Die Osterzeit ist die Hochzeit der Bruderschaften. 33 solcher Vereinigungen mit insgesamt bis zu 5000 Mitgliedern gibt es allein in Palma. Gekleidet mit Spitzhut, Tunika und Umhang, das Gesicht maskiert, ziehen sie durch die Straßen. In ihrer Mitte führen viele Bruderschaften einen sogenannten Paso mit sich. Auf diesen kunstvoll gestalteten und reich geschmückten Holzkonstruktionen werden bei den Prozessionen der Karwoche Heiligenfiguren befördert, manchmal auch Darstellungen aus der Leidensgeschichte Jesu Christi.
Auf Mallorca werden die meisten Pasos auf Rädern geschoben. Nur wenige werden, wie es etwa in Sevilla üblich ist, auf Schultern getragen. Für die Costaleros, die Träger, ist das eine echte Herausforderung.
Und am Karftreitag konnten dann manche einfach nicht mehr: Die Erschöpfung übermannte die Costaleros der Bruderschaft Cofradía de las Angustias, die sich zurückziehen mussten, bevor sie die Kirche von Socors erreichten. Die etwa 25 Costaleros, die den Paso trugen, hatten keinen Ersatzmannschaft zum Auswechseln und waren bereits die ganze Karwoche über in Prozessionen unterwegs gewesen.
Nach den Worten der Präsidentin dieser Bruderschaft, Marisa Pérez, "waren sie erschöpft. Sie konnten nicht mehr tragen, und wir haben beschlossen, den Paso zu entfernen, obwohl sie das nicht wollten". Unter Tränen hielten die Träger die Prozession in der Calle de la Galera an. Nach fünf Tagen hat der Körper gesagt, dass es genug ist. "Diese Entscheidung ist uns sehr schwer gefallen, aber es war das Beste, was wir tun konnten", sagte Pérez.
Die bisherigen Prozessionen in Palma während der Karwoche, die erstmals nach nach zwei Jahren Corona-Zwangspause wieder stattfinden durften, zogen reichlich Publikum an. Unter den Schaulustigen befanden sich viele Einheimische und Gläubige, aber auch sehr viele Urlauber, die sich das exotische Treiben nicht entgehen lassen wollten.
Dass die Costaleros auf Mallorca dieses Jahr gemäß den Gesundheitsbestimmungen Maske tragen und zuvor einen PCR-Test machen müssen, ist noch das Geringste. Was buchstäblich am schwersten wiegt, ist der Paso selbst. Bei den Costaleros setzt dies nicht nur viel Kraft, sondern auch eine große Hingabe voraus. Allerdings sind bei den 33 Bruderschaften dieses Jahr nicht alle Mitglieder aktiv. Waren es 2019 noch mehr als 4500, so sind es in diesem Jahr nach der Pandemie rund 3500 Brüder und Schwestern.
Die Prozessionen beginnen ihren Weg durch die Altstadt in der Regel in der Reihenfolge des Alters der einzelnen Bruderschaften. So eröffnete die 2008 gegründete Bruderschaft Nuestra Señora de la Paz (Unsere Frau des Friedens) den Trauerzug. Den Abschluss bildete die 1902 gegründeten Bruderschaft des Kreuzes von Calatrava, die einen aus Holz geschnitzten, liegenden Christus aus dem 17. Jahrhundert mit sich führt.
650 Kilogramm wiegt etwa der Paso des Jesús del Buen Perdón (Jesus des guten Verzeihens). Getragen wird er von einer Gruppe, die zum ersten Mal gemischt ist. Diese „Cuadrilla“ besteht aus 35 Frauen und Männern.
Fast so viel wie ein Nilpferd, nämlich 1200 Kilo, wiegt der neue Paso der Hermadad de la Santa Caridad y San Junípero Serra de Palma (Bruderschaft der Heiligen Nächstenliebe und des Heiligen Junípero Serra von Palma).
Die Träger des Paso de Misterio der Bruderschaft Nuestro Padre Jesús de la Humildad y Nuestra Señora de la Paz (Unser Vater Jesus der Demut und Unsere Liebe Frau des Friedens), deren Alter zwischen 19 und 56 Jahren liegt, haben gar etwa 1700 Kilo zu schultern. Sich mit einer zweiten Cuadrilla abzuwechseln, ist bei der Bruderschaft nicht möglich. Dazu, so ihr Präsident Francisco Almuedo, fehle die entsprechende Verstärkung.
So eine schweißtreibende Hingebung funktioniert nicht ohne vorheriges Training. Seit dem Samstag nach dem Dreikönigstag probt die Bruderschaft im Industriegebiet Son Fusteret mit einer 1200 Kilogramm schweren Struktur, die außerdem mit fünf Betonträgern von je etwa 80 Kilogramm Gewicht verstärkt ist. Dabei geht es nicht nur um das Stählen der Muskeln, sondern um den reibungslosen Ablauf der Bewegungen. Denn ein Mangel an Koordination kann bei über eineinhalb Tonnen fatale Folgen haben.
Sieht man allerdings bei der Prozession die Figuren auf dem Paso bedenklich schwanken, dann bedeutet das nicht, dass einer der Träger gestrauchelt ist. Wahrscheinlicher ist, dass die Costaleros ihre Heiligenfigur „tanzen“ lassen, indem sie den Paso seitlich hin und her wiegen oder gar vor und zurück, was die anspruchsvollere Variante ist. Der Lohn in Form von Szenenapplaus ist ihnen für dieses Extra gewiss.
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