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"Das Universum formt so einen schönen Krug, es zerbricht ihn aber wieder", schrieb einst der persische Gelehrte und Dichter Omar Chayyam (1048-1131). Fast 1.500 Jahre später eröffnet am Donnerstag, 9. Juli, in der Galería Fran Reus in Palma de Mallorca "Fragments", eine Ausstellung der in Teheran geborenen, in Santa Maria und Köln lebenden Künstlerin Pari Moradi.

Auf Zeichnungen und Leinwänden stellt die Künstlerin die wohl irdischste und gewiss die erdigste Form von Fragmenten dar: Scherben aus Ton. Bewusst hat sie ihre Bilder auf die warmen Pastellfarben der Erde reduziert, auf Ocker, Grau- und Beigetöne. "Der Fokus liegt auf der Form der Scherben und der Beziehung zwischen ihnen, zu viel Farbe kann da sehr ablenken", begründet sie dies.

Wer den Blick verweilen lässt und die Aufmerksamkeit auf die Scherben richtet, dem offenbart sich ein geradezu liebevolles Miteinander der Fragmente: Sie berühren, stützen, halten sich, liegen übereinander, schmiegen sich aneinander. Klingt menschlich? Kein Zufall. Schon in der alten persischen Poesie steht die Vase oft als Metapher für den Menschen, der in vielen Mythologien ebenfalls aus Erde ist und wieder zu Erde wird. Und wie die Scherbe Teil des Kruges ist, ist der Mensch Teil des Universums.

Die Serie "Fragmente" hat ihren Ursprung auf Mallorca und ist hauptsächlich auf der Insel entstanden. Zunächst fand Moradi die Tonscherben auf dem Land. Später kaufte sie auch Vasen, die sie dann zertrümmerte. Doch Scherbe ist nicht gleich Scherbe. Es sind die ganz besonderen Fragmente, die Moradi auf Papier oder Leinwand festhält. "Ich denke, das ist auch bei Menschen so", sagt die Künstlerin. Menschen strahlten aus, wie sie denken und leben, wie ihr Charakter sei.

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Und wie bei den Menschen, so bei den Scherben: Selten findet man eine besondere. Manchmal, erzählt sie, habe es zwei bis drei Tage gedauert, bis sich die richtigen Scherben gefunden und zu einer harmonischen Komposition angeordnet haben.

"Fragmente" ist die Fortsetzung der Werkreihe "Verwundeter Ton", die ebenfalls ihren Ausgang auf Mallorca genommen hatte. Damals standen Vasen im Mittelpunkt, nicht neue Krüge, sondern Gefäße, die schon einmal gerissen oder gebrochen und wieder sorgfältig zusammengeflickt worden waren. Auch die Vase stand als Sinnbild für den Menschen, die reparierten Stellen für die Narben von Verletzungen und die Spuren von Erfahrungen, die eine Person erst interessant machen und auf eine andere Weise schön erscheinen lassen.

Mit "Fragmente" geht Moradi noch weiter, denn die Scherbe ist der Inbegriff der Fragilität. Zugleich ist aber auch jede Scherbe einzigartig. Als Metapher für den Menschen lässt sich dies so übersetzen: Im großen Ganzen hat jeder seinen Wert und seine Stärken, auch der Schwächste. Mit ihrer Kunst setzt Moradi deshalb einen Kontrapunkt zu einer Welt, die den glatten, leistungsoptimierten Erfolgsmenschen zum Ideal erhoben hat.

(Aus MM 27/2015)