Das Archivfoto zeigt Markus Lüpertz bei einer früheren Ausstellung in Palma. | Foto: Jaime Morey

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Mallorca Magazin: Wie spreche ich Sie korrekt an? Mit Professor Lüpertz?

Markus Lüpertz: Einfach mit Lüpertz. Professor ist nicht mein einziger Titel. Dann müssten Sie auch Doktor und Senator sagen.

MM: Sind Ihnen diese Titel nicht wichtig?

Doch, sicherlich. Ich bin schließlich der Einzige, der für 28 Jahre Dienste von der Akademie den Titel "Senator" erhalten hat.

MM: Mit einer Ausnahme sind die Herkules-Figuren in der Galerie Kewenig Torsi, Unterkörper oder ein Kopf. Ist das eine Art Verstümmelung?

Lüpertz: Nein, das ist mit dem Begriff des Torso verbunden. Der ist seit dem 19. Jahrhundert in der Kunst zu Hause und bezieht sich auf die klassischen Skulpturen. Da ist halt aufgrund der Zeit schon mal ein Arm oder ein anderer Teil abgebrochen. Die Bozetti, die Sie in der Galerie Kewenig sehen, sind Vorarbeiten für die große Figur in Gelsenkirchen (auf einem Förderturm der ehemaligen Zeche Nordstern hat Markus Lüpertz eine 18 Meter hohe und 23 Tonnen schwere Herkulesfigur errichtet, d. Red.). Ich habe sie in drei Teilen gearbeitet, Kopf, Torso und Beine. Denn mein Atelier ist nur acht Meter hoch. Deshalb bei den Vorarbeiten die verschiedenen Gruppen.

MM: Ein Kritiker meinte, dass Ihr Herkules Ihre Gesichtszüge trage.

Lüpertz: Das ist ziemlich albern. Nur weil der Herkules einen Bart hat und ich auch einen trage … Autobiografisches gibt es bei mir nicht. Die Bildhauerei und die Malerei sind ein Metier, um etwas unabhängig vom Künstler zu erstellen.

MM: Was bedeutet Ihnen Herkules?

Lüpertz: Die Antike ist in unserer Kultur allgegenwärtig. Das zieht sich wie ein rotes Band durch die Geschichte. Das erleben wir in der Renaissance und im Neoklassizismus, die Auseinandersetzungen mit der Antike sind. Und von Aristide Malillol wurde sie gepflegt, von der Avantgarde wurde sie verletzt.

MM: Macht es heute noch Sinn, wenn Künstler versuchen, avantgardistisch zu sein?

Lüpertz: Der Avantgardismus ist furchtbar verbürgerlicht und verblödet. Und in Museen wird dies zum Amüsement der Leute gezeigt. Ich habe nicht viel damit zu tun und kritisiere das nicht. Das ist eben so.

MM: Sie haben einmal gesagt, ein Künstler müsse etwas für die Ewigkeit schaffen. Wie lässt sich diesem Anspruch gerecht werden?

Lüpertz: Gar nicht, man kann es nur versuchen. Als Künstler muss man immer nach dem Höchsten streben. Ob dieses gelingt, erweist sich immer erst im Nachhinein. Das kann man in der Gegenwart nicht wissen. Für den Künstler ist es ein Vabanquespiel, ob es seine Werke in 100 Jahren noch gibt.

MM: In der Galerie Kewenig werden auch zwei Bilder aus der Serie "Arkadien" ausgestellt. Was bedeutet Arkadien für Sie?

Lüpertz: Arkadien ist die Sehnsucht, Bilder zu malen, die wie Bilder aussehen, Bilder mit Vordergrund und Hintergrund. Mark Rothko, Yves Klein und andere Künstler haben alles versucht, um vom Bild wegzukommen. Und ich kehre wieder zum Bild zurück. Mark Rothko und Yves Klein waren großartige Künstler. Aber wie geht es weiter? Außer vielleicht mit den neuen Medien, aber damit kenne ich mich nicht aus. Ich bin ein ausgebildeter Bildermaler.

