicke gewährt wurden, erkennt man an der Bedeutung des Namens „Estrados” für einen ganz bestimmten Bereich im Inneren des Hauses: „Die Estrados sind Räume, die nur vertrauteren Besuchern zugänglich waren”, erklärt Maria Sureda.
Die Mallorquinerin aus Manacor ist Fremdenführerin und zeigt Touristen und Residenten in deutscher Sprache Dörfer, Geschichte und Kultur der Insel. Seit 2016 arbeitet Sureda mit der Deutschen Ingrid Flohr zusammen, die für ihre Kunst-Touren auf Mallorca bekannt ist.
In der zurückliegenden Woche stand eben eine Führung durch das ehrwürdige Can Vivot in der Altstadt auf dem Programm und Teilnehmer genossen das Privileg der Anwesenheit von Montaner. Weil der Nachfahre des dem Herrenhaus namensgebenden Adligen Marqués de Vivot mit dabei war, durfte die kleine Gruppe Teile des Gebäudes betreten, die gewöhnlicherweise verschlossen bleiben, darunter auch die Estrados.
Diese unterteilen sich in die drei Kategorien Respekt, Vertrauen und Liebe, die im Grad der Vertraulichkeit zunehmen. Exklusivitäten, über die sich Gäste in den gediegenen Gemächern freuen dürfen, sind zum Beispiel schwere dunkelrote Damaststoffe aus dem frühen 18. Jahrhundert, ein üppiger mallorquinischer Teppich sowie zuletzt venezianische Konsolen und ein beeindruckendes Paradebett. Dessen Stoffe waren ein Geschenk des spanischen Königs Felipe V. und es existierte einzig und allein für eine Audienz des Regenten, die nie stattfand. So viel zum Luxus, den mehr als 6000 Quadratmeter Fläche auf mehreren Etagen erlaubten und noch immer erlauben.
Can Vivot gilt als das emblematischste aller seiner Art in Palma. „Es ist das einzige von 500 Herrenhäusern im Originalzustand”, so Maria Sureda. Das Gebäude führt fast 800 Jahre Geschichte mit sich, ein Steinbogen in einer Ecke des Innenhofes stammt noch aus maurischen Zeiten. Can Vivot wurde zum historischen Nationalmonument und Kulturgut ernannt. Die Familie, die das Domizil besitzt, fühlt sich ihrem Erbe gegenüber verpflichtet und versucht, den Prachtbau so gut es geht zu bewahren. Dafür lebt Montaner mit seiner Frau bescheiden in einem kleinen, funktionalen Teil des Hauses. Renovierungsarbeiten, die er durchführen lässt, werden vom Staat subventioniert und von ihm selbst getragen. Can Vivot steht auch auf der Liste der durch die Stiftung Casas Históricas geförderten Gebäude, die von AirBnB unterstützt wird.
Ein Höhepunkt der Führung mit Sureda und Montaner ist der Besuch der Bibliothek: Sie gilt als eine der wichtigsten in privater Hand aus dem 18. Jahrhundert überhaupt. Der Besitzer zeigt wertvolle Schätze wie zum Beispiel einen vom österreichischen Erzherzog Ludwig Salvator verfassten Reiseführer über Mallorca. Daneben enthält die Bibliothek das älteste dokumentierte archäologische Stück Mallorcas in Form einer Bronzeplatte aus dem Jahre 6 nach Christus.
Can Vivot gleicht einer Zeitmaschine mit Ziel 18. Jahrhundert. Die Reise beginnt am Fuße der monumentalen Treppe aus 1701, deren Sockel aus mallorquinischem Marmor gefertigt ist, geht weiter in einer kleinen Kapelle, die nach wie vor privat genutzt wird, und nimmt auch bei den vielen Möbeln aus der Epoche kein Ende. Das Einzige aus diesem Jahrtausend, erklärt Montaner, ist der Maschendraht vor dem Balkon über der Treppe, der Tauben abhält.
Von Montag, 16. Dezember, bis Samstag, 1. Februar 2025, kann der Palast unter Aufsicht der Besitzer besichtigt werden. Anmeldungen werden per Mail an info.canvivot@gmail.com oder telefonisch unter +34 655 03 11 24 entgegengenommen.
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