Nach Angaben von Experten werden drei Prozent aller Jugendlichen gegenüber ihren Eltern gewalttätig | Archiv UH

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Gewalt innerhalb der Familie ist ein zunehmendes Problem auf Mallorca und den Nachbarinseln. Laut der Stiftung „Amigo“, die sich auf die Behandlung und Wiederherstellung familiärer Konflikte spezialisiert hat, stieg die Zahl der registrierten Übergriffe von Kindern auf ihre Eltern von 191 Fällen im Jahr 2022 auf 215 im Jahr 2023. Experten gehen jedoch davon aus, dass dies nur die Spitze des Eisbergs ist: Tatsächlich werden lediglich 10 bis 15 Prozent der Fälle gemeldet.

"Diese Zahlen verdeutlichen ein ernstes soziales Problem", erklärt die Stiftung Amigo. Gewalt zwischen Kindern und Eltern bleibe oft im Verborgenen. Es bedürfe mehr Sichtbarkeit und Sensibilisierungsmaßnahmen, um dieses Phänomen effektiv zu bekämpfen. Die Gemeinde Inca hat bereits reagiert und im November den „Tag der familiären Gewalt: Ein offener und institutioneller Blick“ organisiert. An der Veranstaltung nahmen Fachleute aus verschiedenen Bereichen teil, darunter Polizisten, Anwälte und Psychiater. Roberto Pereira, Facharzt für Psychiatrie, stellte dabei fest: „Etwa 12 Prozent der Jugendlichen auf den Balearen üben psychische Gewalt gegen ihre Eltern aus, 3 Prozent greifen auch physisch an. Das sind etwa zehntausend Jugendliche, von denen 2300 körperlich gewalttätig sind.“

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Maria José Ridaura, Regionaldirektorin der Stiftung Amigo, erklärte, dass es sich bei dieser Gewalt häufig um instrumentelle Gewalt handele. "Söhne und Töchter verhalten sich aggressiv, um etwas zu erreichen. Es geht nicht nur um materielle Dinge, sondern auch darum, Regeln zu umgehen oder negative Gefühle abzubauen." Der Kriminologe Daniel Ortega betonte, dass sich diese gewalttätigen Verhaltensweisen schleichend entwickeln und häufig ab dem zwölften Lebensjahr eskalieren. Viele Eltern schämten sich, ihre Kinder anzuzeigen, oder fühlten sich schuldig. Diese Hürden erschweren die rechtzeitige Erkennung und Behandlung des Problems.

Obwohl die Situation ernst ist, gibt es Hoffnung. „Es ist ein Verhaltensproblem, das in den meisten Fällen gelöst werden kann“, sagt die Direktorin der Stiftung Amigo. Mit geeigneten Programmen könnten gewalttätige Verhaltensweisen verlernt und neue, anpassungsfähigere Verhaltensmuster erlernt werden. Wichtig sei jedoch eine frühzeitige Intervention. Das Programm Conviviendo der Stiftung Amigo, das sich auf Prävention und ambulante Behandlung konzentriert, habe sich als erfolgreich erwiesen. Dennoch sei die Nachfrage hoch, und es fehle an öffentlichen Mitteln, um mehr Fachkräfte einzustellen.

Ortega forderte zudem eine bessere Vorbereitung der Sozialdienste und Schulen auf dieses Problem. Lehrer müssten in der Lage sein, Anzeichen von Gewalt frühzeitig zu erkennen und angemessen zu reagieren. Eine stärkere Sensibilisierung für das Thema könnte dazu beitragen, dass Familien sich nicht alleine fühlen und schneller Hilfe suchen. Die Experten sind sich einig: Es bedarf eines gesellschaftlichen Umdenkens, um die Gewalt zwischen Kindern und Eltern effektiv zu bekämpfen. Nur durch Sichtbarkeit und Präventionsmaßnahmen kann das Problem langfristig eingedämmt werden.