MM: Sind die Zeiten für einen Künstler schwieriger geworden?

Lüpertz: Ich weigere mich, die heutige Zeit schlecht zu finden und zu sagen, dass früher alles besser war. Die Zeitphänomene sind belanglos, wie auch die Zeit belanglos ist. Wichtig ist, dass sie große Kunst zulässt. Und gerade in Deutschland gibt es große Maler und Bildhauer, die ich bewundere. Ich kenne keinen Neid und lege großen Wert darauf, in einer großen Zeit zu leben.

MM: Sie lehrten lange an der Kunstakademie. Was kann ein Künstler seinen Studenten vermitteln?

Lüpertz: Ich kenne keine Studenten. Ich war Professor und Meister und hatte Schüler gehabt. Heute wird es leider so gesehen, als ob man ein Pädagoge sei. Infolgedessen wirft dies ein falsches Licht auf die Lehre.

MM: Stört Sie der Vorwurf, Sie wüssten sich gut in Szene zu setzen?

Lüpertz: Warum denn? Das stimmt doch. Ich bin Berufsmaler und seit gut 30 Jahren in der Oberliga. Das muss man erstmal bringen. Und ich bin vielleicht der einzige Künstler, der noch provoziert, ohne dass ich darüber nachdenke.

MM: Liegt das vielleicht auch daran, dass Sie schöne Autos fahren und edle Kleidung lieben?

Lüpertz: Ich mag diesen Begriff nicht, aber wir leben offenbar in einer Neidgesellschaft. Ich bin ein älterer Herr, der sich nach der dreckigen Arbeit gern schön anzieht. Und so viele Ringe trage ich auch nicht, da hat jeder Rocksänger mehr an der Hand. Aber wenn ich durch die Straßen gehe, werde ich angeguckt. Dabei bin ich nur ein gut gekleideter älterer Herr, sonst nichts.

MM: Einer mit Ohrring.

Das ist doch heute nichts Außergewöhnliches mehr. Ich trage einen Ohrring, seit ich 15 Jahre alt war. Damals war das eine harte Nummer.

MM: Sie waren in jungen Jahren bei der Fremdenlegion, haben während des Studiums in der Grube gearbeitet. Waren Sie ein harter Kerl?

Lüpertz: (Lacht) Ach, das war schlechtes Timing. Künstler kommen aus der Dunkelheit und wollen ans Licht. Mein Leben war immer spannender als das anderer Leute. Aber das ist kein Privileg. Wie man sich durchs Leben schlägt, bleibt jedem selbst überlassen. Deswegen ist niemand besser oder schlechter. Ich bin eben Maler geworden.

MM: In einem Interview haben Sie sich als Genie bezeichnet. Was meinen Sie damit?

Lüpertz: Wenn man sich in einem handwerklichen Beruf tummelt, dann ist Genie die Kraft, um die Malerei vom Handwerk zu lösen. Wer sie nicht hat, bleibt mittelmäßig. Und ich weiß nicht, warum davon so viel Aufhebens gemacht wird. Jeder will doch der Größte, Schönste und Beste sein.

MM: Müssen Sie sich manchmal dazu motivieren?

Nein, für mich ist das etwas Alltägliches. Ein ewiges Arkadien verpflichtet mich, Bilder zu malen.

Die Fragen stellte Martin Breuninger.

INFO
Vernissage: Samstag, 11. April, 11 Uhr.
Dauer: Bis Samstag, 6. Juni.
Öffnungszeiten: MO bis FR 10 bis 14 Uhr und 16 bis 20 Uhr, SA 10 bis 14 Uhr.
Ort: Galería Kewenig, Oratori de Sant Feliu, Carrer Sant Feliu s/n, Palma

(aus MM 15/2015)