Treue MM-Leser wissen: Woche für Woche zitiert die Redaktion in der Rubrik „Im Archiv geblättert” (in der Print-Ausgabe zumeist auf S. 8) Ereignisse von vor 10, 20, 30, 40 und 50 Jahren. Doch seit Juli stand in der Spalte für die Zitate lediglich der Vermerk, dass im MM-Zeitungsarchiv für das zweite Halbjahr 1972 eine Lücke klafft. Aus jener Zeit ist kein einziges Zeitungsexemplar – die üblicherweise zu dicken Jahrbüchern gebunden wurden – aufbewahrt worden. Darum machte die wöchentliche Rubrik in den vergangenen sechs Monaten stets mit der Bitte auf, es möge sich melden, wer noch eine alte MM-Ausgabe zu Hause besitzt. Und tatsächlich wiesen zwei Leser die Redaktion auf einen Ebay-Eintrag hin: Dort gab es für 30 Euro ein Exemplar der Silvester-Ausgabe von 1972 zu kaufen!
Um es kurz zu machen, das Exemplar wurde erstanden und öffnet nun Einblicke in ein Mallorca von vor exakt einem halben Jahrhundert. „Prosit Neujahr! Und alle sprechen von Sonne”, lautete die Schlagzeile auf der Titelseite. Der Hintergrund: Die neuen Reiseprospekte für die kommende Saison waren erschienen. „Gestützt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr legt N-U-R, Neckermann und Reisen, in Vier-Millionen-Auflage den Reisekatalog Sommer 1973 vor”, heißt es dort.
Für viele Menschen, die sich damals nach Mallorca aufmachten, war das nicht selten sowohl die erste Auslands- als auch die erste Flugreise. „Ein Drittel sind ,Erstflieger’. Das ist das überraschendste Ergebnis einer großen Befragungsaktion von ITS International Tourist Services.”
Neckermann habe zudem sein Angebot auf der Insel im Prospekt erstmals nicht geografisch, sondern nach Urlauberwünschen aufgegliedert, heißt es dort weiter: „Das quirlende Mallorca beispielsweise in Arenal und Can Pastilla, das romantische und beschauliche in Porto Cristo oder Puerto de Soller, und auch das Kinderparadies der Insel, wie etwa in Puerto Alcudia.”
Doch die Insel begann damals, neben Urlaubern auch eine weitere Klientel anzulocken: „Es gibt viele Anzeichen, dass Mallorca nicht nur als Ferienziel immer bekannter wird, sondern dass unsere schöne Insel, von Jahr zu Jahr mehr, auch von Leuten entdeckt wird, die hier Grundstücke, Häuser, Appartements erwerben, um zunächst nur unabhängigen Urlaub zu machen, oft mehrmals im Jahr, und dann früher oder später das ganze Jahr oder den größten Teil des Jahres hier zu verbringen”, war in der Werbeanzeige eines Bauunternehmers zu lesen.
Für diese potenziellen Immobilienkäufer wurden konkrete Preise genannt, etwa für Ferienhäuser auf der La-Victòria-Halbinsel, beim heutigen Yachthafen Cocodrillo, der damals in Bau war: „Bei uns gibt es Chalets mit etwa 100 Quadratmeter bebauter Fläche, die einschließlich Grundstück rund eine Million Pesetas kosten, also etwa 50.000 Mark.”
In den Anzeigen der Ausgaben sind viele weitere Preisbeispiele zu finden. Etwa zum Torremayor, dem heute noch größten Hochhaus in Cala Major: Der Makler verspricht: „Oberhalb Cala Mayor, nur 200 m zum Strand. Luxus-Studios, Appartements mit einem oder zwei Schlafzimmern. Sehr schön eingerichtet, moderne, komplett eingerichtete Küche, Zentralheizung, Telefon in jedem Appartement. Geheizter Swimming-pool, Bar/Restaurant und Geschäfte. Ab Pesetas 500.000 oder DM 25.000. Voll eingerichtet.” Preise für Ferienhäuser um die 40.000 Mark waren auch in Santa Ponça, El Toro und Alcúdia im Angebot.
Der Blick auf die Anzeigen weckt zudem Erinnerungen an deutsche Unternehmer, die es in den Folgejahrzehnten auf Mallorca zu großem Reichtum brachten. Vorneweg der spätere sogenannte Mietwagen-König Hasso Schützendorf („Hasso zu Ihren Diensten. 200 Wagen zu Ihrer Verfügung”) sowie der spätere Wurst-König und Fleischermeister Horst Abel („... bei uns schmeckt’s immer! Alt Frankfurt, deutsche Schnellgaststätten”).
