Werke des International bekannten Künstlers Julian Opie sind bis 31. August in Palmas alter Seehandelsbörse, am Passeig de Sagrera, dem Paseo del Borne un dimn Casal Solleric zu sehen. | Martin Breuninger

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Großer Bahnhof vergangenen Freitagabend in Mallorcas alter Seehandelsbörse, der Lonja. Prominenz aus Politik, Kultur und Gesellschaft fanden sich zur Eröffnung der Ausstellung von Julian Opie ein. Mit Ausstellungen international bedeutender Künstler wollen die Balearenregierung und die Stadtverwaltung von Palma die Lonja zu einem der weltweit führenden Ziele für zeitgenössische Kunst machen. Und einer dieser Künstler ist der in London geborene und lebende Opie.

Werke des bekannten Malers, Bildhauers und Videokünstlers sind bis 31. August auch vor dem gotischen Gebäude zu sehen, wo zwei gigantische Stahlskulpturen aufgestellt wurden. Auf dem Passeig Sagrera und dem Paseo del Borne wenige Schritte entfernt bewegen sich zwei seiner berühmten LED-animierten Skulpturen im Rhythmus der Passanten, und im Casal Solleric sind eine groß angelegte Installation und eine LCD-Animation zu sehen. Im MM-Interview spircht Opie über seine Arbeiten, seine Schau und sein Verständnis von Kunst.

Selbstporträt statt Foto: Wenn es um seine Kunst geht, will Julian Opie im Hintergrund bleiben.
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Mallorca Magazin: Wie sehr beeinflusst der gotische Stil der Lonja Ihre Ausstellung?
Julian Opie: In vielen Fällen waren die Arbeiten schon geplant oder fertiggestellt. Aber bevor ich eine Ausstellung mache, denke ich stark darüber nach, wie sich die Qualität des Raumes nutzen lässt, um die Ausstellung so aufregend und klar wir möglich zu machen. Die Lonja ist ein aufregender Ort für eine Ausstellung, weil er so pur ist. Wenn man hineinkommt, gibt es nichts anderes als Decken, Böden, Säulen und hölzerne Tore. Das gibt dem Ganzen eine einzigartige, einheitliche Qualität. Das Problem, Kunst an sehr schönen Orten zu platzieren, ist, dass man nicht mit ihnen konkurrieren will. Denn es wäre schwierig, mit so einem schönen historischen Gebäude in Konkurrenz zu treten. Deshalb versuche ich, sowohl meine Werke als auch den Raum selbst sichtbarer zu machen.

MM: Wie machen Sie das?
Opie: Ich habe Arbeiten ausgesucht, die keine Wand erfordern. Denn Wände würden die Architektur unterbrechen. Damit wäre ich nicht glücklich gewesen, weil diese Wände im Vergleich zu dem schönen Stein, den Fenstern, dem Boden und der Decke vorläufig und billig gewirkt hätten. Deshalb habe ich nur Skulpturen in das Gebäude gestellt. Der Raum wird dominiert durch die sechs wunderschönen gedrehten Steinsäulen, die sich rund 20 Meter bis zum Deckengewölbe erstrecken. Das macht die unglaubliche Ausstrahlung und die kathedralenartige Qualität im Innern aus. Deshalb nahm ich das Raster auf dem Marmorboden auf, das die Aufteilung des Raums durch die Säulen in zwölf Felder widerspiegelt, und brachte zwölf Werke rein.

MM: Welche Werke sind das?
Opie: Ich möchte nicht nur auf den Raum antworten, sondern eine Ausstellung der Dinge haben, an denen ich gerade interessiert bin. Deshalb habe ich drei Werkgruppen in diesem Raum untergebracht. Sie reihen sich auf diesem Raster aneinander, ein bisschen wie Figuren auf einem Schachbrett. In der linken Reihe werden wir vier gigantische, schreitende Figuren haben, die ich am Strand von Busan in Südkorea gezeichnet habe. Dann habe ich sie in Metall ungefähr drei Meter hoch gemacht. Das gibt das Gefühl von Eintreten. In der Mitte habe ich vier frei stehende Skulpturen aus Stahl aufgestellt, um zu versuchen, mit der Höhe des Raumes zu konkurrieren. Sie sind sieben Meter hoch. Das ist, verglichen mit der Größe des Raums, nicht viel, aber immer noch ziemlich hoch. Diese Arbeiten stellen portugiesische Barocktürme dar. Sie sind eine Art filigrane Tore. Und auf der rechten Seite stehen Werke eines brandneuen Projekts, die gerade erst in der Fabrik fertiggestellt wurden. Das sind vier Porträts aus zehn Zentimeter dickem Beton. Es gibt also bemalte Stahlfiguren auf der linken Seite, die hell, leuchtend und farbig sind, in der Mitte haben Sie torartige, filigrane, schwarze, freistehende Türme , und auf der rechten Seite stehen vier Porträts aus rohem Beton. Jedes Porträt ist von jemandem, den ich kenne, darunter auch meine Tochter. Dazu kommen weitere Arbeiten vor der Lonja und zwischen dort und dem Casal Solleric.

