Julia Mander führt das Moderne und das Archaische zusammen. | Martin Ansorge

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Die Stimme, die in den Köpfen der Teilnehmenden wieder hallt, ist warm und einfühlsam, melodisch und zugleich energiegeladen. Transportiert wird sie von Julia Manders Kopfbügelmikrofon. Über einen Sender an ihrem Gürtel geht das Signal direkt auf die modernen W-LAN-Ohrhörer, die alle tragen.

Die neun Frauen und der MM-Reporter haben sich an diesem Donnerstagvormittag am Waldrand des kleinen Ortes Gènova im Kreis aufgestellt. „Ich zeige euch heute meine Lieblingshöhle. Ein wundervoller und energetischer Ort”, erklärt Mander. Der Weg dorthin werde über ein paar verschlungene Pfade führen und ungefähr 20 Minuten dauern. „Wenn wir dort sind, möchte ich mit euch ein kleines Erdritual durchführen und anschließend geht es auf demselben Weg zurück hierher.” Sie lächelt in die Runde. Die Teilnehmer nicken und lächeln zurück. Niemand spricht jetzt oder wird es in den kommenden eineinhalb Stunden tun. Nach ein paar Fingerstrichen von Mander auf dem Display ihres Smartphones erklingt Musik in allen Ohren und die Gruppe setzt sich in Bewegung.

Die Frau, die vom Chiemsee stammt, studierte Medienwirtschaft in Köln und arbeitete anschließend in der Marketingableitung eines Fernsehsenders in Wien. Es dauerte jedoch nicht lange, bis ihr klar wurde, dass es nicht die Medienwelt war, in der sie sich verwirklichen wollte. „Ich liebe Menschen, und ich wusste einfach, dass ich den direkten Kontakt zu anderen brauche. Ich wollte für sie und mit ihnen arbeiten, sie inspirieren und dabei helfen, mehr Balance im Leben zu finden.” Es folgte ihre eigene Entdeckungsreise durch die Welt der Spiritualität. Heute ist sie Mutter von zwei Kindern, Meditations- und Yogalehrerin, Schamanin, Heilerin und Priesterin der Rosenlinie, eine Bewahrerin alten Wissens, das bis in das antike Ägypten zurückreichen soll.

Bevor Mander 2017 nach Mallorca zog, lebte sie mit ihrer Familie für ein paar Jahre im US-amerikanischen Bundesstaat Kalifornien. In der Küstenstadt Huntington Beach habe sie zum ersten Mal ein Kopfhörer-Event gesehen. „Das waren mindestens 100 Menschen und ich war sofort fasziniert davon.” Neben diesem Trend brachte Mander eine Idee mit auf die Insel: „Ich wollte Technik und Spiritualität miteinander verbinden und deshalb gibt es heute Yoga, ekstatischen Tanz, Rituale sowie diese Wanderungen in Verbindung mit den Kopfhörern.”

Es sind vielleicht 300 Meter des Weges geschafft, als Mander ihr Mikrofon anstellt und es in den Ohren der Entourage leise knackt. Die bis dahin hochfrequente und energetisierende Musik wird von einer Stimme in den Hintergrund gerückt. „Ich möchte, dass ihr euch entschleunigt. Wir haben keine Eile. Macht jeden Schritt bewusst. Fühlt den Weg unter euren Füßen. Atmet den Wald und die Natur tief in eure Lungen und versucht einfach hier bei mir zu sein.” Entlang des Weges zeigt sie immer wieder auf Bäume und ermutigt alle, mit ihnen auf Tuchfühlung zu gehen. In einer Baumkrone hängt ein Gewächs aus Blättern, das auf den ersten Blick wie ein Nest wirkt. „Die Mallorquiner sagen, das bedeutet, dass Hexen in dieser Gegend anwesend sind. Ein gutes Zeichen!”

Immer wieder ermutigt sie die Teilnehmenden außerdem, kleine Gegenstände am Wegesrand zu sammeln. „Wann immer ihr etwas entdeckt, was euch anspricht, dann sammelt es ein. Je mehr wir haben, desto besser für den kleinen Altar, den wir später bauen werden.” Die einzige Bedingung beim Sammeln sei es, Mutternatur vor dem Pflücken von etwas Lebendigem, um Erlaubnis zu bitten.

Auch bei der Ankunft am Eingang zur Höhle hält die Schamanin inne und legt ihre Hände auf den Stein. „Wir fragen, ob wir eintreten dürfen. Berührt den Fels und spürt einfach nach. Geht in die Höhle, wenn ihr so weit seid.” In dem hohen und ausladenden Felsgebilde suchen sich alle einen Platz. Julia Mander kreiert derweil mit trockenem Reis ein Mandala auf dem steinigen Boden, in welches die gesammelten Gegenstände gleich darauf von jedem eingearbeitet werden. Alle bekommen eine Kerze und Fruchtsamen eines Granatapfels überreicht. Beides ist später Bestandteil des Rituals. In einer Messingschale werden Kräuter verräuchert, und wer möchte, kann sich von der Heilerin mit einer Adlerfeder energetisch reinigen lassen.

Es folgt eine über die Kopfhörer geführte Meditation, in die unter anderem Elementen aus dem Yoga und dem Schamanismus einfließen. „Bei dieser Zeremonie geht es darum, mit der Natur, also mit der Göttin Pachamama, in Kontakt zu kommen. Wir verabschieden den Sommer, der sich durch jede Menge innere und äußere Bewegung ausgezeichnet hat, und begrüßen den September und die Zeit der Jungfrau.” Eine Periode, in der man besonders gut in seine eigene Ruhe und innere Kraft finden könne.

Nach der Zeremonie schaut Mander in überwiegend strahlende Gesichter. Die eine oder andere Träne ist jedoch auch geflossen, denn hier und da scheint sich tatsächlich etwas gelöst zu haben und verabschiedet worden zu sein. Nun stellt sie jedem frei, sich über das Erlebte auszutauschen und deshalb auch ohne die Ohrhörer zurückzuwandern. Niemand legt die Kopfhörer ab. Auf dem Rückweg flüstert Mander den Teilnehmenden deshalb Fragen ins Ohr, über die sie in den kommenden Tagen und Wochen nachsinnen können. „Was kann ich tun, um meine physische Gesundheit zu verbessern?”, oder „Was kann ich geben, um anderen zu helfen?”, oder „Was hält mich zurück, der Mensch zu sein, der ich sein möchte?” Wieder am Ausgangspunkt angekommen, bilden alle erneut einen Kreis und fassen sich dieses Mal bei den Händen. Mit erneut einfühlsamen Worten schließt Julia Mander das Ritual ab, während sich alle anderen per Händedruck bei dem Menschen zu ihrer Linken und ihrer Rechten für die von ihm oder ihr eingebrachte Energie bedanken. Es entsteht ein Gefühl von Einheit und Nähe. Gerade so, als seien in dieser kurzen Zeit aus Fremden, ganz ohne ein Wort miteinander zu wechseln, Vertraute geworden.