In Sant Agustí gab es ferner den Metzger Erich Hirsch („Stets heiss vom Grill: Hähnchen, leckere Braten, Kalbs- und Schweins-Haxn”) sowie an der Plaza Gomila das schwedische Olas Steak-Haus. Und zum Tanzen ging es in den Nachtclub Tagomago („Jeden Samstag Schau und grosse Abendtafel”). Für Gläubige gab es sonntags um 10.30 Uhr die „Heilige Messe in deutscher Sprache” in der weißen Strandkirche an der Playa.
Als gewagt für die damalige Zeit – der prüde Diktator Franco saß noch fest im Sattel – gilt das Titelfoto: zwei junge Frauen in knappen Bikinis. „Das neue Jahr wird sie wieder in verschwenderischer Fülle bringen: Sonne, fröhliche Menschen und glückliche Tage am Meer”, stand darunter. Eine Prognose, die man sich für 2023 nicht minder wünschen kann.
Und hier sehen Sie noch einige Seiten der MM-Silvesterausgabe im Original:
Sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser, noch ein Zeitungsexemplar aus dem zweiten Halbjahr 1972 besitzen, dann setzen Sie sich bitte gerne mit uns in Verbindung: red@mallorcamagazin.net unter Stichwort: MM 1972
1 Kommentar
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Was mich seit Jahren hier auf der Insel traurig macht ist die Tatsache, das Immobilien viel zu teuer sind, die Qualität sehr schlecht. Bin vor 5 Jahren in eine neue Finca gezogen, nichts ausgestattet als eine "Küchenzeile" ohne Geräte, selbst da waren die Griffe schon angerostet, weil diese 8 Monate schon leer stand. Wir haben alle die Jahre sehr viel Geld in die Finca gesteckt, Klimanlage, Heizung uvm. auch der Garten wurde angelegt das man eine Rasenfläche hat. Dazu zu erwähnen, jedes Jahr neuer Boiler weil wegen der Wasserqualität sich der Kalk durchfrisst. Jetzt fängt es überall zu schimmeln an, um die Fensterrahmen, bei der Eingangstüre, man bemerkt wie die kalte Luft hereinströmt. Am Dach werden wohl Dachziegel kaputt sein, die in einigen Ecken sich zunehmend vergrössern mit Feuchte-und Schimmelflecken von grün bis schwarz. Der Vermieter will sich das Dach nicht ansehen, ich würde doch hier wohnen und sollte dann auch sehen das alles in Ordnung ist. Man bezahlt viel zu hohe Mieten und muss auch noch deren Häuser sanieren. Irgendwann ist man an einem Punkt wo man sich eingestehen muss, das ist doch keine Lebensqualität, auch wenn man schöneres Wetter hat als zuhause. Mittlerweile ist auch der Bauboom gerade in den ländlichen, eigentlichen ruhigen Zonen ausgebrochen. Selbst wenn weiter weg gebaut wird das pickern hört man bis ins Haus. Viel Natur wird zerstört, wenn man zuerst nur umgeben war von Wiesen und Freiflächen wo nur Schafe oder Ziegen weideten. Wenn man liest das die Immobilienpreise hier exhorbitant steigen, in keinster Weise begründet, da die Häuser leider immer noch nach ihren alten Standards gebaut werden, keine Heizung , keine Isolierung. Und wenn man den Mietern schön erklärt : Sie können doch mit einem Holzofen heizen, da oben ist ein Loch für das Ofenrohr, dann fragt man sich und wo kann ich das Holz trocken lagern? Denn rund um die Häuser gibt es meist keine Garage oder einen Schuppen wo man das Heizmaterial vor Nässe und Luftfeuchtigkeit schützen kann. Geschweige von wieder hohen Kosten, Arbeit und Schmutz. Die Immobilienpreise rechtfertigen sich nicht, man will nur das meiste Kapital daraus ziehen, dank der vielen Ausländer klappt das wunderbar. Kein Mallorquiner kann sich das leisten und würde auch nicht noch Schäden am Haus oder Reparaturen bezahlen. Die Mietgesetze hier kann man ebenfalls vergessen, stehen nur Alibimässig auf dem Papier. Fazit: Wir sind nicht mehr gewillt solche Immobilien weiterhin zu finanzieren, sie gehören uns nicht und wir wollen auch keine erwerben. ( haben zu viel erlebt, was auch Immobilien zum Verkauf an Fallstricken geboten wird) Man hat wenn man hier lebt 2 grosse Ausgaben, die Immobilie und wenn man krank ist, keine Privatversicherung hat, muss man sich seine Behandlungen selbst finanzieren, denn das staatliche System kann man vergessen.