Kopf und Frontmann der Band ist Ian Anderson, der König der Rockflöte. | Nick Harrison

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Schade eigentlich. Ian Anderson gibt keine Interviews, wenn er mit seiner Band Jethro Tull auf Tour ist. So ließ es sein Repräsentant MM ausrichten. Wäre auch zu schön gewesen. Immerhin ist Jethro Tull ein Klassiker der Rockgeschichte und Frontmann Anderson der König der Rock-Querflöte und ein absoluter Ausnahmemusiker. Kein Wunder, dass es für das Tull-Konzert am Samstag, 24. Februar, in Palmas Auditorium kaum noch Tickets gibt. Der Transparenz halber sei erwähnt, dass Anderson die Presse und mithin die Leserschaft trotz Tour nicht ganz im Regen stehen lässt. Auf der Website der Band steht nicht zu knapp zitierfähiges Info-Material zur Verfügung. Na dann, auf geht’s!

Begonnen hat alles 1968 in Luton, einer Stadt nördlich von London. Vier junge Musiker, die aus verschiedenen gescheiterten regionalen Bands hervorgingen, taten sich zu einer neuen Gruppe zusammen. Anfangs, so Anderson in einem selbst verfassten Interview mit sich, habe die Band wöchentlich ihren Namen geändert. „Wir waren so schlecht, dass wir vorgeben mussten, eine neue Band zu sein, um in den Clubs, in denen wir nach Ruhm und Reichtum strebten, wieder gebucht zu werden”, lässt er seinen britischen Humor blitzen.

Ganz so unterirdisch können er und seine Band-Mates nicht gewesen sein. Sonst wären sie nicht im legendären Londoner Marquee Club gelandet, der unzähligen Bands als Sprungbrett diente. Für den ersten Gig dort verpasste ihnen ihr historisch gebildeter Buchungsagent den Namen Jethro Tull. Pate stand ein britischer Agronom, der von 1674 bis 1741 lebte und als Vorreiter der modernen Landwirtschaft gilt. Unbekannt ist, was mehr zog, der Name oder die Musik. Der Club buchte jedenfalls die Band für jeden Donnerstag, und Anderson befand, es sei nun zu spät, den Namen erneut zu ändern.

Was sich dagegen wandelte, war der Stil. Das Debütalbum „This Was” war noch stark bluesorientiert. Das änderte sich mit dem Ausstieg von Gitarrist Mick Abrahams, der ungefähr die Hälfte der Songs geschrieben hatte. Schon beim zweiten Album „Stand Up” servierte Anderson den Hörern eine Bearbeitung der Bourrée der Bach-Suite für Laute in e-Moll in einer ziemlich angejazzten Rockversion.

Basis des Tull-Stils ist seither der Rock, in den Anderson je nach Song und Album mal mehr, mal weniger Elemente des Folk, des Jazz und der Klassik einwebt, mitunter auch Einflüsse der Welt- und der elektronischen Musik. (Damals noch) LPs wie „Aqualung” (1971) mit dem Klassiker und Welthit „Locomotive Breath” und das Konzeptalbum „Thick As a Brick” (1972) mit nur einem Stück über beide Plattenseiten gelten bis heute als Meilensteine der Rockmusik.

Charakteristisch für viele Songs: Die Verwendung von Moll-Tonarten oder der Wechsel zwischen Dur und Moll, häufige Taktänderungen, Synkopen und rhythmische Verschiebungen. Kurz: Eigen, anspruchsvoll, fernab von jedem Mainstream. Oder wie es Anderson mit britischem Understatement formuliert: „Unser Musikstil ist, so hoffe ich, ein wenig zeitlos und nicht in einer speziellen Musikmode verwurzelt.”

Getragen wird dieser Stil durch den Klang der Band, der durch den Multiinstrumentalisten Anderson geprägt ist. Er spielt Mundharmonika, Gitarre, Instrumente der Mandolinenfamilie, doch sein Markenzeichen ist ein anderes Instrument. Er ist der Mann, der die Querflöte in die Rockmusik eingeführt hat, und bis heute sind Jethro Tull die einzige Band, in der das Instrument eine bestimmende Rolle spielt. Mit dem scharfen An- und Überblasen, der Flatterzunge und dem gleichzeitigen Einsatz von Instrument und Stimme hat der Autodidakt Anderson einen einzigartigen Stil kultiviert, den er gerne auch auf einem Bein stehend zelebriert.

Wer so anspruchsvollen Rock macht, braucht entsprechend gute Musiker, die die Ideen des Kopfes der Band umsetzen. Und die sind Jethro Tull. Von der Urbesetzung ist allerdings nur noch Anderson übrig. Mit Gitarrist Martin Barre, der seit 1968 dabei war, ging 2012 der letzte „Oldie” seine eigenen Wege. Bei Anderson klingt das so: „Einige der Jungs gingen weg, um zu heiraten, sesshaft zu werden, ihre eigenen Bands zu gründen und so weiter. Jeffrey Hammond-Hammond ging, um Maler zu werden. John Glascock starb tragischerweise an einer Herzerkrankung. Und zwei wurden gefeuert. Wir sind jetzt alle ziemlich gute Kumpel. Wie eine große Großfamilie von zwei Fußballmannschaften.”

Neben der Band war Anderson auch solo unterwegs. Während Tull zwischen 2003 uns 2022 keine Studioalben veröffentlichte, brachte Anderson allein zwischen 2000 und 2017 sieben CDs heraus, darunter die Konzeptalben „Thick As a Brick 2” und „Homo Erraticus” und „Jethro Tull – The String Quartets”. Im Booklet von „Homo Erraticus” schrieb er gar 2014 , dass er nicht mehr unter dem Namen „Jethro Tull” auftreten wolle. Drei Jahre später hatte sich das Thema mit einer großen Band-Tour erübrigt, und Anderson stellte klar: „Tull haben sich nie aufgelöst, nicht einmal für einen Moment. Keine Comeback-Touren für uns, vielen Dank. Wir sind noch nicht weg gewesen!”

Im Auditorium werden Jethro Tull fast alle ihre größten Hits spielen und darüber hinaus einige Songs der jüngsten beiden Studio-Alben „The Zealot” Gene” (2022) und „RökFlöte” (2023) präsentieren. Wer sich dies nicht entgehen lassen will und noch keine Karten hat, sollte sich beeilen. Erhältlich sind die Tickets für 45 bis 65 Euro an der Theaterkasse und bei auditoriumpalma.koobin.com. Das Konzert beginnt um 20 Uhr.