Wenn Sahra Hainke zwei Einheimische auf Mallorca reden hört, erkennt sie noch nicht, ob die beiden Spanisch oder Mallorquinisch sprechen. Das wird sich in den kommenden Wochen ändern, wenn die Deutsche weiter so häufig Spanisch lernt wie derzeit. Zwei Stunden je Woche übt sie mit einer Mallorquinerin „Castellano“. Zusätzlich paukt sie fast immer vor dem Schlafengehen Vokabeln. Sahra Hainke lebt seit vier Monaten auf Mallorca und will bald – wenn sie ihrem Hobby Segeln nachgeht – mit dem Hafenmeister kommunizieren können.
Gut 500 Millionen Sprecher des Spanischen gibt es auf der Welt. Darunter sind 47 Millionen Spanier, 129 Millionen Mexikaner und 51 Millionen Kolumbianer. Die Liste lässt sich lange fortführen, besonders mit Südamerikanern. In Paraguay, Uruguay und Argentinien herrscht ebenfalls Spanisch vor. Die Sprache gehört zu den vier meist gesprochenen weltweit: nur Englisch, Chinesisch und Hindi werden häufiger verwendet.
Es lohnt sich, Castellano zu lernen. Doch wie geht man das an? Alleine mit YouTube-Tutorials? Mit einer App? Mit Privatunterricht oder in einer Gruppe?
Für Sahra Hainke, 35 Jahre alt, ist Spanisch lernen eine Investition in sich selbst. „Ich bekomme etwas zurück, weil ich die Sprache zum Beispiel bei Behördengängen anwenden kann“, sagt sie. Die Düsseldorferin leitet ein Unternehmen für klimafreundliche Produkte wie etwa Löffel aus Bambus. Sie hat sich für Einzelstunden entschieden. Die finden bei ihr Zuhause in Port de Sóller statt.
Hainkes Lehrerin heißt Catalina Torrandell. Die 29-Jährige aus Port de Sóller betreut 25 Englisch-, sowie 15 Spanisch-Lernende. Sie sagt, dass Spracherwerb abhängig sei von den persönlichen Zielen eines jeden. Will man nur im Supermarkt erklären können, dass der vor zwei Wochen gekaufte Besen schon zum zweiten Mal gebrochen ist? Oder ist der Anspruch, mit Mallorquinern eine halbe Stunde lang über die jüngst verabschiedete Arbeitsmarktreform zu diskutieren?
Wer ohne Kenntnisse anfängt, Spanisch zu lernen, sagt Torrandell, muss sich darauf einstellen, dass die ersten Schritte mitunter langweilig sein können. „Zu Beginn ist es wichtig, die Grammatik zu pauken.“ Wichtig sei der Satzbau. Im Spanischen etwa wird das Personalpronomen anders als im Deutschen kaum genutzt: „Creo que“, „Ich glaube, dass“. Und Artikel ändern sich vom Deutschen zum Spanischen: „Der Tisch“ ist im Spanischen feminin, „La mesa“.
Catalina Torrandell übt mit ihren Schülern anfangs die Aussprache der Buchstaben, Zahlen sowie das Präsens wichtiger Verben wie „ser”, „estar”, „pensar”, „ir”, „decir”. Alle aufgezählten sind irregulär, ihr Stamm verändert sich, wenn man sie dekliniert. „Dass es so viele dieser Verben gibt, ist frustrierend“, sagt Torrandell. „Man sollte nicht versuchen, alle direkt auf einmal zu lernen, sondern sich eine Basis aneignen.“
Anfängern und Fortgeschrittenen empfiehlt die Mallorquinerin, Serien und Filme auf Spanisch mit Untertiteln zu schauen. „Am besten die, die man schon kennt.“ So gewöhne man sich an Aussprache und Intonation. Wer in Spanien lebe, habe den Vorteil, dass er sich in ein Café setzen und Menschen zuhören könne. „Wir verstehen mehr, als wir anwenden können“, sagt Torrandell. Außerdem könnten Lernende das im Unterricht Besprochene an der Tankstelle oder bei einem Sprachstammtisch anwenden.
