Floriane Poirier ist nur eine von gut 15.000 Franzosen auf Mallorca. | P. Lozano

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Tritt man in das Geschäft in Palma, so umwabert einen im Nu eine gewisse elegante Leichtigkeit, die bekanntermaßen mit Frankreich assoziiert wird. Ein stilisiertes Eiffelturmbild an der Wand in einer Umkleidekabine, Dior-Handtaschen und bunte Sommerkleider fallen auf. Floriane Poirier hat sich angestrengt, ihrem schräg gegenüber vom berühmten Café „Ca’n Joan de Saigo” liegenden Modeladen namens „Les filles au soleil” den Touch einer Pariser Puppenstube zu geben: Gold- und Blautöne dominieren – wie auf dem Montmartre.

Seit März 2019 lebt die grazile Französin zusammen mit ihrem Lebensgefährten Stéphane Bolle auf Mallorca, und bereut haben sie diesen Schritt keine einzige Sekunde. Ihr Laden, wo in Frankreich produzierte Kleidungsstücke für Frauen zu erschwinglichen Preisen angeboten werden, läuft, wie die Auswanderin sagt, bestens.

Die Inselfreunde aus Nantes sind zwei von vielen Franzosen, die es zunehmend in den vergangenen drei bis vier Jahren auf die Insel zog. „In Frankreich stöhnen die Menschen über viel zu hohe Steuern, die Unsicherheit nimmt zu”, so die Modeexpertin. Die allgemeine Stimmung sei auch wegen der vielen Streiks am Boden. Deswegen hätten sie etwas Ruhigeres gesucht, was nicht allzu weit entfernt liegt. „Spanien ist stabiler, die Menschen sind offener und positiver, das Land hat bei uns einen guten Ruf”, sagt Floriane Poirier. Ohnehin seien sich Franzosen und ihre südlichen Nachbarn recht ähnlich, weswegen sich die meisten Auswanderer schnell mit der spanischen Sprache vertraut machen würden. Sich abzugrenzen, sei nicht ihr das Ding, so Floriane Poirier.

desayunos en palma
Besonders in der Restaurantbranche sind Franzosen auf Mallorca aktiv: Hier ein Frühstücksgedeck beim „Can Paris”.

Etwa 15.000 bei der Botschaft in Madrid registrierte Franzosen leben derzeit auf Mallorca und den Nachbarinseln. „Nicht wenige von ihnen kauften in den vergangenen Jahren Immobilien, die von Briten nach dem Brexit verkauft wurden”, weiß Alejandra Cardozo von der im Jahr 2020 gegründeten Organisation „Piaf Majorque”. Diese besteht aus einem Unternehmerclub und aus einer Abteilung, die Neu-Mallorquiner aus Frankreich bei ersten Gehversuchen begleitet und in wichtigen Fragen berät.

„Die Franzosen arbeiten breit gestreut in vielen Branchen, aber im Hotel- und Restaurantbereich gibt es besonders viele”, so Alejandra Cardozo. Immer populärer seien in Palma beispielsweise das Frühstückslokal „Can Paris” und das Bistro „Franzette” in Cala Major geworden. Zu den auf der Insel arbeitenden Franzosen gesellten sich inzwischen viele sogenannte Digital-Nomaden, die hier ansässig seien, aber Telearbeit für französische Unternehmen leisteten. „Auf Mallorca leben die Auswanderer querbeet, wobei besonders viele in Can Picafort, Sant Elm und Santanyí zu finden sind.”

Und natürlich weiterhin im Orangenort Sóller, der wie keine andere Gemeinde auf der Insel von Frankreich beeinflusst wurde. Jahrhundertelang gestaltete es sich einfacher, die Zitrusfrüchte in der „Grande Nation” als in Palma zu verhökern. Die Balearen-Kapitale war früher, als es den Tunnel noch nicht gab, und über den Pass mit seinen 36 Kurven nur ein schmaler Eselspfad führte, Lichtjahre entfernt. Als im Jahr 1865 eine Plage fast sämtliche Zitrusplantagen im Tal nahezu komplett zerstörte, sahen sich viele Einwohner gezwungen, auszuwandern. Neben Karibikinseln wie Puerto Rico entschieden sich nicht wenige, sich beim alten Handelspartner Frankreich anzusiedeln. Als die meisten von ihnen Ende des 19. Jahrhunderts – das Zitrusbusiness lief inzwischen wieder – zurückkehrten, ließen sie in Sóller einige elegant geschwungene Jugendstilgebäude errichten.

Bevor sich der Massentourismus in den 1980er-Jahren langsam Bahn brach, war Mallorca unter Franzosen ebenfalls „en vogue” gewesen. „Noch in den 1970er-Jahren besuchten viele die Insel”, weiß Alejandra Cardozo von „Majorque Piaf”. Dann jedoch seien weniger Franzosen gekommen, zumal andere Ziele wie etwa Tunesien für sie immer interessanter geworden seien. Zwar gebe es auch Urlauber, die dem Sauftourismus frönen, doch das Hauptkontingent stellten weiterhin Familien. Eine Exzessszene wie bei Briten, Holländern oder Deutschen gebe es nicht.

Man ist halt vor allem im genießerischen Bereich verortet, so wie die Modeladenbetreiberin Floriane Poirier. Beim MM-Ortstermin schweift Ihr Blick wissend über die Accessoires aus ihrer Heimat, die sie verkaufen will. Blusen, Handtaschen, Ohrringe und Ketten lassen in dem Geschäft die „Grande Nation” fühlbar werden.