Albatros II klarmachen zum Auslaufen!" Wie oft hat Elmar Gehlen wohl diesen Satz gehört? 14 Staffeln lang verkörperte er in der ZDF-Serie "Küstenwache" den Maschinisten Wolfgang Unterbaur. Bis heute, Jahre nach seinem Ausstieg, wird er auf der Straße angesprochen, wo er denn seine Zigarre habe, mit der sein Alter Ego in der TV-Serie verwachsen zu sein schien. Selbst auf Mallorca passiert ihm dies, wo er und seine Frau ein kleines Anwesen bei Sant Joan haben.
Einem breiten Publikum ist er als Schauspieler bekannt, doch das ist längst nicht der ganze Gehlen. Er trat als Pantomime auf, arbeitete als Choreograf, entwarf Bühnenbilder, stand als Regisseur hinter der Kamera, inszenierte Theaterstücke und Opern, gab Konzerte. Eine weitere Facette kann man in Son Bauló in Lloret de Vistalegre erleben. Dort wurde am März eine Ausstellung mit Malerei von Gehlen eröffnet. Meeres- und Küstenlandschaften zeigt er in Son Bauló, Seestücke, wie der Künstler sagt.
"Sehen - Gesehen", ist die Schau überschrieben, und das lässt sich mehrdeutig verstehen. Zum einen sind Gehlens Arbeiten keine Abbildungen der Wirklichkeit, sondern Ausdruck und Interpretation des Gesehenen. Da passiert es schon mal, dass er zu Hause in Neustadt eine Küstenlandschaft malt, die nicht von Mallorca ist - außer zweier Steine, die er auf der Insel in der Brandung gesehen hatte: "Diese Steine hatte ich auf einmal in der Farbe drin und setzte sie ins Bild."
Man könnte den Titel aber auch auf den Prozess ihrer Entstehung beziehen. Etwa, wenn er einen Farbton für den Himmel ansetzt, schaut, was dies mit der Leinwand macht, fortfährt, auswäscht, verstreicht. "Dann", sagt er, "passieren die Dinge." Zum Beispiel schießt eine Welle in den Himmel oder spritzt als Farberuption in die Höhe. Für Gehlen beginnt dann die Kunst des Innehaltens: "Dann darfst du nicht daran fummeln. Das ist die ganze Arbeit: Finger weg!" Das bedeutet auch, dass er während des Malens immer wieder sehen und sich auf das Gesehene einstellen muss.
Schließlich kommt bei "Sehen" und "Gesehen" der Betrachter ins Spiel. Zwar hat Gehlen auch abstrakt gemalt. Doch die Arbeiten in Son Bauló sind figurativ. Jedenfalls auf den ersten Blick. Tatsächlich abstrahiert der Künstler auch hier ins Unbestimmte. Er wolle nicht zu sehr definieren, sondern Dinge offenlassen, erklärt er.
Und so bewegt sich auch der Betrachter zwischen Sehen und Gesehenem, steht vor der Frage und der Entscheidung. Ob es nun Gischt oder ein kleines Boot ist, das von einer gigantischen Welle überrollt zu werden droht. Ob es ein Stück Landschaft oder eine Stadt ist, die schemenhaft am Horizont erscheint, ob er einen Strauch oder an Felsen schlagendes Wasser am Bildrand sieht. Nicht zu vergessen die Farben, die mal auf berückende, mal auf bedrückende Weise innere Saiten zum Klingen bringen.
Schon früh kam Gehlen mit der Kunst in Berührung. Geboren wurde er 1943, wegen des Krieges, im württembergischen Hornberg, fühlt sich jedoch - als Sohn einer Ur-Kölnerin - als gebürtiger Kölner. Seine Kindheit verbrachte er in Bad Münster-eifel, seine Jugend in Kleve. Dort lernte er als Halbwüchsiger wesentlich ältere Künstler kennen, auch Joseph Beuys, der in Kleve sein Atelier hatte. Viel wichtiger war aber ein Landschaftsmaler, bei dem er Unterricht nahm. "Hätte ich damals gewusst, dass er ein Kunstprofessor an der Akademie in Düsseldorf war, hätte ich alles daran gesetzt, in seine Klasse zu kommen", erzählt er.
Statt dessen machte er zunächst eine Ausbildung als Dekorateur und Grafiker, dann als Schauspieler. Ein Meilenstein in seiner Laufbahn war 1969 der Ruf von Rolf Liebermann als Choreograf und Pantomime an die Staatsoper in Hamburg. In der Hansestadt arbeitete er unter anderem mit Marcel Marceau zusammen, ebenso mit dem polnischen Komponisten und Dirigenten Krzysztof Penderecki.
Durch Liebermann lernte er zudem Mauricio Kagel kennen, ein weiterer Meilenstein. Mit dem deutsch-argentinischen Komponisten verband ihn eine langjährige Zusammenarbeit. Kagel nahm ihn in das Kölner Ensemble für Neuen Musik auf, mit dem Gehlen zwei große Welttourneen unternahm. Mit den Musikern Theodor Ross und Wilhelm Bruck aus dem Ensemble entstanden auch eigene Arbeiten und Konzerte.
Daneben gab und gibt es den Schauspieler Gehlen. Engagements führten ihn unter anderem an das Stadttheater Baden-Baden, das Schillertheater in Berlin und das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg. Zudem inszenierte er Theaterstücke und Opern, für die er zum Teil auch die Bühnenbilder entwarf. Seine Inszenierung der "Zauberflöte" lief acht Jahre in Saarbrücken und ebenso lange in Kassel, ein Dauerbrenner ist seine Inszenierung von Humperdincks Oper "Hänsel und Gretel", die in Essen, Weimar und zuletzt in Kassel aufgeführt wurde.
Wie wird so ein vielseitiger Künstler Darsteller von TV-Filmen und -serien? "Ich hatte in meinem Leben sehr viele Assistenten, die ich immer geschätzt und unterstützt habe. Und auf einmal waren sie Produzenten oder Intendanten." Mitunter führte Gehlen bei TV-Produktionen auch Regie, arbeitete bei "Küstenwache" sogar in drei Episoden mit seiner Tochter, der Schauspielerin Johanna Christine Gehlen, zusammen.
Seinen Abschied von der "Küstenwache" nahm Gehlen, als eine neue Generation von Redakteuren ans Ruder kam, die nicht unbedingt mit Kompetenz glänzte. "Man will sein Bestes geben, und wenn man das nicht kann, hört man auf", erklärt er kurz und bündig.
Abschied hat der passionierte Segler auch von seinem Boot genommen. Zwischen Neustadt und Mallorca zu pendeln, ist ihm und seiner Frau nun genug. Mit dem Malen auf der Insel tut sich der Künstler jedoch nicht leicht. Eine Frage des Respekts: Die Schönheit der Insel berge die Gefahr, ins Dekorative, in den Kitsch abzugleiten, erklärt er.
Mallorca möchte Gehlen gleichwohl nicht missen. Wegen des Landes, der Leute und ihrer Natürlichkeit. Und wegen des großen Reichtums an Kultur. "Ohne Kultur", sagt er, "wäre Mallorca nur die halbe Insel."
(aus MM 11/2017)
WAS, WANN, WO: "Sehen - Gesehen": Malerei von Elmar Gehlen. Ausstellungsdauer: Bis Sonntag, 18. Juni. Eintritt: frei. Ort: Kulturfinca Son Bauló, Camí de Son Bauló 1, Lloret de Vistalegre
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