Der Frankfurter Zungenschlag ist deutlich hörbar. Und die Begeisterung für seine Sammelleidenschaft ist nicht zu übersehen. Klaus Fischer, ursprünglich zu Hause in Niedererlenbach bei Frankfurt, sammelt mechanische Instrumente: Phonographen, Grammophone, Spieldosen, Vogelorgeln, Dreh- und Walzenorgeln, Walzenorchestrione und - als Krönung und Highlight der Sammlung - einen Welte-Mignon-Vorsetzer. Wird der mit einem Ibach-Flügel Richard Wagner verbunden, erklingt Musik wie vor 100 Jahren. Damit das auch gut klingt, hat Klaus Fischer in seinem Haus auf Mallorca einen Konzertsaal von 130 Quadratmetern gebaut: "Sonst würde der Flügel die Fenster springen lassen."
Auf die Frage, wie viele Instrumente es insgesamt sind, muss Klaus Fischer erst zählen: "Es ist eine lebendige Sammlung, zurzeit sind hier in Alquería Blanca zwischen 20 und 30 Instrumente. Einige habe ich auch noch in Deutschland, alles in allem sind es fast 50."
Die Sammelleidenschaft begann vor 40 Jahren, als Klaus Fischer eine alte Spieldose aus der Familie seiner Frau erwarb. Er war fasziniert von dem Mechanismus und begann, sich mit Musikautomaten zu befassen. Zunächst hat ihn vor allem die Technik gereizt.
"Meine Familie kommt aus dem Sudetenland, wo es viele Instrumentenbauer gab; einer meiner Großväter hat Blasinstrumente gefertigt, ein anderer war Erster Geiger der Hamburger Staatsoper; ein Patenonkel war Saxofonbauer. Ich selbst habe oft bedauert, kein Instrument gelernt zu haben. Statt Noten zu lesen, habe ich eben den Schraubenzieher in die Hand genommen."
Grundsätzlich wartet und restauriert Klaus Fischer seine Musikautomaten selbst. Einmal pro Jahr kommen Monteur und Musikstimmer. Es sind empfindsame Geräte, die auf Luftfeuchtigkeit reagieren. Allen voran der Welte-Mignon-Vorsetzer, ein Apparat, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als die Schallplatte noch in den Kinderschuhen steckte, für eine Sensation sorgte. Die Firma Welte in Freiburg entwickelte ein Aufnahme- und Wiedergabeverfahren, das sie Welte Mignon nannte. Die Wiedergabe erfolgt durch ein pneumatisches System und mittels ausgestanzter Papierrollen. Der Vorsetzer, ein schwarzer Kasten, wird vor den Flügel gerollt. Er hat mit Filz bezogene Holzfinger, mit der die Tastatur des Flügels bedient wird. Zwei Metallfüße bewegen außerdem die Pedale. Die jeweilige Geschwindigkeit, mit der sich die Rolle dreht, ist einstellbar, wurde aber von der Firma Welte genau vorgegeben.
"Wie damals aufgenommen wurde, ist nicht bekannt", sagt Fischer, "das Rätsel hat der Firmengründer mit ins Grab genommen." Und er fügt hinzu: "Musik war vor gut 100 Jahren ein kostbares Gut. Man musste sie entweder selbst machen oder sich Musiker ins Haus holen. Die Firma Welte hat das aufgebrochen. Und damit Geschichte gemacht."
Bis vor einem Jahr behielt Klaus Fischer seine Schätze unter Verschluss, inzwischen sind sie der Öffentlichkeit zugänglich. Jetzt finden hier Konzerte statt, mit den Musikautomaten und mit Künstlern. Ein Buch ist geplant und die Herausgabe einer CD-Reihe. Früher habe ich das Quietschen der Keilriemen gehört, jetzt höre ich das hohe C", sagt Fischer, der auch in der Vergangenheit oft ganz alleine in seinem Konzertsaal saß, um Musik zu hören.
Rund 300 Rollen - insgesamt wurden etwa 5000 gestanzt - hat Klaus Fischer in seinem Haus. Darunter sind Kostbarkeiten wie Originaleinspielungen des Komponisten Enrique Granados mit einem eigenen Werk. "Von ihm gibt es sonst keine Aufnahmen, nur Tondokumente auf der Rolle", sagt Fischer. "Die Goyescas waren das letzte Stück, das er vor seinem Tod gespielt hat." Ansonsten gibt es Stücke der klassischen Konzertliteratur von Beethoven bis Chopin, von Reger über Strauss bis Skriabin mit Interpreten wie Vladimir Horowitz, Rudolf Serkin oder Arthur Nikisch.
"Paul Hindemith hat eigens für Welte komponiert", erzählt Fischer. "Nach der Einspielung hat er bei Frau Welte Apfelkuchen gegessen."
In Fischers Konzertsaal gibt es aber noch weitere Kostbarkeiten wie etwa ein Orchestrion, wie es damals in Gaststätten stand. Bei Einwurf einer Münze erklang eine Sechs-Mann-Kapelle mit Tanzmusik "Wenn der weiße Flieder wieder blüht…".
Oder ein Phonoliszt-Violina (1920) der Firma Hupfeld, auf dem Klaviermusik und Geigen erklingen: "Das ist die blaue Mauritius unter den mechanischen Instrumenten." Selbstspielende Geigen galten noch 1920 sowohl musikalisch als auch technisch als Wunderwerke. Die Geigen spielen sogar Tremolo und Vibrato.
Aus dem Jahren 1820 bis 1830 stammt eine Vogelorgel, die man auch Serinette nannte. Ein kleines Holzkästchen mit einer Tischdrehorgel, mit der man Vögeln in Käfigen das Singen beibrachte. Die Melodie wurde so lange gespielt, bis der Vogel das Stück mitpfeifen konnte.
In Klaus Fischers Konzertsaal kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Hier verbindet sich Magie mit Technik, virtuose Musik mit ausgeklügelter Mechanik. Und die Begeisterung von Klaus Fischer ist absolut ansteckend.
INFO
Konzerte ab Mitte Februar auf dem Welte-Mignon-Vorsetzer.
Erster Termin: Sonntag, 16. Februar, ab 12 Uhr. Wegbeschreibung bei verbindlicher Anmeldung.
Reservierung: Tel. 687-820567.
25 Euro inklusive Getränk und Imbiss
(aus MM 1 / 2014)
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