Es war eine Meldung, die sich über die spanischen Medien hinaus bis nach Deutschland verbreitet hatte: Nachrichtenportale wie der „Spiegel”, die „Zeit” oder auch die Online-Plattform Travelbook schreiben in ihren Artikeln, dass die teuerste Straße Spaniens auf Mallorca liegt. Das ist zwar durchaus möglich, es ist aber mit ziemlicher Sicherheit nicht der in den Meldungen erwähnte Carrer Sant Carles in der Wohnsiedlung Costa d’en Blanes in der Gemeinde Calvià.
Zustande gekommen ist diese kleine Sensationsmeldung durch eine der 20 weltweit größten Immobilien-Plattformen, idealista.com. Anhand der Online-Inserate der Immobilien-Börse wurden die höchsten Durchschnittspreise pro Immobilie im Carrer Sant Carles verortet. Nach Angaben des Portals liegen die Angebote im Schnitt bei 7,43 Millionen Euro pro Immobilie.
Fährt man die vermeintlich teuerste Straße Spaniens entlang, fällt das beachtliche Schlagloch in der Fahrbahnmitte auf. Die Randsteine der Sackgasse sind nicht wie vermutet aus purem Gold und auch die im Rinnstein parkenden Autos sind keine Porsches, Ferraris oder Lamborghinis. Tatsächlich sehen die Opel, Ford und Fiats, die dort stehen, sogar eher nach Gebraucht- als nach Neuwagen aus. Okay, vielleicht sind das die Autos der Hausangestellten, und die teuren Kisten stehen standesgemäß in den Garagen der Anwesen. Die Grundstücke und Häuser wirken gepflegt und ansehnlich, jedoch nur hier und da luxuriös oder prunkvoll. Allerdings gewähren die hohen Mauern und Hecken auch nur einen bedingten Einblick in die Grundstücke. Was sich wirklich hinter dem Grün versteckt, lässt sich nur vermuten.
Ein klares Highlight und sicher auch ein gutes Verkaufsargument ist der wundervolle Blick auf das Mittelmeer. Alles in allem eine nette Straße, aber die teuerste in ganz Spanien?
Lutz Minkner betreibt mit seiner Firma Minkner & Partner eines der erfolgreichsten Immobilienbüros auf Mallorca. Spezialisiert ist das Unternehmen auf den Südwesten der Insel. „Ich habe die Meldung auch gelesen und musste schmunzeln. Das Problem ist: Idealista ist keine seriöse Quelle, um so eine Aussage zu treffen.” Wenn man eine solche Erhebung machen wollen würde, dann ginge das nur mit Daten des spanischen Statistikamtes, so der Experte. „Die Plattform Idealista hat nur die Daten der Immobilien genommen, die auch auf ihrer Plattform angeboten werden. Erfahrungsgemäß inserieren die wenigsten Kunden im Luxus-Segment ihre Immobilien auf einer Online-Plattform.” Viele der wirklich hochpreisigen Objekte, die bei Minkner & Partner im Verkauf sind, werden, wenn überhaupt, nur auf der Homepage des Unternehmens veröffentlicht. „Es gibt auch immer wieder Immobilien hier auf Mallorca, die überhaupt nicht öffentlich angeboten werden. Das ganze nennt man dann ‚Secret Marketing’.” Übersetzt heißt das, der Makler bekommt die Luxus-Immobilie in den Verkauf und wendet sich direkt an seinen Pool aus potenziellen Kaufinteressenten.
Ein weiterer Grund, warum die teuerste Straße Spaniens nicht der Carrer Sant Carles ist, liegt in den Preisen an sich. „Die Plattform arbeitet mit sogenannte ‚Asking prices’, das sind Angebots- und keine Verkaufspreise”, erklärt Lutz Minkner und ergänzt: „Die Leute wollen zwar im Schnitt sieben Millionen Euro für ihr Grundstück mit Haus, aber ob sie die vom Käufer am Ende auch bekommen, steht auf einem ganz anderen Blatt.” Privat-Verkäufer legen gerne einen persönlichen, emotionalen Wert in den Angebotspreis. Deshalb kann eine seriöse Aussage über die teuerste Straße auf Mallorca oder gar in ganz Spanien nur über den tatsächlichen Verkaufspreis ermittelt werden.
„Ich habe nach kurzer Recherche bereits zwölf Straßen auf der Insel gefunden, bei denen die Häuser im Schnitt einen höheren Verkaufspreis erzielt haben.” Lutz Minkner hat sich bei seinen Nachforschungen auf den Südwesten der Insel beschränkt, es ist also durchaus möglich, dass es in anderen Teilen Mallorcas noch teurere Straßen gibt. „In der Gegend um Port d’Andratx kostet allein ein 1000 Quadratmeter großes Grundstück durchschnittlich fünf Millionen Euro. Die wahrscheinlich teuerste Straße dort ist der Carrer Orada. Die Immobilien kosten dort zwischen neun und 24 Millionen Euro. Und das sind realistische Verkaufspreise.” Ein weiteres teures Pflaster ist der ältere Teil von Bendinat, konkreter die Avinguda de la Rossegada. Dort kosten Immobilien zwischen 15 und 20 Millionen Euro. Am hochpreisigsten ist aber wahrscheinlich Palmas Villenviertel Son Vida. Die teuerste Straße dort ist der Carrer Biniatro, mit Preisen für Villen zwischen 12,5 und 65 Millionen Euro.
Zusammenfassend erklärt der Immobilien-Profi: „Der Carrer Sant Carles ist sicher keine günstige Nachbarschaft. Im Luxus-Segment ist sie allerdings nur Mittelmaß und sicher nicht die teuerste Straße von ganz Spanien.”
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