Am 30. September tritt Soriana Ivaniv bei "Music & Talk" im Porto-Pi-Zentrum auf.

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Fragt man Willi Meyer, was er an der Violinistin Soriana Ivaniv schätzt, muss er nicht lange nachdenken: "Ihre extrem starke Liebe zur Musik, ihre große Begabung und Vielseitigkeit, ihre unglaublich hohe Qualität und ihre extreme Bescheidenheit, die man oft antrifft bei Leuten, die richtig gut sind", antwortet der Songwriter.

Seit einigen Jahren ist Ivaniv stets mit dabei, wenn Meyer mit seiner Band bei "Music & Talk" auftritt. Auch am Samstag, 30. September wird sie auf der Bühne stehen, wenn der Event, der von MM präsentiert wird, in Saal 15 der Multicines Porto Pi in Palma stattfindet.

Ivaniv ist Musikerin mit Leib und Seele. Obwohl die gebürtige Ukrainerin aus einer Familie von Ärzten und Philologen stammt, trägt sie die Musik in den Genen. Denn schon einmal gab es einen Violinisten in der Familie: Ihr Großvater Roman Ivaniv war ein Autodidakt und exzellenter Geiger, wie man ihr später erzählte.

Viel mehr weiß sie nicht über ihn. Zu Hause in Lwiw wurde über ihn nicht gesprochen, weil er ein Halb-Roma war, was damals in der Sowjetunion schlecht angesehen war und heute immer noch als gesellschaftlicher Makel gilt. Und persönlich hat sie ihn nie kennengelernt. Er starb just an dem Tag, an dem sie geboren wurde.

Auch über ihre harte Kindheit spricht Ivaniv nicht oft. Es ist ja nicht leicht, wenn die eigenen musikalischen Ambitionen von Haus aus überhaupt nicht unterstützt werden, aber im Innern alles unwiderstehlich dazu drängt.

Sechs Jahre war sie alt, als Ivaniv diesem Drang nachgab. In einem Geschäft stahl sie eine Geige, versteckte sie im Haus einer Freundin, wo sie heimlich übte. Später meldete sie sich an der Musikschule an, das Geld für den Unterricht klaute sie den Eltern. Als schließlich der Lehrer zu Hause anrief, kam alles heraus. Die Mutter ging in das Musikgeschäft und bezahlte die gestohlene Geige. Ihre Familie habe ihre Begabung toleriert, erzählt Ivaniv und ergänzt: Tolerieren sei nicht dasselbe wie akzeptieren.

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14 Jahre war sie alt, als ihre musikalische Karriere am Konservatorium begann und sie eine vernünftige Geige brauchte. Doch den Eltern fehlte das Geld. Deshalb ließen sie das Grab des Großvaters exhumieren, wo dessen Geige als Beigabe in einer Aluminiumkassette lag. Dieses Instrument spielte sie - bis es eines Tages gestohlen wurde.

Ivaniv fiel in eine Art Depression und rührte zwei Jahre lang keine Violine an. Statt dessen begann sie, Klavier zu studieren. Sie habe die Musik gebraucht, um das Gefühl der Ohnmacht zu kanalisieren, erzählt sie über diese Zeit. Irgendwann tauchte das Instrument wieder auf. Dass es eines Tages anonym beim Pförtner des Studentenwohnheims abgegeben wurde, erklärt sich Ivaniv so: Wahrscheinlich sei es den Dieben nicht gelungen, die Violine als Hehlerware zu verkaufen.

Wenn das Publikum nun bei "Music & Talk" den Blick auf ihre Geige richtet: Nein, sie ist es nicht. Im Oktober 2009 zog ein Tornado über Mallorca hinweg. Ivaniv war gerade von einem Konzert gekommen, und weil der Regen nur so prasselte, ließ sie das Instrument im trockenen Auto, versteckt unter einer Decke. Am nächsten Morgen waren die Scheiben des Autos eingeschlagen, die Violine war weg. Diesmal endgültig. "Das war ein niederschmetternder Schlag", erzählt Ivaniv. "Aber etwas hat in mir ,Klick' gemacht. Ich habe gelernt, nicht an den Dingen festzuhalten, in jedem Sinne."

20 Jahre ist es mittlerweile her, dass Ivaniv nach Mallorca kam. Das Datum weiß sie immer noch: Es war der 23. September - ein Tag nach dem Geburtstag von Willi Meyer. Den Songwriter lernte sie durch den Bassisten Steve Bergendy kennen, mit dem sie in einer Country- und Bluegrassband gespielt hatte. Meyer suchte damals für "Music & Talk" nach einem Ersatz für seinen Geiger, der nach Irland gegangen war. "Damals begann unsere große Freundschaft", sagt er.

Als Musikerin ist Ivaniv äußerst vielseitig. Man kann sie mit ihrem Streichquartett Essence of Elegance erleben, zu dem auch Marta Hattler gehört, Bratschistin des Sinfonieorchesters der Balearen, und das neben Klassik auch elektronische Musik spielt. Mitunter wird sie als Orchestermusikerin oder zu Opernaufführungen gerufen, dann wieder spielt sie Tango oder Mariachi und steht mit dem Manouche-Jazz-Gitarristen Lulo Reinhardt auf der Bühne. Daneben singt sie auch schon mal im Gospelchor. Jede Art von Musik sei für sie Musik, sagt Ivaniv. Und sie fügt hinzu: "Ich weiß nicht, was ohne Musik aus mir geworden wäre."

(aus MM 38/2017)