Der Glanz ihrer Bräunungscreme sorgt dafür, dass auch die kleinsten Muskelstränge für diesen Moment optimal in Szene gesetzt werden. Ihre dunkle Haut scheint das Licht der vielen Scheinwerfer dabei regelrecht zu absorbieren. Die Startnummer hängt an dem blauen, eigens angefertigten und mit Pailletten besetzte Wettkampf-Bikini. Durch die Bühnen-Beleuchtung funkelt und glitzert dieser mit Marie Brennickes Augen um die Wette. Ihr stolzer Blick sagt dabei: "Das ist mein Moment." Es sind diese Minuten im Rampenlicht, auf die die 26-Jährige zwei Jahre eisern hingearbeitet hat. Das Publikum wird still im Saal, alle Aufmerksamkeit richtet sich auf die junge Frau, die Musik setzt ein und die Show beginnt.
Brennicke ist Bodybuilderin und stellt sich 2021 zum ersten Mal in diesem Sport einer Jury. Sie tritt bei einem Wettkampf der "GNBF", der German Natural Bodybuilding and Fitness Federation an. Der Verein hat sich 2003 gegründet, um das dopingfreie Bodybuilding in Deutschland zu fördern. "Hier wird jeder vor dem Wettkampf einem Test unterzogen und klar, es gibt auch Verbände ohne Kontrollen." Es ist ein offenes Geheimnis, dass in der Bodybuilding-Welt "gestofft" wird. Man arbeite unter anderem mit Wachstumshormonen oder Testosteron, damit Mann oder Frau noch „mehr“ werden könnten.
Um für diesen Sport eine Lanze zu brechen, muss jedoch erwähnt werden, dass das Doping im Leistungssport schon lange keine Bodybuilding-Sache mehr ist und wahrscheinlich auch niemals war. Es gibt unzählige Fälle in fast allen Sparten des Leistungssports, die in der Vergangenheit ans Licht gekommen sind. Nimmt man beispielsweise den Profi-Radsport, der besonders häufig dafür öffentlich in der Kritik stand, so gibt es da eben Sportler, die "sauber" sind und solche, die es nicht sind. Das Unfaire hierbei ist, dass, sollten die "unsauberen" Athleten nicht zufällig des Betrugs überführt werden, der komplette Wettkampf immer zulasten derer verzerrt wird, die sich ohne Hilfsmittel dem sportlichen Vergleich stellen.
In der Welt des Bodybuildings scheint man da einen Schritt weiter zu sein. Die, die mit Hilfsmitteln arbeiten, treten in Verbänden ohne Kontrollen gegen solche an, die das ebenfalls tun. Wer das ablehnt, misst sich mit anderen seines Schlags bei einer dementsprechenden Veranstaltung. Somit wird der Contest automatisch zu einer faireren Sache.
"Wichtig bei dem Thema zu verstehen ist, dass dich Doping per se nirgendwo hinbringt. Du musst genauso hart arbeiten, um erfolgreich zu sein. So etwas wie eine Wunderpille gibt es nicht", erklärt Marie Brennicke und ergänzt: "Wie bei jedem anderen Leistungssport, bei dem du an deine Grenzen gehst, kann man auch beim Bodybuilding nicht von einem vernünftigen Maß an Sport sprechen. Höchstleistung ist nie sonderlich gesund, mit oder ohne Doping."
Im Jahr 2019 entscheidet sich die junge Kraftsportlerin aus Brandenburg dennoch dazu, ihre eigenen Leistungsgrenzen auszuloten. "Ich wollte einfach wissen, wozu ich fähig bin und habe mir deshalb als Erstes einen Coach genommen." Ohne jemanden an der Seite, der einen leite, unterstütze und fördere, sei es nämlich fast unmöglich, diesen Weg zu beschreiten.
Viele Monate und unzählige Trainingseinheiten zum Muskelaufbau später beginnt für Brennicke der wahrscheinlich schwierigste Teil der Wettkampfvorbereitung. "Damit der Körper am Tag X so stark wie möglich aussieht, gehst du nach dem Aufbautraining in eine strenge Diät über." Ganze 40 Wochen plant sie mit ihrem Coach jede Mahlzeit und somit jede Kalorie, die sie zu sich nimmt.
"Das Ziel ist es, in der Zeit so viel wie möglich Körperfett loszuwerden, ohne dabei Muskulatur abzubauen." Eine Aufgabe, die die Sportlerin körperlich und mental an ihre Grenzen und darüber hinaus bringt. "Du verlässt deine Komfortzone, um etwas zu vollbringen, von dem du vorher nie gedacht hättest, dass du das leisten kannst. Das ist ein unglaubliches Gefühl."
Am schwierigsten sei dabei das gewesen, was neben dem Diät- und dem Trainingsplan noch so auf dem Programm gestanden habe. "Du musst ja zusätzlich deinen Alltag bestreiten. Ich bin selbstständig und kann nicht einfach 40 Wochen Urlaub machen." Auch die unzähligen Versuchungen waren ein ständiger Gegner. "Ich bin ein paar Mal in den Dönerladen um die Ecke geschlichen, nur um den Duft einzuatmen oder habe mir beim Bäcker die süßen Teilchen angeschaut", grinst Brennicke und erzählt weiter, "Du selbst nimmst den Prozess deiner eigenen körperlichen Veränderung gar nicht mehr so wahr. Erst wenn du die Bilder vom Wettkampf siehst, realisierst du, was du da eigentlich geleistet hast."
Es sei ein bisschen so wie bei Michelangelos David-Skulptur. "Am Anfang ist da nur ein Block aus Marmor und jede Anstrengung, also jeder Schlag mit dem Meißel formt deinen Körper hin zur Perfektion." Die junge Frau aus Bad Wilsnack wird bei ihrem ersten großen Auftritt deutsche Vizemeisterin der Women's Physique-Klasse.
Um die eigenen inneren und äußeren Erfolge zu teilen, hat die Athletin ihr eigenes Coaching-Programm entwickelt. Mit Powergirl-Coaching (www.powergirlcoaching.de) hilft sie anderen Frauen bei der Persönlichkeitsentwicklung, dem Training und der Ernährung. "Da geht es nicht um Bodybuilding, sondern um einen gesunden Lifestyle." Seit Beginn dieses Jahres lebt Brennicke auf Mallorca.
Im September 2022 wird sie eine Athletin als Mental-Coach zu einem Bodybuilding Wettkampf auf das spanische Festland nach Sevilla begleiten. Und genau in einem Jahr wird sie selbst wieder auf der Bühne stehen. "Jetzt weiß ich ja, was auf mich zukommt und es kribbelt jetzt schon überall, wenn ich daran denke, schön und stark dort oben auf der Bühne zu stehen und zu zeigen, was ich alles erreichen kann."
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