Wer anfängt, eine Sprache zu lernen, macht schnell Fortschritte, betont Torrandell. Wie häufig man lerne, hänge von den finanziellen und zeitlichen Möglichkeiten ab. Drei Stunden Unterricht pro Woche sei viel.
Der europäische Referenzrahmen legt für den Spracherwerb sechs Kategorien fest. Er beginnt bei A1 und endet bei C2, was Muttersprachler-Niveau bedeutet. „Von B1 an wird es immer schwieriger, eine Stufe höher zu kommen.“ Aber auch für dieses Niveau gilt: So viel Spanisch wie möglich in den Alltag integrieren.
Seit Beginn der Pandemie merkt Catalina Torrandell immer deutlicher, dass es für das Sprachen lernen nicht notwendig ist, sich physisch zu sehen. Viel Unterricht finde seit Corona online statt. Wenn ihre Schüler mal nicht auf Mallorca seien, falle die Stunde nicht aus, sondern finde über Skype statt. Das sei vor Corona nicht der Fall gewesen.
Catalina Torrandell hat noch einen weiteren Trend in der vergangenen Zeit ausgemacht: Seit zehn Jahren etwa habe das Sprachenlernen mit Youtube-Tutorials und Apps einen Schub erhalten. Der Vorteil dieser Technologien sei, dass jeder lernen könne, wann er wolle. Ein Lehrer hingegen könne besser auf die Bedürfnisse der Schüler eingehen, sodass alle Fragen ausgeräumt werden könnten. Bei Einzelunterricht sei die ganze Zeit für eine Person reserviert und es gehe schneller voran. In der Gruppe muss man das Sprechtempo eines jeden beachten, hat aber Austausch, sagt Torrandell.
Einer, der nicht nur Spanisch, sondern auch Mallorquinisch spricht, heißt Hans-Ingo Radatz. Er ist Professor für romanische Sprachwissenschaft mit dem Schwerpunkt Hispanistik in Bamberg. Er war zwölf Jahre mit einer Mallorquinerin verheiratet und wohnte immer wieder in Palmas Viertel Santa Catalina. Radatz sagt: „Die spanischen Verben sind Terror.“
Aus Sicht eines deutschen Lernenden – gleich welches Niveau – sei es schwierig, die richtige Vergangenheitsform zu benutzen. Das zusammengesetzte Perfekt, das Deutsche gerne benützten, komme im Spanischen nur vor, wenn Spanier von etwas erzählen, das am selben Tag stattgefunden habe. Weiter zurückliegende Handlungen fänden im Indefinido statt. Gehöre etwas nicht dazu, müsste das Imperfekt genutzt werden, etwa wenn es um das Wetter geht. Die Aktion selbst – „Er kaufte vergangenes Jahr ein Haus“ – sei im Indefinido wiederzugeben.
Dass der Unterschied zwischen „ser“ und „estar“ – beide bedeuten „sein” beziehungsweise „sich befinden” – besonders schwierig zu erkennen sei, hält Radatz für eine Legende. „Das wird klar abgegrenzt.“ Ein Beispiel: Krank sein wird meist mit „estar“ – „Estoy enfermo“ – ausgedrückt, weil es sich häufig um einen vorübergehenden Zustand handelt. Ist jemand chronisch krank, muss „ser” benutzt werden, sagt Radatz.
Was Deutsche ebenfalls nicht kennen, ist der Subjunktiv, der dem Konjunktiv ähnelt. „Hier lohnt es sich, die Liste der Auslöser zu lernen.“ Häufig komme der Subjunktiv nur in Nebensätzen und bei Ungewissheiten wie „No creo que“ – „Ich glaube nicht, dass“ – vor. Ausnahmen seien beim Siezen im Imperativ zu finden: etwa „dé“ beim Verb „dar“, geben.
Welche Sprache empfiehlt Radatz Mallorca-Residenten? „Spanisch ist gegenüber Katalanisch die pragmatischere Wahl.“
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