MM: Warum stellen Sie Ihre Figuren meist stehend und in Bewegung dar?
Opie: Das hat zu einem bestimmten Grad mit dem zu tun, was es auf der Welt schon an Stellungen und Statuen gibt. Die Statuen in den Städten sind in der Regel Politiker und Soldaten, die auf einem Sockel stehen. Ich beziehe mich auf sie, benutze aber normale Menschen, die auf der Straße und in den Einkaufszentren spazieren gehen. Auf dem Paseo del Borne haben wir nur eine Frau mit einem Becher Kaffee in der Hand, die vermutlich gerade auf dem Weg vom Mittagessen zurück ins Büro ist. Auf dem Passeig Sagrera ist es ein Pferd, das wiederum nur ein Pferd ist und durch die Gegend läuft. Historisch gesehen wäre es ein Reiterstandbild mit einer wichtigen Person auf dem Pferderücken. Und in der Tat gibt es eine große Bronzestatue etwas weiter weg von hier (Statue von Jaume I. an der Plaça Espanya; Anm. d. Red.).

Julian Opie, Ausstellung in Palma

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MM: Sie waren ein Vorreiter bei der Integration digitaler Technik in die Kunst. Eben haben sie zwei LED-animierte Statuen erwähnt. Was brachte Sie dazu?
Opie: Bewegung ist ein sehr fesselnder Trick in einem Kunstwerk, weil sie die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht, ohne wirklich etwas Beliebiges wahllos etwas hinzuzufügen. Wenn man etwas sieht, das sich bewegt, reagiert der tierische Verstand sofort darauf. Es fällt ins Auge, man sieht es an, weil es sich bewegt, und folgt auch der Bewegung. Man sitzt also nicht da und denkt „Gefällt es mir? Ist es gut? Ist es Kunst?” und all diese Gedanken, die ziemlich unnütz sind. Es ist also eine sehr nützliche Methode, ein Bild zu gestalten. Aber ich möchte keine Geschichte hinzufügen. Ich will einfach nur Bewegung, und eine der naheliegendsten Bewegungen, die man bei Menschen einsetzen kann, ist das Gehen. Wenn man sich die Geschichte der Menschendarstellung ansieht, Höhlenzeichnungen, ägyptische Figuren oder assyrische Soldaten, befinden sich ihre Beine in ein Art Bewegungszustand, der ihnen eine dynamische, menschliche Qualität verleiht.

MM: Würden Sie sagen, dass Bewegung das beste Mittel ist, um den Charakter einer Person auszudrücken?
Opie: Es ist sicherlich ein wirkungsvolles Mittel, aber natürlich nicht das einzige. Die Art, wie Leute stehen, sagt auch sehr viel aus, und im Besonderen, wohin sie ihr Gewicht verteilen. Menschen, die einfach nur auf der Straße gehen, war in den letzten Jahren mein Projekt. Es sind Menschen, die sich nicht bewusst sind, dass man sie anschaut. Ich mag dieses Gefühl, einen Tanz zu beobachten, an dem man nicht beteiligt ist.

MM: Und was fasziniert Sie an Porträts?
Opie: Mit Mitte 30 schien es mir eine Herausforderung zu sein, herauszufinden, wie man Menschen zeichnet, und ich sah mir schließlich grafische Zeichen für Menschen an, wie zum Beispiel auf der Toilettentür Mann und Frau. Ich nahm diese Zeichen und legte dann Fotos der Personen darübergelegt und passte die Zeichen an die jeweilige Person an. Ich war erstaunt, in welchem Maße man die Leute erkennen konnte, allein schon durch ein abgewinkeltes Bein, die Drehung des Kopfes oder die unterschiedliche Kleidung. Dann kam mir der Gedanke, ein Wahrzeichen, ein grafisches Symbol – das war vor den Emojis – auf das Gesicht zu zoomen. Vielleicht dachte ich dabei ein wenig daran, wie die Dinge in der Vergangenheit gezeichnet wurden, in der antiken Vergangenheit, bei japanischen Holzschnitten etwa von Utamaro und bei Hergès Tim und Struppi. All diese Einflüsse leiteten mich; ich nehme an, auch die Gesichtserkennungsprogramme, die den Abstand zwischen den Augen, den Augenbrauen, dem Mund und so weiter messen und so die Leute identifizieren. So entwickelte ich ein System, das ich auf jedes beliebige Gesicht anwenden kann.

