Die feinen Damen Mallorcas kleideten sich einst in Seide. | Pere Bota

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Seit drei Generationen widmet sich die Familie Tocino dem Handel mit Kunst und der Versteigerung von Schmuck. Da blieb es nicht aus, dass im Laufe der Jahre eine stattliche Sammlung entstand, die weit über Kunst und Schmuck hinausgeht. "Eines Tages hatten wir die Idee, mit dem Publikum zu teilen, was in drei Generationen zusammenkam", erzählt Diego Tocino. Er ist Präsident der Fundación Tocino Pons, die jetzt das Museo de Artes Decorativas eröffnet hat.

Das Museum befindet sich am Rande von Palma in Son Pax, einem alten Landgut, das heute der Fundació Illes Balears gehört, eine Stiftung, die von den 33 Großunternehmern Mallorcas ins Leben gerufen wurde. In diesem Landgut kann man seit Mitte Mai in 18 Räumen mehr als 1000 Exponate aus dem 16. bis 19. Jahrhundert bestaunen. Wer mehr über die Kultur und Bräuche Mallorcas erfahren will, kommt um dieses Museum nicht herum.

In der Eingangshalle gibt, auch auf Deutsch, ein Video über das vortouristische Mallorca eine Orientierung vorab. Als Nächstes führt der Rundgang in zwei Räume mit Keramik, darunter auch Vasen und Teller von La Roqueta, einem Unternehmen in Palma, das auch für Antoni Gaudí Aufträge ausführte.

Kein Porzellan, aber feinste Arbeit sind drei Blumengestecke unter einer Glaskuppel. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass Blüten, Blätter und Girlanden aus Muscheln gefertigt sind. Diese "Floreros" hätten Seeleute in ihrer Freizeit angefertigt, erklärt Diego Tocino.

Und richtet das Augenmerk auf eine weitere Kuriosität namens Mancerina: Dabei handelt es sich um eine Art Unterteller mit einer ringförmigen Erhöhung in der Mitte. Wozu dies diente? "Im 18. Jahrhundert war es in den Salons der Adligen Mode, heiße Schokolade zu trinken. Um nicht zu kleckern, stellten sie den gefüllten Becher in die Mancerina und führten sie zum Mund", erklärt Tocino.

Der anschließende Raum ist den Seeleuten gewidmet, die einst mit Koffertruhen auf Fahrt gingen. Je höher ihr Rang, desto kunstvoller der Koffer. Die Malereien, so Tocino, stammten oft von den zu Hause gebliebenen Frauen. Sie malten sich selbst als rachsüchtige Furien, das Schwert in der einen Hand, den abgeschlagenen Kopf ihres Gatten in der anderen. "Auf diese Weise hatten die Seefahrer stets die Warnung vor sich, nicht fremdzugehen", erklärt Tocino.

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Der Rundgang führt ins Obergeschoss, in einen Saal mit Frauenporträts aus dem 18. und 19. Jahrhundert. "Wir wollten zeigen, wie die Noblesse gekleidet war", erklärt der Hausherr. Für die feinen Damen galten schwarze Kleider selbst zur Hochzeit als elegant, ihr Schmuck war aus Gold, Emaille und Edelsteinen, der Fächer kunstvoll verziert.

Drei Porträts fallen aus dem Rahmen. Eine alte Frau ist ohne Schmuck. Tocino verrät, warum: "Sie ist eine Witwe. Zwei Jahre nach dem Tod des Ehemanns trug eine Frau früher keinen Schmuck." Waren die zwei Jahre um, durfte die Frau künftig nur noch schwarzen Schmuck tragen. Zwei andere Frauen fallen dadurch auf, dass sie den Betrachter nicht anblicken: Es handelt sich um die Porträts von Verstorbenen, eine ein zwölfjähriges Mädchen, das 1767 starb. In der Hand hält sie eine Rose, das Symbol für Reinheit oder wie man heute sagen würde: Sie war noch Jungfrau. Um ihre schmale Hüfte ist eine goldene Kordel geschlungen. Diese Kordel erhielten die jungen Frauen als Aussteuer. Je länger die Kordel, desto begüterter der Vater: Eine Handbreit Kordel stand für eine Cuarterada, also 7.103 Quadratmeter Land.

Gewänder aus Seide, Handtäschchen aus Silber und jede Menge Schmuck gibt es im Museum zu bestaunen, darunter Ketten mit Malteserkreuzen. "Ursprünglich waren sie militärische Orden", erklärt Tocino. "Ende des 19. Jahrhunderts wurde es aber Mode, dass die Frauen sie als Schmuck trugen."

Zum einfachen Volk geht es zurück ins Parterre, vorbei an Landschaftsmalerei von Meistern wie Russiñol, Sorolla und Cittadini. Ein besonderes Schmuckstück ist eine Skizze von Joan Miró zu seinem Bild "Blue Star" von 1927, das der Künstler als Schlüsselwerk seines Schaffens bezeichnete.

Dann wird es ländlich: Kleidung aus grobem Leinen wird hier gezeigt, auch überziehbare Ärmel, um sich vor gebräunter Haut zu schützen, die einst als unfein galt. Ebenso Werkzeuge, Steingut und Eisenbehälter für glühende Kohle, die sich die Frauen unter den Rock schoben, um in der Kirche nicht zu frieren. Außerdem eine alle drei Monate Auswahl aus rund 15.000 Postkarten mit ländlichen Motiven,

Ein weiterer Saal ist der Kindheit gewidmet. Dort gibt es altes Spielzeug, was das Herz begehrt: Dreiräder, Fahrräder und Tretautos aller Art, Holzpferde auf Rollen, Puppen und anderes mehr. "Manche der älteren Besucher hatten Tränen in den Augen, weil sie sich an ihre Kindheit erinnerten", erzählt Tocino lächelnd. Manchmal ist die Vergangenheit eben doch noch recht nah ...

(aus MM 20/2017)