MM: Warum haben Sie eine Zeit lang keine Portäts mehr gemacht?
Opie: Ich kam an den Punkt, an dem ich mich so intensiv mit Porträts und historischen Porträts beschäftigt hatte, dass ich das Gefühl hatte, genug zu haben. Ich habe auch Auftragsporträts gemacht, wie es die alten Meister getan haben, und das wurde zu einer ziemlichen Belastung. Also habe ich etwa fünf Jahre lang aufgehört. Jetzt habe ich eine neue Serie von Porträts geschaffen. Ich wollte das, was ich da entdeckt hatte, in eine etwas andere Richtung bringen und habe die Porträts vereinfacht. Man merkt, dass die Gesichter, abgesehen von den Haaren, komplett symmetrisch sind. Früher habe ich mich an der Realität orientiert, aber jetzt benutze ich die Person als Basis für eine Zeichnung und baue dann eine Art Avatar, eine Art verallgemeinertes Logo für jedes Gesicht. Ich habe eine Serie von ihnen als Drucke gemacht. Sie heißt „Everyone”, mit der Idee, dass dies ein Projekt sein könnte, das so weit geht, dass jeder sein Logo von sich hat.

MM: Welches Konzept steht hinter den Türmen, und warum haben sie sie für die Ausstellung in der Lonja gewählt?
Opie: Ich betrachte den Turm als die konzentrierte Version der Architektur. Türme sind eine Art Erhebung vom Planeten in einem ziemlich perfektionierten menschlichen Versuch, der Schwerkraft, dem Boden und der Alltäglichkeit zu entkommen. Es gibt eine Menge ägyptischer Riesenfiguren, die dieselbe Qualität haben, halb Architektur, halb menschlich. Man kann also sagen, dass die Türme in der Mitte zwischen den Gesichtern auf der rechten Seite und den schreitenden Figuren auf der linken Seite diese Logik aufgreifen und sie auf das übertragen, worin wir leben und wovon wir die meiste Zeit umgeben sind. Wenn man die Präsenz der stehenden Menschen mit allen bestehenden Gebäuden mischt, kommt man wahrscheinlich zu einem Turm. Normalerweise würde ich diese Skulpturen im Freien aufstellen, aber in der Lonja ist die Deckenhöhe so groß, dass es möglich ist, die ganze Ausstellung in diesen Raum zu bringen. Draußen vor der Lonja habe ich die zwei zwölf Meter hohen Figuren aus galvanisiertem Stahl. Ich verwendete das Material, um das Gegenteil von ihm zu zeichnen, einfach menschlich, lebendig, weich und charaktervoll. Aber ich musste das mit geraden Linien tun, und es war eine Herausforderung, zu sehen, ob ich diese sehr limitierte Sprache dafür verwenden kann.

MM: Ein Zitat von Ihnen lautet: „Ich bin mir nicht sicher, was Kunst ist.” Wirklich?
Opie: (Lacht) Ich weiß nicht, wann ich das gesagt habe. Vielleicht wollte ich damit sagen, dass ich nicht die Vorstellung mag, dass Leute wissen, was Kunst ist. Ich meine, die Leute machen, was sie wollen, das geht mich nichts an. Aber angesichts der Freiheit, die wir in der modernen Welt haben, mag ich es, dass man ohne vorgefasste Ideen zur Kunst kommt. Ich beginne jedes Kunstwerk mit der Frage, was ich damit machen und wie ich es schaffen kann, dass es so gut wie möglich funktioniert? Und nicht: Wie mache ich ein Kunstwerk? Was muss ich machen, dass es wie ein Kunstwerk aussieht? In meiner Art zu arbeiten ziehe ich es vor, mit einer Art beiläufiger Einführung zu beginnen, mit einer ziemlich offensichtlichen Aussage. Ein Gesicht, jemand, der jeder sein konnte, ein Mann, der einen Bart hat: Das sieht man nicht an und denkt: Ich weiß nicht, was das ist. Ich neige dazu, Dinge so zu gestalten, dass sie nach etwas aussehen, aber vielleicht nicht immer unbedingt nach Kunst.